Wie 3D-Druck junge Talente begeistert
In Deutschland gibt es Fachkräftemangel, insbesondere im Ingenieurbereich. Viele entscheiden sich nicht für ein Ingenieurstudium, und einige brechen es ab, weil es ihnen zu theoretisch erscheint und praktische Anwendungen fehlen.

Technik zum Anfassen: Wie 3D-Druck die Ingenieurausbildung praxisnah und zukunftsorientiert macht.
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„Learning by Doing“ kann das Technikstudium spannender machen. So kann z B. der Einsatz von 3D-Druckern dabei helfen, theoretisches Wissen direkt praktisch anzuwenden und Studierende besser auf den Beruf vorzubereiten. Und genau darüber sprechen wir heute mit Dominik Müller, Teamleiter Vertrieb D-A-CH bei Stratasys.
Herr Müller, welche Rolle spielt die additive Fertigung aktuell in der technischen Ausbildung?
Die additive Fertigung nimmt in der technischen Ausbildung eine zunehmende komplementäre Rolle gegenüber den bekannten konventionellen Methoden wie z.B. Fräsen oder Drehen ein. Schon in der Schule erlernen Heranwachsende mit der Hilfe von einfach zu bedienender Design/CAD-Software wie Tinkercad schnell die kreativen Techniken, um eigene Objekte zu generieren. Wenn diese dann noch im Unterricht eigenhändig 3D-Drucker bedienen können und die Grundkenntnisse der additiven Fertigung hiermit spielerisch erlernen, ist der Lerneffekt am größten. Die Kompetenz, einen kreativen Problemlösungsansatz zu entwickeln, wird so deutlich gesteigert. Damit wird auch das praktische Verständnis von Designprozessen und der Produktion verbessert.
Übergreifendes Schulungsangebot für 3D-Druck entwickelt
Wie hilft Stratasys Bildungseinrichtungen bei der Integration von 3D-Druck in ihre Lehrpläne?
Bereits 2018 haben wir im deutschsprachigen Raum zunächst mit einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, der MedienLB und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) begonnen. Die Europazentrale von Stratasys ist in Rheinmünster bei Baden-Baden – da war es naheliegend, hier auf lokaler Ebene eine Zusammenarbeit zu starten. Ebenso wurde ein übergreifendes Schulungsangebot für 3D-Druck entwickelt, welches sich an Ausbilder, Lehrer aber auch Berufstätige richtete. In Zusammenarbeit mit der MedienLB entstanden beispielsweise auch Schulungsvideos, um schnell den Umgang mit einsteigerfreundlicher CAD-Software zu erlernen.
Stratasys unterstützt darüber hinaus Bildungseinrichtungen durch Bereitstellung von einsteigerfreundlichen 3D-Druckern, Softwarelösungen und Schulungsmaterialien. Insgesamt haben wir eine vierstellige Anzahl von 3D-Druckern deutschlandweit in Bildungseinrichtungen im aktiven Einsatz – von Sekundarstufen bis hin zu Universitäten. Wir bieten ebenso Programme und Partnerschaften an, um Studierenden und Lehrkräften den Zugang zu modernen Drucktechnologien zu ermöglichen. Ferner hat Stratasys die DIHK bei der Entwicklung von Lehrplänen für Ausbildungsbetriebe unterstützt, etwa für die Weiterbildung zur Industriefachkraft für Additive Fertigung (IHK). Um ein weiteres Ergebnis dieser Zusammenarbeit aufzuführen: Die IHK Würzburg-Schweinfurt ist heute einer der Vorreiter im Bereich additiver Fertigung und bietet etwa den Praxisstudiengang Geprüfte/r Industrietechniker/in – Additive Fertigung an. Teilnehmer lernen hier, Lösungen für komplexe Fertigungsaufgaben zu entwickeln, die erweiterte technische und praktische Fertigkeiten in Produktion und Automatisierung verlangen.

Foto: Stratasys
Welche Vorteile hat additive Fertigung im Vergleich zu traditionellen Fertigungsmethoden in der Lehre?
Die additive Fertigung ermöglicht eine hohe Flexibilität und schnellere Iterationen. Gleichzeitig fallen im Vergleich zu traditionellen Fertigungsmethoden geringere Produktionskosten an, da keine speziellen Werkzeuge oder Formen erforderlich sind. Ein weiterer Vorteil ist die Förderung des kreativen Denkens durch die additive Fertigung: Mit 3D-Druck können eben auch komplexe Geometrien und Designideen realisiert werden, die mit traditionellen Methoden – wenn überhaupt – nur schwer umzusetzen sind. Von dieser Förderung der Kreativität profitiert letztendlich auch die Lehre.
