Antworten auf die wichtigsten Gehaltsfragen von Ingenieuren
Seit Jahren hält Norbert Lohan Vorträge über die Einstiegsgehälter von Ingenieuren und erhält entsprechend viele Fragen von Ihnen, den Ingenieurinnen und Ingenieuren, die vor den ersten Bewerbungen, der ersten Einstellung oder der ersten Gehaltserhöhung stehen. Die wichtigsten Fragen und deren Antwort haben wir in einem Gespräch zusammengefasst.
Haben Absolventen eine realistische Einschätzung von ihrem Einstiegsgehalt, Herr Lohan?
Norbert Lohan: Zum größeren Teil ja, zum kleineren Teil nein. Die meisten Absolventen haben sich mit dieser Frage schon auseinandergesetzt und wissen ungefähr, was sie zu erwarten haben. Unsicherheiten gibt es vor allem, wenn es um die z.T. großen Unterschiede in den einzelnen Branchen geht. Hier entsteht oft die Frage, warum sie in der einen Branche die Summe X und in der anderen die Summe Y als Einstiegsgehalt erhalten sollen, obwohl sie doch mit derselben Qualifikation daher kommen. Hier geht es dann immer um die Erläuterungen der vielfältigen Abhängigkeiten der für ein Gehalt maßgeblichen Einflussfaktoren wie z.B. Unternehmensgröße und Region des Arbeitsplatzes. Und hier fehlt vielen Absolventen dann doch der generelle Überblick.
Aber das ist auch verständlich, denn sie wollen ja gerade erst ins Berufsleben einsteigen. Und dafür sind wir dann da, um diesen Überblick mit unseren jährlichen Gehaltsauswertungen zur Verfügung zu stellen. Ein kleinerer Teil der Absolventen wartet allerdings auch mit recht unrealistischen Einschätzungen zum Einstiegsgehalt auf. Hier werden z.T. völlig überzogen Vorstellungen formuliert. Ich frage dann oft, wo diese Zahlen herkommen und erhalte meistens als Antwort: „Internet“. Auf meine Rückfrage, ob dem Kandidaten / der Kandidatin jeweils klar ist, dass er / sie dieses Geld erst einmal für das Unternehmen erwirtschaften muss, damit es gerechtfertigt ist, kommt dann aber meistens keine Antwort mehr.
Wie groß ist der Verhandlungsspielraum eines Absolventen bei einer Gehaltsverhandlung?
Das ist in der Tat eine der am häufigsten gestellten Fragen. Offensichtlich kursieren im Internet eine Menge Beratungswerke zum Thema Gehaltsverhandlungen, in denen ziemlich platte Allgemeinplätze veröffentlicht sind, z.B. „Du musst ein Pokerface aufsetzen, dann kannst Du mehr Geld rausholen“. Diesen Zahn muss ich dann vielen Absolventen erst einmal ziehen. Denn, so leid es mir tut, aber in den allermeisten Fällen gibt es für Absolventen überhaupt keinen Verhandlungsspielraum im Gehaltsgespräch. Das hat zwei Gründe:
Erstens lassen sich die Personen, die in den Vorstellungsgesprächen die Frage stellen: „Wie viel möchten Sie denn bei uns verdienen?“, weder durch ein Pokerface noch durch eine besonders hohe Zahl an Auslandsaufenthalten beeindrucken. Das Gehalt, das man Ihnen anbietet, steht in aller Regel vorher schon fest. Mit der Frage möchte man einfach nur herausfinden, ob Sie sich gut informiert haben und ob Sie Ihre Position realistisch einschätzen.
Zweitens ist die Höhe der Gehälter oft tarifvertraglich festgelegt. Das gilt vor allem für größere Unternehmen. Die Einsteigerpositionen sind fest in eine bestimmte Tarifstufe eingruppiert, da gibt es nichts zu verhandeln. Das klingt zunächst wie ein Nachteil, hat aber den unbestreitbaren Vorteil, dass man, so lange man sich in diesem Tarifgerüst befindet, nicht um eine Gehaltserhöhung kämpfen muss. Das übernehmen in aller Regel die Tarifpartner, denn die sorgen mit steter Regelmäßigkeit für Gehaltszuwächse bei den angeschlossenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Macht sich eine Promotion schon beim Berufseinstieg bemerkbar?
Hier muss man zwischen drei unterschiedlichen Formen von Promotion unterscheiden. Da sind zum einen die, die vor allem angefertigt werden, weil es so wenig Jobs in einem Bereich gibt, dass man mit einem normalen Studienabschluss schon fast gar nicht mehr antreten möchte. Man bekommt das Gefühl, dass beinahe ALLE promoviert sind, die von den Hochschulen kommen und sich um die Jobs reißen. Das gilt zum Beispiel für den Studiengang Dipl.-Chemie. Es gibt so viele promovierte Dipl.-Chemiker, dass der eigentliche Wert einer Promotion heruntergestuft wird auf Examensniveau. Sie bringen einem gehaltlich gar nichts. Der Personaler stuft in diesem Fall den promovierten Bewerber genauso ein wie den examinierten, nämlich als Einsteiger, der erst einmal angelernt werden muss. