Berufsprofile 22.10.2010, 19:49 Uhr

Stark spezialisierte Ausbildung von Kunststoffingenieuren hat ihre Tücken

Kunststoffe „sind Treiber und Getriebene der sich beschleunigenden Entwicklungen“, weiß Manfred Rink, Leiter des Bereichs New Business bei Bayer MaterialScience. Entsprechend weit müssen Kunststoffingenieure über ihr Fachwissen und den aktuellen Wissensstand hinaus planen können.

VDI nachrichten: Herr Rink, was hat man sich unter „Kunststoffingenieuren“ vorzustellen?

Manfred Rink: In allen Bereichen der Kunststoffindustrie, von der Forschung und Entwicklung, der Produktion und Anwendung bis zum Vertrieb finden sich spezialisierte Ingenieure mit hoch interessanten Herausforderungen. Darüber hinaus finden Sie fast in allen Industriebranchen Kunststoffingenieure, die mit ihrem Wissen wesentlich zum Erfolg der Produkte beitragen, sei es die Auto- oder Bauindustrie, die Elektro- oder die Kommunikationsindustrie – um nur einige zu nennen. So vielfältig unsere Waren- und Dienstleistungswelt ist, so vielfältig sind die Möglichkeiten und die Profile für Kunststoffingenieure.

Was sind die größten Herausforderungen für Kunststoff-Ingenieure?

Da die Kunden oder anders gesagt: der Markt, ständig nach attraktiven Produkten suchen und dafür kein Werkstoff bevorzugt wird, muss der Kunststoffingenieur auch Alternativen, wie Metall oder Glas, kennen. Nur so kann er Lösungen entwickeln und nachhaltig erfolgreich vermarkten. Da Kunststoffe in allen Bereichen der Industrie aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften Anwendung finden und dort oft erst Innovationen ermöglichen, sind sie Treiber und Getriebene der sich beschleunigenden Entwicklungen. Beispiel dafür sind Anwendungen in der durch besonders kurze Produktlebenszyklen gekennzeichneten Informations- und Kommunikationsindustrie, wie Kunststoffe für die Datenspeicherung, sei es CD-, Blue Ray- oder holografische Datenspeicherung.

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Kunststoffe sind wichtige Antworten auf globale Herausforderungen, wie die des Klimawandels. Durch die Möglichkeiten zum Leichtbau von Fahrzeugen oder durch Dämmung von Gebäuden leisten sie einen wesentlichen Beitrag, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Auch Fortschritte bei den erneuerbaren Energien sind ohne die Kunststoffe undenkbar. Ein Kunststoff-Ingenieur muss also in der Lage sein, über sein Fachwissen hinaus zu denken.

Viele große Verarbeiter und Erzeuger haben in Deutschland ihre Headquarter, produzieren aber häufig in Indien und China. Welche Herausforderungen stellt das an die Fachkräfte in Deutschland?

Fachkräfte müssen sich auf einen möglichen Einsatz im Ausland einstellen. Denn nicht nur die Produktion und das Marketing, in dem auch viele Kunststoff-Ingenieure zu Hause sind, folgen den Märkten und Kunden, sondern auch Forschung und Entwicklung suchen sich global Standorte mit den besten Rahmenbedingungen. Fremdsprachenkenntnisse und Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes sind wichtig.

Wie werden Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen auf dem neuesten Wissensstand gehalten?

Wichtig ist, dass durch anspruchsvolle Aufgaben und Projekte, durch Kooperationen mit führenden Unternehmen sowie Hochschulen und Instituten ein ständiger Wissensaustausch gewährleistet wird. Lebenslanges Lernen ist in erster Linie eine persönliche Herausforderung. Unser Unternehmen unterstützt Mitarbeiter durch ein umfangreiches internes und externes Weiterbildungsprogramm. Dabei nutzen wir hochinnovative Weiterbildungsprogramme, wie sie der Verein kunststoffland NRW anbietet.

Wo nehmen Sie Ihre Ingenieure her?

Unsere Ingenieure kommen in erster Linie von Universitäten und Fachhochschulen.

Wir sind aber auch an erfahrenen Bewerbern mit Fach- oder Branchenwissen aus der Industrie interessiert. Wir stellen weltweit ein. Ein gutes Angebot an hoch qualifizierten Bewerbern ist ein wichtiger Standortaspekt.

Gibt es genügend Studiengänge, die die Branche mit gut ausgebildeten Ingenieuren bedienen?

Für Deutschland gesehen: Im Großen und Ganzen, denke ich, ist die Ausbildung gut. In einzelnen Fällen kann es zu einem schlechten Verhältnis von Nachfrage und Angebot kommen. Dabei spielen Ausbildungsdauer und Veränderungsgeschwindigkeit des Bedarfs ein große Rolle. Eine zu stark spezialisierte Ausbildung läuft Gefahr, dass für dieses Angebot keine Nachfrage mehr besteht, wenn sich der Markt nach Jahren der Ausbildung verändert hat.

Ist es hier wie in anderen Branchen: Große Unternehmen können über das Fachkräfteangebot nicht klagen, weil sie den kleineren, wenig bekannten Firmen bei der Rekrutierung zuvorkommen?

Der Kampf findet in erster Linie nicht zwischen kleinen und großen Betrieben, sondern zwischen den mehr oder minder innovativen Unternehmen statt. „Innovativ“ betrifft nicht nur Produkte, sondern auch Arbeitsformen, die auf die Belange von Arbeit und Familie eingehen.

Kleine und mittelständische Unternehmen haben ihre Stärken: Oft hochinnovativ, überschaubar, fokussiert und lokal präsent sind sie interessante Arbeitgeber. Sie stehen im Wettbewerb nicht schlechter da als große Unternehmen.

Sie sind beim Verein kunststoffland NRW im Vorstand aktiv. Wie sehen hier unternehmensübergreifende Kooperationen in der Fachkräfteentwicklung aus?

Mit dem Weiterbildungsprogramm „NetzWerk“ bietet der Verein kunststoffland NRW den mehr als 80 Mitgliedsfirmen ein themenbezogenes Weiterbildungsprogramm für Fach- und Führungskräfte an. Dieser Lehrgang bringt Mitarbeiter aus Firmen entlang der Wertschöpfungskette zusammen. Dabei stehen Themen wie „Elektromobilität“, „Licht und Optik“ oder demnächst „Leichtbau“ im Mittelpunkt.

Mitarbeiter aus Unternehmen der Großchemie arbeiten mit Mitarbeitern aus klein- und mittelständischen Betrieben zusammen, lernen Möglichkeiten und Grenzen des jeweilig anderen kennen, nutzen den Zugang zu lokalen Hochschulen, um sich und ihre Themen weiterzuentwickeln.

 

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Schmitz

    Wolfgang Schmitz

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Bildung, Karriere, Management, Gesellschaft

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