Unternehmen heben den Erfahrungsschatz
Erfahrene Arbeitskräfte zu schulen, folgt anderen Regeln als das Training von Jungen. Wissensschatz und Erfahrungen sind ein unschätzbares Kapital – gerade für technikorientierte Unternehmen. Diese Erkenntnis hat sich in den vergangenen Jahren in fast allen Branchen durchgesetzt. Trotzdem fehlt auch der Generation Ü-45 häufig noch das eine oder andere Rüstzeug, um sich beruflich adäquat weiterzuentwickeln.
Wer auf eine qualifizierte Ausbildung und 20 bis 30 Jahre Berufserfahrung zurückgreifen kann, lernt anders als jemand, der als junger Mensch nach dem Abitur oder nach einem Studium einen Wissensbestand aufbaut, um dem ersten Job halbwegs gewachsen zu sein. Darauf stellen sich die Unternehmen und die Weiterbildner mehr und mehr ein.
„Die Firmen sind wacher geworden“, bestätigt Jörn Schiemann, Geschäftsführer der 2coach Personal- und Unternehmensberatung in Hamburg. In seiner Beratungspraxis erlebe er immer wieder, wie wichtig es für Firmen sei, das fachspezifische Know-how älterer Arbeitnehmer und Manager gewinnbringend einzusetzen.
Zu den Gründen, älteren Mitarbeitern gezielte Weiterbildung anzubieten, gehöre nicht nur das Risiko, jüngere Beschäftigte nach der Einarbeitung und nach Investitionen in deren Qualifikation an andere Firmen zu verlieren, sondern auch das Bestreben, im Rahmen eines gezielten Wissensmanagements Erfahrungen unternehmensintern weiterzugeben. „Immer mehr Unternehmen gründen dazu eigene Akademien. Erfahrene Mitarbeiter werden in die Ausbildung des Nachwuchses einbezogen“, so der Trainer und Berater. „In diesem Rahmen bekommt dann zum Beispiel ein erfahrener Prokurist von uns das methodisch-didaktische Rüstzeug, um jüngere Mitarbeiter adäquat und mit modernen Lehrmethoden zu unterrichten.“
Häufig müssen ältere Arbeitnehmer nicht so sehr im technisch-fachlichen Bereich dazulernen, sondern bei den Softskills. Das kann das Thema Führung sein, wenn ein Mitarbeiter mit über 45 in die Personalverantwortung hineinwachsen soll, oder wenn sich herausstellt, dass es in der Vergangenheit in diesem Bereich Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten gab. Auch im Bereich Kommunikation und Kundenkontakt besteht je nach bisheriger Tätigkeit oft Entwicklungsbedarf.
Was auch immer die älteren Kollegen lernen sollen: Sie tun es meist anders als junge Menschen. Schon deshalb, weil der Wissenspool, in den sie neu erworbenes Know-how einordnen müssen, größer ist. Bildungsexperten halten es für sehr schwierig, neue Erkenntnisse, die nicht auf eigener Erfahrung beruhen, in den vorhandenen Wissensbestand einzuordnen. Ältere Menschen erfinden das Rad nicht neu. Aber sie entwickeln neue Anwendungsmethoden. Das muss bei der Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
Im Einzelunterricht ist das normalerweise kein Problem. „Ein erfahrener Trainer wird den Wissensschatz seines Schülers erkennen und darauf aufbauen, anstatt ihm noch einmal alles von Anfang an erklären zu wollen“, sagt Jörn Schiemann. Bei gemischten Lerngruppen – sowohl alters- als auch erfahrungsgemischt – sollte deswegen schon ein anderes Weiterbildungskonzept zugrunde gelegt werden. Wissensvermittlung funktioniert bei Älteren am besten, wenn man erworbenes Know-how integriert und respektiert.
„Wenn Ältere ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen in den Unterricht einbringen können, profitieren davon am Ende alle“, weiß Jan Heinze, Geschäftsführer der Technischen Fachschule Heinze in Hamburg. Vor allem in der CAD-Konstruktion, etwa mit neuen Catia- und Solid Works-Versionen, läge der Anteil der über 45-jährigen Weiterbildungsteilnehmer an seinem Institut häufig bei mehr als 20 %. „Junge Teilnehmer einer solchen Weiterbildung lernen oft schnell auswendig und beherrschen die Programme schon nach kurzer Zeit perfekt“, berichtet er. „Die älteren wissen aber viel besser einzuschätzen, worin der spezifische Vorteil der neuen Software für die tägliche Anwendung liegt.“
Lernen ist seiner Erfahrung nach nur dann schwierig, wenn jemand im Alltag lange Zeit mit einmal erworbenem Wissen ausgekommen ist. „Wer kontinuierlich dazugelernt und sich entwickelt hat, hat damit normalerweise kein Problem“, versichert Heinze.
Peter Körner, Direktor HR Development bei der Deutschen Telekom in Bonn, geht noch weiter. In seinen Augen wäre es sinnvoll, die klassische Karriere um eine ausgiebige Weiterqualifizierungsphase in der Mitte des aktiven Berufslebens zu ergänzen. „Das, was man im Studium gelernt hat, hat sich oft nach zehn bis 20 Jahren überholt“, sagt er. Wer dann mit jungen Nachwuchskräften konkurrieren und effektiv zusammenarbeiten wolle, müsse auf der Höhe der Zeit bleiben und in die eigene Weiterbildung investieren.
Körner plädiert deshalb für die Entwicklung von Bachelor 42+-Ausbildungen, die gezielt auf moderne Lebens- und Karriereabläufe abgestimmt sind. „In fast jedem Berufsfeld hat es seit der Studienzeit der heute 45- bis 55-Jährigen wichtige Paradigmenwechsel gegeben“, erläutert er.
Im Studium von IT-lern dieser Generation bestimmten noch Großrechner die Lehrinhalte. Heutige Architekturen basieren auf Client-/Server-Modellen, Vernetzung habe eine rasante Entwicklung genommen und das Cloud-Computing sei das bevorzugte Prinzip, um effiziente und skalierbare Strukturen aufzubauen.
„Diese Entwicklungssprünge hat es in fast jeder Disziplin gegeben“, sagt der promovierte Wirtschaftsinformatiker. „Eine gezielt auf die Kombination dieses wissenschaftlichen Fortschrittes mit dem Erfahrungsschatz erfahrener Manager ausgerichtete Senior-Bachelor-Ausbildung könnte ein wichtiger Baustein zeitgemäßer Karriereentwicklung sein.“
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