EU AI Act schreibt KI-Kompetenz vor, es gibt aber ein Aber
Der neue EU AI Act verlangt, dass Mitarbeitende über KI-Kompetenzen verfügen. Doch die Realität sieht anders aus: In vielen Unternehmen fehlt es sogar an grundlegenden Kenntnissen. Dr. Farshad Badie, Dekan der Fakultät für Computer Science and Informatics an der BSBI, ist überzeugt: Eine KI-geprägte Arbeitswelt kann nur entstehen, wenn Bildungseinrichtungen und Unternehmen zusammenarbeiten.

Mitarbeitende im Fokus: KI-Kompetenz im Rahmen des EU AI Act.
Foto: PantherMedia / Gudrun Best
Herr Dr. Badie, was sind die Hauptziele des „EU AI Act“, und wie betrifft die Verpflichtung zur KI-Kompetenz die Mitarbeitenden in Unternehmen?
Der EU AI Act ist eine wegweisende Initiative zur Schaffung eines einheitlichen und vertrauenswürdigen Rahmens für künstliche Intelligenz in Europa. Meiner Meinung nach liegt ein besonderer Fokus auf den ethischen Aspekten. Die Hauptziele des KI-Regelwerks sind Sicherheit, Schutz grundlegender Rechte und Förderung von Innovation sowie die Minderung von Risiken durch KI-Systeme. Eine zentrale strategische Maßnahme ist die Klassifizierung von KI-Anwendungen nach ihrem Risikograd (von inakzeptabel bis minimal) und die Einführung entsprechender regulatorischer Verpflichtungen. Dabei stehen Transparenz, Verantwortlichkeit und menschliche Aufsicht im Vordergrund.
Gemäß der Verpflichtung zur KI-Kompetenz müssen Mitarbeitende in Organisationen, die KI einsetzen/entwickeln, über eine ausreichende „KI-Kompetenz“ verfügen, die eine Mischung aus Fachbegriffen, kritischem Denken und ethischem Bewusstsein umfasst. Es verschiebt das traditionelle Paradigma der Arbeit von der bloßen Anwendung von Technologien zu einer aktiven (informierten) Auseinandersetzung mit intelligenten Systemen. In einem solchen Arbeitsumfeld sind die Mitarbeitenden nicht mehr nur Bediener, sondern vielmehr Mitgestalter von KI-gesteuerten Prozessen. Für mich unterstreicht dies eine wichtige Aufgabe: die Entwicklung von KI-Kompetenz, die nicht nur technisch ist, sondern tief in den Werten des Menschen verwurzelt ist, das heißt, in Empathie, Fairness und Verantwortung.

Dr. Farshad Badie, Dekan der Fakultät für Computer Science and Informatics an der Berlin School of Business and Innovation, ist überzeugt: Eine KI-geprägte Arbeitswelt kann nur entstehen, wenn Bildungseinrichtungen und Unternehmen zusammenarbeiten.
Foto: BSBI
Gründe für die Wissenslücke in KI unter Mitarbeitenden
Warum fehlt es vielen Beschäftigten derzeit am notwendigen KI-Basiswissen und welche Folgen hat dies Ihrer Meinung nach für die Arbeitswelt?
Es gibt mehrere Gründe für die Wissenslücke in KI unter Mitarbeitenden. KI war ursprünglich vorrangig für Forscherinnen und Forscher, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Hightechkonzerne gedacht und nicht in den meisten Berufsfeldern präsent. Bildungssysteme haben lange traditionelle Disziplinen priorisiert und Unternehmen betrachteten KI oft als Spezialgebiet anstatt als grundlegende Kompetenz. Ich glaube zudem wirklich, dass es eine kulturelle Trägheit gibt – den Widerstand, sich weiterzubilden, während sich die Technik schnell verändert. Dies ist weniger ein individuelles Versagen als vielmehr ein Problem im System, das mit der Demokratisierung der KI nicht Schritt gehalten hat.
Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind erheblich: Kurzfristig könnten wir mit einer gespaltenen Belegschaft dastehen: Es gibt ein paar Leute, die KI wirklich verstehen, und viele, die es nicht tun und dadurch benachteiligt sind. Langfristig schadet diese ungleiche Wissensverteilung den Unternehmen – wenn sie KI nicht konsequent einsetzen können, werden sie es in einer schnellen, technologielastigen Welt schwer haben. Noch wichtiger ist jedoch: Wenn die Menschen KI nicht verstehen, können wir nicht sicherstellen, dass die Technologie uns Menschen wirklich hilft, statt uns zu schaden. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die KI nicht wirklich verstehen, können auch nicht deren Fehler erkennen oder darauf bestehen, dass sie fair eingesetzt wird.
