Vom Ingenieur zum Vollblut-Manager
VDI nachrichten, Hannover, 28. 1. 05 -Die Auto-Branche ist Schrittmacher in der Mitarbeiter-Qualifikation. Unternehmen wie Bosch, DaimlerChrysler, Continental und VW setzen hier Maßstäbe. Was die Konzerne in diesem Bereich bieten, übersteigt allerdings die Kapazität kleiner Zulieferfirmen.
Der große Spaßfaktor ist aus der Weiterbildung verschwunden. Drei Monate hat der 37 Jahre alte Maschinenbau-Ingenieur Fred Schulze ein bis zwei Stunden täglich, Samstag und Sonntag eingeschlossen, für seine Zusatzqualifikation geschuftet. Und das neben seiner ohnehin anspruchsvollen Arbeit in der Fertigungsleitung des Microbus bei VW in Hannover. „Es war hart, aber eine sehr gute Erfahrung, die mich weiterbringt“, resümiert Schulze.
Schulze gehört zu den ersten hoch qualifizierten Mitarbeitern, die von der anlaufenden Volkswagen AutoUni profitieren. „Sustainable Management“ heißt das Studien-Modul, das ihm den Blick für eine nachhaltige mittelfristige Planung öffnen sollte oder, wie er es formuliert, „für eine Planung, die das Unternehmen auch in 15 bis 20 Jahren ökonomisch, ökologisch und sozial auf der richtigen Spur hält“.
Heute gehört Mitarbeiter-Qualifizierung schlicht zur Überlebensstrategie von Unternehmen und Mitarbeitern. Entsprechend gründlich wird geprüft, wer wovon am meisten profitiert. Auch die Weiterbildungs-Kandidaten der Volkswagen AutoUni müssen, wie alle anderen Studierenden dieser Hochschule, einen Eingangstest bestehen. Trotzdem halten nicht alle durch. „Den Abbrechern machten vor allem die vielen Prüfungen zu schaffen“, meint Schulze.
Und möglicherweise auch das „Blended Learning“, die Kombination von elektronisch basiertem Lernen mit Präsenzphasen. „Nach drei intensiven Präsenztagen mussten wir unser Studium, das nur durch vorgegebene Lern- und Prüfungsschritte strukturiert ist, selbst organisieren.“ Wie in der betrieblichen Weiterbildung üblich, setzt auch die AutoUni für die Selbstlernphasen elektronische Medien ein. Auf ihrer Intranet-Plattform stellt sie Aufgaben, die entweder von jedem Kandidaten allein oder von einem Team, das sich im Chatroom trifft, gelöst werden. „Nach dem erfolgreichen Abschluss dieses Bausteins könnte ich auf Kosten von VW bis zum Master-Abschluss weiterstudieren“, so Schulze. „Im Augenblick aber nimmt mich das Microbus-Projekt voll und ganz in Anspruch.“
Mit den Führungskräfte-Aufgaben hat sich auch deren Qualifizierung innerhalb der Kompetenzfelder Fach-, Führungs-, Sozial- und unternehmerische Kompetenz verschoben. Während die Vermittlung spezifischer Fachkompetenzen nicht mehr im Vordergrund steht, rückt die unternehmerische Weiterbildung ins Zentrum.
Auch bei DaimlerChrysler. In Stuttgart läuft diese Qualifizierung teilweise über die DaimlerChrysler-University, eine quasi virtuelle Uni, die über einen Kooperations-Fundus mit renommierten Hochschulen und Professoren verfügt. Gleichzeitig organisiert jedes Werk ein eigenes Angebot, das dem jeweiligen Weiterbildungsbedarf gerecht wird. „Die Qualifizierung ist durch eine Betriebsvereinbarung geregelt“, betont Pressesprecherin Nicole Ladage.
Das Vorbild der Auto-Industrie prägt auch die Zuliefer-Firmen wie Continental, die ihre Weiterbildung teilweise in die Outsourcing-Firma Contur GmbH ausgelagert hat. „Wir organisieren Zusatzqualifikationen, wie etwa Persönlichkeitstraining für Führungskräfte“, berichtet Contur-Sprecherin Claudia Belter. Geballter Einsatz auch bei Bosch. Rund 100 Mio. € jährlich gibt die Bosch-Gruppe allein in Deutschland für die Mitarbeiter-Qualifizierung aus. „Etwa 1 Mio. € davon fließt in das Robert-Bosch-Kolleg“, berichtet Kolleg-Leiter Bernward Böning.
Nur 5 % bis 10 % aller Ingenieure verschließen sich der Wissensdiffusion. Knapp 70 % der Weiterbildungsangebote für Ingenieure tragen die Betriebe, die auch als wichtigste Qualifizierungsträger fungieren. Die Hochschulen sind nur bei der Weiterbildung für Bauingenieure und Maschinenbauer mit Uni-Abschluss signifikant beteiligt. Das zeigt eine Studie des Hochschul-Informations-Systems HIS in Hannover. Ingenieure FH fragen in den ersten fünf Jahren nach Studienabschluss vor allem Kurse in EDV-Anwendungen nach. Uni-Absolventen dagegen zeigen vor allem Interesse an Managementwissen mit Fremdsprachen- und Wirtschaftskenntnissen gleichzeitig aber besteht bei ihnen auch ein starker fachlicher Weiterbildungsbedarf – bei 82 % der Bauingenieure und 57 % der E-Techniker und Maschinenbauer.
Verlierer im bezahlten Weiterbildungskarussel sind Mitarbeiter kleiner Firmen, die ihr Personal nicht problemlos freistellen können. Und Frauen, die nach wie vor mehr Eigeninitiative aufbringen müssen, um vorne mitzumischen. Während 42 % der Frauen selbst die Initiative zur Weiterbildung ergriffen, waren es bei den Männern nur 28 %. Außerdem profitieren Frauen seltener von betrieblich organisierten Qualifizierungen. Ein entscheidender Nachteil. Denn, so die HIS-Autoren, genau diese Form der Weiterbildung ist besonders erfolgsorientiert und dient der Verbesserung der beruflichen Position. RUTH KUNTZ-BRUNNER
Literatur: Julia Willich, Karl-Heinz Minks: Die Rolle der Hochschulen bei der beruflichen Weiterbildung von Hochschulabsolventen, HIS Kurzinformation A7/2004, November 2004.
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