Zukunftsorientierte Ausbildung: Mit Lernplattform gegen Fachkräftemangel
Im Interview warnt Alexander Giesecke, Gründer von der Lernplattform simpleclub, vor den Auswirkungen des politischen Rückzugs der Ampelregierung: „Unternehmen müssen jetzt aktiv werden und sich zukunftssicher aufstellen.“
Mit seiner Lernplattform, die monatlich 2 Millionen Nutzer erreicht und über 500 Unternehmenspartner wie Bosch, Merck und Deutsche Bahn zählt, hat Giesecke wertvolle Einblicke in die Anforderungen an eine zukunftsorientierte Ausbildung. Er mahnt: Die „Wird schon“-Mentalität vieler Unternehmen ist gefährlich, da sie die Fachkräfte von morgen verlieren könnten.
Herr Giesecke, Sie sprechen von einer „Wird schon“-Mentalität in vielen Unternehmen. Was genau meinen Sie damit, und warum ist diese Haltung gefährlich?
Das Grundproblem, das wir in Deutschland beobachten, betrifft die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen. Einige kämpfen mit sinkenden Aufträgen oder stehen aufgrund struktureller Veränderungen in der Industrie vor der Herausforderung, sich neu aufzustellen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Unternehmen, die ihre Aufträge aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr erfüllen können. Das ist eine dringende Herausforderung, die aktiv gelöst werden muss.
Viele Unternehmen versuchen, durch verstärkte Investitionen ins Recruiting neue Mitarbeitende zu gewinnen. Doch wenn dies nicht erfolgreich ist, wird oft die Politik als Verantwortliche kritisiert. Diese Haltung ist jedoch gefährlich, denn sie verzögert notwendiges Handeln. Unternehmen müssen verstehen, dass sie selbst aktiv werden und den Fachkräftemangel strategisch und eigenständig angehen müssen. Das Problem wird sich weder von selbst noch allein durch politische Maßnahmen lösen.
Unsere Erfahrungen mit über 500 Kunden zeigen, dass Unternehmen, die gezielt in die Entwicklung und Qualität ihrer Mitarbeitenden investieren, deutlich erfolgreicher sind. Diese Unternehmen erleben einen spürbaren Wandel: Sie ziehen nicht nur mehr potenzielle Fachkräfte an, sondern steigern auch deren Qualität. Der Schlüssel liegt darin, nicht nur auf neues Personal zu setzen, sondern auch die bestehende Belegschaft durch moderne Ausbildungs-Tools und gezielte Maßnahmen weiterzubilden. Gleichzeitig signalisieren sie ihren Mitarbeitenden, dass sie als wertvolle Ressource geschätzt und gefördert werden.
Dieses Verständnis ist essenziell: Investitionen in die Weiterbildung und Entwicklung der Mitarbeitenden sichern langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Nur wer jetzt handelt, kann den Fachkräftemangel aktiv bewältigen und sich erfolgreich am Markt positionieren.
Radikale Veränderungen sind notwendig
Wie kann man das Problem lösen?
Die Verbindung zwischen den bestehenden Bildungslücken und dem Fachkräftemangel wird oft unterschätzt. Ein großes Missverständnis liegt darin, dass viele Unternehmen glauben, sie könnten das Problem einfach durch das Einstellen neuer Mitarbeiter lösen. In Wirklichkeit reicht das nicht aus. Es ist entscheidend, in den Kern der Ausbildung zu investieren, um den Fachkräftemangel langfristig zu bekämpfen.
Wenn Unternehmen diesen Zusammenhang verstehen und erkennen, dass es bereits Tools gibt, die nicht nur die Ausbildungsqualität verbessern, sondern gleichzeitig auch Kosten sparen, dann haben sie einen starken Hebel, um sich zukunftssicher aufzustellen.
Es ist wichtig, sich von der Mentalität zu lösen, dass alles irgendwie weitergeht und auf das Beste gehofft wird. Diese Haltung wird nicht mehr funktionieren. Wir stehen an einem Punkt, an dem radikale Veränderungen notwendig sind. Glücklicherweise gibt es inzwischen viele Lösungen auf dem Markt, die Unternehmen dabei unterstützen können. Wer bereit ist, in diese Lösungen zu investieren und sich aktiv damit auseinanderzusetzen, kann sein Unternehmen zukunftsfähig machen.
Zwei Ansätze gegen Fachkräftemangel
Welche konkreten Maßnahmen können Unternehmen jetzt ergreifen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Den Fachkräftemangel kann man im Wesentlichen über zwei Ansätze angehen: Einerseits, indem man versucht, mehr neue Leute einzustellen, und andererseits, indem man gezielt in die Ausbildung und Entwicklung der bereits vorhandenen Mitarbeitenden investiert. Denn es reicht nicht, nur Stellen zu besetzen, wenn die Personen die notwendigen Fähigkeiten nicht mitbringen.
Viele Unternehmen stehen vor dem Problem, jeden einstellen zu müssen, der verfügbar ist, auch wenn grundlegende Kompetenzen fehlen. E s kommt immer wieder vor, dass Fachkräfte im ingenieurwissenschaftlichen oder gewerblich-technischen Bereich sogar an Grundlagen wie dem Dreisatz scheitern. Hier wird n müssen stärker in die Ausbildung investieren. Genau hier setzt simpleclub an. Wir unterstützen Unternehmen dabei, sicherzustellen, dass ihre Auszubildenden ihre Klausuren bestehen und langfristig im Unternehmen bleiben, indem sie zu qualifizierten Fachkräften entwickelt werden – unabhängig davon, mit welchem Bildungsstand sie starten.
Ein weiterer Punkt, den viele Unternehmen unterschätzen, ist die Bedeutung der Ausbildungsqualität für die Zufriedenheit der Azubis. Statistiken zeigen, dass die Weiterempfehlungsquote von Azubis in den letzten Jahren rückläufig ist. Zu Beginn haben sie oft hohe Erwartungen, doch wenn die Ausbildung nicht ihren Vorstellungen entspricht oder sie nicht ausreichend gefördert werden, sinkt ihre Motivation. Das wirkt sich negativ auf das Image der Ausbildung und langfristig auch auf die Anzahl der Bewerber aus.
Unternehmen, die dagegen aktiv in die Qualität ihrer Ausbildung investieren und zeigen, dass sie die persönliche Entwicklung ihrer Azubis ernst nehmen, können nicht nur die Weiterempfehlungsquote deutlich steigern, sondern profitieren auch von einem besseren Ruf. Das zieht wiederum mehr Bewerber an. Der entscheidende Hebel liegt also nicht nur im Recruiting, sondern vor allem in der Qualität und Unterstützung während der Ausbildung. Langfristig zahlt sich dieser Ansatz mehrfach aus.
Qualität der vorhandenen Mitarbeitenden steigern
Könnte es ein sinnvoller Ansatz sein, Auszubildende und Mitarbeitende aktiv in die Rekrutierung einzubinden, etwa in Form von „Corporate Influencern“?
Ja, genau. Jeder Mitarbeitende ist letztlich eine Art Botschafter für das Unternehmen – entweder mit einer positiven oder negativen Stimme. Das gilt ebenso für neue Fachkräfte: Wenn sie ins Unternehmen kommen und das Gefühl haben, dass sich die Arbeit dort wirklich lohnt, tragen sie diese Erfahrung in ihr Umfeld und schaffen so eine positive Mundpropaganda. Diese authentische Weiterempfehlung ist enorm wertvoll für das Unternehmen.
Andersherum bringt es wenig, massiv ins Recruiting zu investieren, wenn die interne Erfahrung der Mitarbeitenden schlecht ist. Das wäre wie ein Sieb mit zu vielen Löchern – man steckt vorne viel Geld und Aufwand hinein, aber die Leute bleiben am Ende nicht. Genau deshalb setzen wir uns dafür ein, den Fachkräftemangel nicht nur über die Anzahl der Mitarbeitenden zu lösen. Langfristig gibt es schlichtweg nicht genug Menschen, um alle offenen Stellen zu besetzen.
Der Schlüssel liegt darin, die Qualität der vorhandenen Mitarbeitenden zu steigern. Das hat gleich zwei Vorteile: Zum einen zieht es automatisch mehr Bewerber an, da zufriedene Mitarbeitende ihr Unternehmen weiterempfehlen. Zum anderen wird die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gesichert, da eine höhere Qualifikation der Belegschaft die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Die Investition in die Qualität der Mitarbeitenden zahlt sich also doppelt aus – für das aktuelle Team und für die Gewinnung neuer Talente.
Praxisnahe Inhalte digitalisieren
Können Sie konkrete Praxisbeispiele nennen, die verdeutlichen, wie Weiterbildung die Rolle von Mitarbeitenden stärkt und sich positiv auf das Unternehmen auswirkt?