Wie beschreiben Sie die notwendige Zusammenarbeit zwischen Bildungsinstitutionen und Unternehmen, um eine KI-geprägte Arbeitswelt zu ermöglichen?
Die Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen muss über rein zweckorientierte Partnerschaften hinausgehen. Sie sollte vielmehr ein symbiotisches Ökosystem sein, das auf einem gemeinsamen Ziel basiert. Akademische Institutionen, wie die BSBI, sind nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Inkubatoren für kritisches Denken und ethische Reflexion. Unternehmen bringen reale Herausforderungen und Ressourcen in den Austausch ein. Gemeinsam können wir Lehrpläne entwickeln, die Theorie mit Praxis verbinden und sicherstellen, dass Absolvent und Absolventinnen nicht nur technisch kompetent sind, sondern auch menschliche Werte wie Gerechtigkeit und Inklusion berücksichtigen.
Solche Kooperationen könnten innovative Formen annehmen, zum Beispiel gemeinsame Forschungslabore, praxisnahe Industrieprojekte für Studierende oder Dozentenaustauschprogramme, um akademische Inhalte an Marktanforderungen anzupassen. Eine spannende Idee wäre die Schaffung von „KI-Ethik-Zentren“ auf dem Campus, in denen Fachkräfte und Studierende gemeinsam an Fragen der Fairness und Verantwortung von KI arbeiten.
Ein visionäres Modell zur Neugestaltung der KI-Ausbildung
Was verstehen Sie unter dem „Triple“ aus Robotic Tutoring, Metaverse Campus und Curriculum Integration, und wie unterstützt es die KI-Ausbildung?
Dieses Triple ist ein visionäres Modell zur Neugestaltung der KI-Ausbildung. Robotic Tutoring nutzt KI-gestützte Lernagenten, die personalisierten und adaptiven Unterricht bieten – als unermüdliche Mentoren, die auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Studierenden eingehen. Der Metaverse Campus schafft immersive, virtuelle Umgebungen, in denen Studierende mit KI-Anwendungen experimentieren können, etwa durch die Simulation ethischer Dilemmata in einer digitalen Stadt. Curriculum Integration verankert diese Werkzeuge in den alltäglichen Lehrplänen, so dass KI nicht nur ein zusätzliches Thema ist, sondern eine Schlüsselkomponente zur Erschließung aller Fachbereiche.
Dieses Modell unterstützt die KI-Ausbildung, indem es menschliche Werte in den Mittelpunkt stellt. Roboter-Tutoren können Empathie lehren, das Metaverse kann verschiedene Perspektiven simulieren, um Inklusion zu fördern, und integrierte Lehrpläne haben Ethik ebenso im Fokus wie Algorithmen. Mein Ziel ist es, nicht nur qualifizierte Technologen, sondern auch reflektierte Denkerinnen und Denker hervorzubringen, die KI als Werkzeug für das Gemeinwohl einsetzen.
Praxisnahe Tools für die KI-Schulungen
Welche praktischen Tools und Plattformen setzt die BSBI ein, um Studierende in der Anwendung von KI zu schulen?
Als Dekan der Fakultät für Informatik und Informationstechnologie an der BSBI bin ich stolz darauf, dass wir unseren Studierenden praxisnahe Tools zur Verfügung stellen. Wir nutzen Plattformen wie TensorFlow und PyTorch für maschinelles Lernen, Google Colab als stabilen Entwicklungsrahmen und Unity für KI-gestützte Simulationen. Zudem arbeiten wir an der Entwicklung von virtuellen Laboren, in denen Studierende KI- und Robotik-Projekte umsetzen können. Durch Kooperationen mit Industriepartnern und Plattformen wie GitHub fördern wir außerdem kollaborative Projekte.
Unser strategisches Ziel ist es, technische Fähigkeiten mit einem starken Wertebewusstsein zu verbinden – damit unsere Studierenden nicht nur KI programmieren, sondern sie auch verantwortungsbewusst gestalten lernen.
Welche zentralen KI-Kompetenzen sollten Studierende Ihrer Ansicht nach lernen, um auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet zu sein?
Ich glaube, dass drei große Säulen entscheidend sind: technologische Kompetenz – dazu gehören Programmierung (z. B. Python, R), Grundlagen des maschinellen Lernens sowie Datenverarbeitung und -analyse. Kreatives Denken, also die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, Muster zu erkennen und innovative Lösungen zu entwickeln. Und ethisches Bewusstsein, das über ein fundiertes Verständnis für Datenschutz, faire KI-Entwicklung und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie verfügt.
Verständnis für KI-Ethik, Datenschutz und Fairness
Inwieweit ist das Verständnis von ethischen Aspekten der KI, wie Datenschutz und Fairness, für zukünftige Fachkräfte Ihrer Meinung nach von Bedeutung?
Ich würde sagen, das Verständnis von KI-Ethik wie Datenschutz und Fairness ist zentral. Es ist nicht optional, sondern das Rückgrat der Entwicklungen von morgen. KI ist nicht nur ein Code, sie ist Macht. Unsere Studierenden müssen lernen, wie sie ihre Daten schützen und jegliche Voreingenommenheit/negatives Verhalten unterbinden können. Meiner Meinung nach kann eine schlechte KI Menschen von Chancen ausschließen und diese negativen Auswirkungen sollten wir unter allen Umständen verhindern. Ich möchte, dass unsere Absolventinnen und Absolvente mit gutem Gewissen vorangehen und Systeme aufbauen, die auf Würde und Inklusion beruhen.
Warum sind Problemlösungsfähigkeiten ein zentraler Bestandteil der Ausbildung im Bereich künstliche Intelligenz?
Problemlösung ist die Grundlage der KI-Ausbildung, weil sie Studierenden ermöglicht, Wissen in einer dynamischen Disziplin aktiv auszubauen. An der BSBI sehen wir dies als Schnittstelle zwischen kognitiver Anpassungsfähigkeit und ethischer Weitsicht. Absolvent*innen sollen KI nicht nur als technische Disziplin verstehen, sondern sie so gestalten, dass sie der Gesellschaft dient.
Brücke zwischen Hochschulen und Industrie
Welche Vorteile könnten Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen Ihrer Meinung nach für die KI-Ausbildung der Studierenden bieten?
Partnerschaften zwischen Hochschulen und Industrie können eine symbiotische Verbindung von theoretischer Innovation und Praxis bewirken. In diesem Rahmen können die Studierenden ihr akademisches Wissen bei der Lösung praktischer Probleme in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Industrie anwenden und ihre Fähigkeiten im Projektmanagement verbessern. Die Industriepartner profitieren ihrerseits durch die Zusammenarbeit von neuen Perspektiven und innovativen Ideen, die zur Entwicklung neuer und effektiver Lösungen für die Weiterentwicklung der Praxis führen können.
Wie könnten KI-Hackathons dazu beitragen, die Lücke zwischen akademischer Ausbildung und praktischer Anwendung in der Wirtschaft zu schließen?
Diese Veranstaltungen schaffen eine Dialektik zwischen theoretischen Modellen und praktischen Anforderungen, da die Lernenden durch gemeinsames Experimentieren iterativ KI-Prototypen konstruieren. Die Interaktion zwischen Wissenschaft und Industrie kann das Verständnis füreinander verbessern und die Kluft zwischen beiden überbrücken, indem kognitive Erkenntnisse mit umsetzbaren Ergebnissen in einem dynamischen, rekursiven Prozess zusammengeführt werden.
Welche spezifischen KI-Kompetenzen sollten Ingenieure Ihrer Meinung nach erwerben, um in einer zunehmend KI-geprägten Arbeitswelt erfolgreich zu sein?
Wir müssen einen triadischen Kompetenzrahmen aufbauen: technische Beherrschung (z. B. neuronale Netze, Reinforcement Learning), operative Kompetenz (z. B. MLOps) und ethische Selbstreflexion. Meiner Meinung nach sollten Bildungsmodelle diese Aspekte fördern – durch den Aufbau fortschrittlicher KI-Systeme, deren Skalierung für den Einsatz in der Praxis und die kritische Bewertung ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen. Dieser konstruktivistische Ansatz stellt sicher, dass Ingenieure eine Zukunft mitgestalten, in der technisches Können und moralisches Handeln in Einklang stehen.
Die Rolle von Ingenieuren bei der Integration von KI-Bildung und industriellen Anforderungen
Wie können Ingenieure dazu beitragen, die Kluft zwischen der akademischen Ausbildung in KI und den praktischen Anforderungen der Industrie zu überbrücken?
Ingenieure verbinden als konstruktivistische Vermittler die akademische KI-Bildung mit der Industrie, indem sie praktische Anforderungen, wie skalierbare KI-Optimierung, in die Lehrpläne einbringen. Dies ermöglicht es den Studierenden, Wissen durch kontextbezogenes Arbeiten zu erlangen. Ingenieure leiten die Studierenden durch Mentoring an und entwickeln gemeinsam Dinge wie Open-Source-Werkzeuge, wodurch Theorie und Praxis verbunden werden. Dieser wechselseitige Prozess formt die Bildung so, dass sie den Bedürfnissen der Industrie entspricht und der praktischen Arbeit mehr Tiefgang verleiht.
Vielen Dank für das Interview!
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