Lehrprojekte, Ausbildungsveranstaltungen und Hochschulprojekte zum Thema additiver Fertigung
Können Sie ein Beispiel für ein erfolgreiches Bildungsprojekt nennen?
Im Bereich der MINT-Ausbildung unterstützt Stratasys unterschiedliche Lehrprojekte, Ausbildungsveranstaltungen und auch Hochschulprojekte mit Schulungen zum Thema additiver Fertigung. Darüber hinaus stellen wir wie schon erwähnt kostenlose 3D-Drucker für Bildungsprojekte zur Verfügung. Stratasys unterstützt in Deutschland auch die sogenannten MakerSpaces. Dies sind offene Lernräume, die einen einfachen Zugang zu Werkzeugen, Technologien, Materialien und Know-how bieten. Lernende finden hier einen Raum für ihre Aktivitäten. Anfangs waren MakerSpaces vor allem an Universitäten zu finden, mittlerweile sind sie auch an Schulen auch in der Form von 3D-Druck AGs sehr präsent. Hier können Schüler ihre technischen Erfahrungen mit Schneideplottern, Drehmaschinen oder eben auch unseren 3D-Druckern machen. Das aktuellste Beispiel ist eine Kooperation von Stratasys mit einer technischen Schule in Österreich, wo nun ein Labor für additive Fertigung mit 3D-Druckern von Stratasys eingerichtet wird. Ferner unterstützen wir die Schule mit Lehr- und Schulungsmaterialien für Schüler der 4. und 5. Klassen. Darüber hinaus finden sich auf der Stratasys Academy beispielsweise Trainings und Lehrmaterialien, die sich an alle richten, die sich für die additive Fertigung interessieren.
Motivation – auch für Lehrende
Welche Herausforderungen sehen Sie beim Einsatz von 3D-Druck in Schulen und Universitäten?
Eine der größten Herausforderungen beim Einsatz in Schulen ist natürlich zunächst die Kostenfrage, da 3D-Drucker und Materialien oft teuer sind. Das gilt insbesondere für Bildungseinrichtungen, die oft nur über ein begrenztes Budget verfügen. Die nächste Herausforderung: Wenn 3D-Drucker und Materialien einmal vorhanden sind, benötigen die Lehrkräfte und Ausbilder fortlaufende Schulungen und Unterstützung, um den vollen Nutzen der Technologie in ihre Lehrpläne integrieren zu können. Es ist wichtig, dass Lehrende in der Lage sind, mit dem technologischen Fortschritt mitzuhalten und sich selbst auch weiterbilden wollen. Damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt: der Motivation. Wer Schüler oder Studenten unterrichtet, muss sich selbst motiviert mit der Thematik und der Maschine beschäftigen. Ein 3D-Drucker ist da nicht anders als eine herkömmliche Werkzeugmaschine, wo die Ausbilder bei der Wissensvermittlung zunächst erstmal selbst über Fachwissen und Praxiserfahrung verfügen müssen. Hier gilt auch: Wer nicht selbst begeistert ist, kann nur schwer andere begeistern.
Ein großer Vorteil ist aber, dass das Thema 3D-Druck sehr von den Schülern selbst getrieben wird – die Begeisterung ist oft schon da und sollte weiter gefördert werden. Viele haben selbst einen 3D-Drucker daheim und setzen ihn privat ein. Im Gegensatz zu noch vor 5 Jahren sind kleinere Einsteigermodelle unterschiedlicher Hersteller kostengünstig erhältlich und sehr einfach zu bedienen.
Begeisterung für Ingenieurwesen entwickeln
Wie können junge Menschen für das Ingenieurwesen begeistert werden?
Junge Menschen können vor allem durch praxisorientierte, interaktive Projekte, die moderne Technologien wie 3D-Druck nutzen, für das Ingenieurwesen begeistert werden. Auch praxisbezogene Exkursionen zu Unternehmen, die in der Entwicklung oder Fertigung 3D-Drucker einsetzen, sind wichtig. Hinzu kommen Wettbewerbe und Workshops, die den kreativen und praktischen Nutzen des Ingenieurwesens zeigen und dabei helfen, Interesse zu wecken. Das frühzeitige Engagement in realen Anwendungen und die Möglichkeit, eigene Ideen umzusetzen, spielen eine wichtige Rolle. Für mich ist es ein ganz entscheidender Punkt, dass heute schon mit relativ einfachen Mitteln tolle kreative Ideen umgesetzt werden können.