Ein Beispiel aus der Praxis ist unser Kunde, die Kreissparkasse München, die simpleclub flächendeckend für ihre Auszubildenden eingeführt hat. Die Azubis lernen mit dem Tool eine festgelegte Anzahl von Stunden pro Woche, was sie gerne tun, da viele die Plattform bereits aus der Schulzeit kennen. Das Ergebnis ist ein doppelter Gewinn: Einerseits erzielen die Azubis hervorragende Lernerfolge, da die Inhalte gut aufbereitet und ansprechend gestaltet sind. Andererseits spart das Unternehmen erhebliche Kosten, weil sie keine Nachhilfelehrer mehr beauftragen oder ihre Ausbilder in der Theorie stark einbinden müssen. Vorher war es oft nötig, dass Ausbilder grundlegende Theorieinhalte wiederholen und innerbetrieblichen Unterricht anbieten. Mit unserer Lösung können sie sich stärker auf die praxisorientierte Ausbildung konzentrieren.
Ein weiteres Beispiel stammt aus dem gewerblich-technischen Bereich. Ein Kunde setzte simpleclub ein, um praxisnahe Inhalte zu digitalisieren, etwa die Anleitung zur Bearbeitung einer Welle. Früher mussten Azubis dies ausschließlich vor Ort an der Maschine lernen, was zeitaufwändig und ineffizient war, da nicht immer alle gleichzeitig üben konnten. Wir haben diesen Prozess digitalisiert: Die Auszubildenden lernten zunächst in der Plattform, wie die Bearbeitung funktioniert, welche Werkzeuge und Schneidköpfe benötigt werden und welche Schritte dabei wichtig sind. Erst nach diesem digitalen Training gingen sie an die Maschine. Der Lernerfolg war höher, da sie bestens vorbereitet waren.
Diese Beispiele zeigen, wie digitale Lernplattformen nicht nur die Qualität der Ausbildung steigern, sondern auch die Effizienz erhöhen und Kosten reduzieren können – ein klarer Vorteil für Unternehmen, die moderne Technologien in ihrer Ausbildung nutzen.
„Hidden Champions“ nicht vergessen
Sie haben erwähnt, dass Sie mit über 500 Unternehmen zusammenarbeiten, darunter auch große Konzerne wie Bosch und Vodafone. Was können mittelständische Unternehmen Ihrer Meinung nach von den Ausbildungsstrategien dieser großen Konzerne lernen?
Ich würde nicht pauschal sagen, dass große Unternehmen es unbedingt besser machen, was die Ausbildungsstrategie betrifft. Häufig profitieren sie einfach von ihrer Markenbekanntheit und dem großen Logo. Mittelständische Unternehmen, die oft als „Hidden Champions“ gelten, sind in ihrem Bereich möglicherweise führend, aber nicht immer so bekannt – gerade bei den Endnutzern.
Wir sehen jedoch, dass viele Mittelständler in der Ausbildung sehr innovative Ansätze verfolgen und in diesem Bereich viel richtig machen. Gerade für diese Unternehmen ist es wichtig, in ihrer Region bekannt zu sein und proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um für Auszubildende attraktiv zu werden.
Ein gutes Beispiel ist die Nutzung von modernen Tools. Unternehmen, die solche Tools einsetzen, zeigen ihren Azubis, dass sie in moderne Ausbildungsansätze investieren. Das kommt bei den jungen Leuten sehr gut an, weil sie merken, dass sich das Unternehmen um ihre Entwicklung kümmert und moderne, zeitgemäße Lernmethoden bietet. Im Vergleich dazu wirkt eine klassische Ausbildung, bei der Azubis dicke PDF-Dokumente auswendig lernen müssen, weniger ansprechend.
Der große Unterschied liegt also darin, dass Unternehmen, die in die Qualität ihrer Ausbildung und die moderne Aufstellung ihrer Lernprozesse investieren, für Nachwuchskräfte deutlich attraktiver werden. Das Gefühl, dass das Unternehmen in die eigene Entwicklung investiert, ist ein entscheidender Faktor, der die Attraktivität eines Unternehmens für Auszubildende steigert.
In die Ausbildung und die Markenbildung als attraktiver Arbeitgeber investieren
Könnte eine moderne Ausbildungsstrategie auch dazu beitragen, die Mitarbeiterbindung langfristig zu stärken und die Fluktuationsrate zu senken?
Absolut, das ist ein wichtiger Punkt. Wir sehen in vielen mittelständischen Unternehmen, dass sie es sehr gut verstehen, Loyalität bei ihren Nachwuchskräften aufzubauen. In einigen Regionen ist es sogar so, dass Schüler schon während ihrer Schulzeit genau wissen, bei welchem Unternehmen sie sich bewerben möchten – das Unternehmen ist quasi der Standard in der Region. Wenn ein Unternehmen es schafft, diese Art von Bekanntheit und Anziehungskraft zu entwickeln, hat es einen großen Schritt in Richtung Mitarbeiterbindung gemacht.
Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Simple Club: Einige Unternehmen haben begonnen, aktiv mit dem Slogan „Wir bilden mit Simple Club aus“ zu werben. Die Marke und das moderne Ausbildungsangebot sind so bekannt geworden, dass Azubis gezielt bei diesen Unternehmen anfragen. Das ist ein klarer Vorteil: Unternehmen merken, dass sie mit solchen Maßnahmen nicht nur ihre Attraktivität steigern, sondern auch die Anzahl der Bewerbungen erhöhen können. Sogar auf Messen stellen sie Banner auf, die auf die moderne Ausbildung mit Simple Club hinweisen, und stellen fest, dass mehr Interessierte zu ihrem Stand kommen.
Diese Investition in die Ausbildung und die Markenbildung als attraktiver Arbeitgeber zahlt sich langfristig aus und trägt entscheidend dazu bei, die Fluktuation zu senken und die Mitarbeiterbindung zu stärken.
Junge Talente haben die Entscheidungsfreiheit, wo sie sich bewerben
Das heißt, Sie setzen stark auf persönliche Entwicklung und Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden. Glauben Sie, dass diese Förderung ein wesentlicher Faktor ist, um die Mitarbeitenden langfristig an das Unternehmen zu binden?
Genau, das ist der entscheidende Punkt. Die Diskussion um Generation Z und die neuen Anforderungen junger Menschen zeigt, dass Nachwuchskräfte durchaus bereit sind zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Aber sie müssen auch das Gefühl haben, dass das Unternehmen in ihre Entwicklung investiert.
Wenn du als Nachwuchskraft die Wahl hast zwischen einem Unternehmen, das modern aufgestellt ist, in seine Ausbildung und Weiterbildung investiert und das zukunftssicher gestaltet, und einem anderen Unternehmen, das noch immer wie vor 100 Jahren arbeitet, wirst du mit Sicherheit das modernere Unternehmen wählen.
In einer Zeit, in der Fachkräftemangel herrscht, haben junge Talente die Entscheidungsfreiheit, wo sie sich bewerben. Unternehmen müssen daher deutlich zeigen, dass sie in die Zukunft ihrer Mitarbeitenden investieren – nicht nur in die Ausbildung, sondern auch in langfristige Entwicklungsperspektiven. Das ist der Schlüssel, um diese Talente langfristig an das Unternehmen zu binden.
Auf Kernkompetenzen setzen
Welche Fähigkeiten und Qualifikationen halten Sie für besonders wichtig, um zukünftige Fachkräfte auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten?
Es wird oft betont, wie wichtig Soft Skills und persönliche Weiterentwicklung sind, aber was häufig vergessen wird, sind die grundlegenden Fähigkeiten, die für den Erfolg im jeweiligen Beruf unerlässlich sind. Besonders in gewerblich-technischen Berufen, mit denen wir viel zu tun haben, sehen wir immer wieder, dass diese Basics entscheidend sind. Ohne die nötigen fachlichen Grundlagen wird es schwierig, im Beruf wirklich erfolgreich zu sein. Daher sollten Unternehmen und Ausbildungsprogramme nicht nur auf die Weiterentwicklung von Soft Skills setzen, sondern auch sicherstellen, dass die Mitarbeiter die essenziellen Kernkompetenzen beherrschen.
Im gewerblich-technischen Bereich, insbesondere in Bereichen wie Mechatronik oder Ingenieurwesen, sehen wir oft, dass es zwei Gruppen von Personen gibt: Die eine Gruppe kommt von der Universität, bringt eine hohe Bildung und ein fundiertes Wissen mit. Die andere Gruppe hat eine Ausbildung oder einen anderen Einstieg in den Beruf gewählt, aber weist häufig größere Bildungslücken auf. Diese Lücken beginnen oft schon in der Schule, insbesondere in grundlegenden Bereichen wie Mathematik oder Wirtschaft, die für den Einstieg in den Beruf entscheidend sind.
Es überrascht uns immer wieder, wie viele dieser einfachen Grundlagen fehlen, was den Einstieg in den Beruf erschwert. Genau hier setzen wir an: Wenn diese Basics vorhanden sind, wird das Lernen im Beruf viel leichter. Denn mit einem soliden Fundament an Wissen können sich die Fachkräfte viele Dinge selbst erschließen. Genau an dieser Stelle bieten wir Unterstützung, um sicherzustellen, dass die Auszubildenden die nötigen Grundkenntnisse haben, die sie für ihre berufliche Weiterentwicklung benötigen.
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