Aus einer Designidee kann mit Hilfe der additiven Fertigung schnell ein komplexes Produkt entstehen. Hier muss man sich über die technologische Entwicklung im Laufe der Zeit und die Werkstoffe im Klaren sein. Arbeitete man früher beispielsweise mit Holz, so benötigte man auf jeden Fall gute handwerkliche Fähigkeiten, grundlegendes Werkzeug und Begeisterung – damit kam man schon sehr weit. Bei der Arbeit mit Kunststoffen reicht das allein nicht aus – hier sind oft komplexe Maschinen und Arbeitsabläufe nötig, wie etwa beim Spritzgussverfahren. 3D-Druck ist hier viel einfacher zugänglich: mit einfachen Apps wie eben Tinkercad kann ein Design erstellt und dann mit der additiver Fertigung in die Realität umgesetzt werden. Begeisterung braucht Erfolgserlebnisse, um Bestand zu haben. Produktentstehungsprozesse – von der Idee zum Objekt – zu verstehen und auch durchführen zu können, ebnet auch den Weg zu einem technischen Beruf oder dem Ingenieurwesen.
Welche Trends in der additiven Fertigung werden die Ausbildung in Zukunft prägen?
Zukünftig werden Trends wie etwa der verstärkte Einsatz von Multi-Materialdruck im Vergleich zum Single-Materialdruck, die Integration von KI in den Designprozess und die Entwicklung von noch nachhaltigeren Materialien die Ausbildung im Bereich additive Fertigung prägen. Um ein paar Beispiele zu geben: Über KI-Tools wie Meshy.ai können Designs in Textform beschrieben werden. Die KI entwickelt dazu Vorschläge, die dann gedruckt werden können. Hier schließt sich auch das Thema Topologie-Optimierung an. Von einem Design lassen sich so lastfallbezogene Varianten eines Produkts erstellen. So kann beispielsweise die Konstruktion eines Fahrradrahmens hinsichtlich der Topologie automatisiert weiter optimiert werden.
Wie unterscheidet sich der Einsatz von 3D-Druck in der Bildung zwischen verschiedenen Regionen?
Der Einsatz von 3D-Druck in der Bildung variiert stark je nach Region. In Industrieländern wie den USA und Deutschland ist der Zugang zu fortschrittlicher 3D-Drucktechnologie häufiger und wurde in der Vergangenheit stärker in Lehrpläne integriert. In Entwicklungsländern sind Ressourcen oft begrenzt, aber auch dort gibt es zunehmende Initiativen, die Technologie für die Ausbildung von Ingenieuren und Designern zugänglich zu machen.
Additive Fertigung als Zukunftstreiber für Schlüsselbranchen
Welche Branchen profitieren am meisten von Studierenden, die additive Fertigung beherrschen?
Branchen wie die Automobil- und Transportindustrie, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik und Konsumgüterindustrie profitieren enorm von Studierenden, die mit 3D-Druck-Technologien vertraut sind. In der Transportindustrie ist es vor allem der wachsende Caravan- und Bus-Bereich, der stark auf die additive Fertigung setzt. Leichtbauteile und Topologie-Optimierung sind ein wichtiges Thema für die Luft- und Raumfahrt. Nicht zu unterschätzen ist der Maschinenbau und im süddeutschen Raum gerade auch der Sondermaschinenbau. Denn durch kostengünstige und schnell verfügbare Komponenten im Inneren der Maschinen können wettbewerbsfähige Produkte entstehen. Diese Branchen benötigen Fachkräfte, die innovative Lösungen entwickeln können, um Produkte schnell zu prototypisieren, anzupassen und zu personalisieren.
Was planen Sie, um den Bildungssektor in den kommenden Jahren weiter zu unterstützen?
Als Hersteller planen wir, den Bildungssektor weiterhin durch Partnerschaften, Schulungsprogramme und den Ausbau von Ressourcen zu unterstützen. Lehrer/Ausbilder der jüngeren Generation nehmen sich den Möglichkeiten des 3D-Drucks immer mehr an, was sehr positiv ist. Wir werden daher auch in Deutschland die Verbandsarbeit fortsetzen und helfen, Lehrpläne fortlaufend anzupassen. Auch die Weiterentwicklung von Lehrmaterialien und die Zusammenarbeit mit mehr Bildungseinrichtungen weltweit wird einer unserer Schwerpunkte sein. Weitere Beispiele sind unsere Präsenz auf Bildungsmessen und die Nachwuchsarbeit, wie etwa die Unterstützung der Rennteams der Formula Student Germany. Hier helfen wir beim Design und Ausdruck der CAD-Modelle von Cockpit-Teilen, Tragflügeln, Turboladern oder Batteriegehäusen. Im Bereich Maschinenbau und Fahrzeugtechnik sind unsere Ingenieure auch bei digitalen Vorlesungen an Universitäten und dualen Hochschulen tätig. In diesem Rahmen sind auch Exkursionen zu unserer Europazentrale in Rheinmünster möglich.
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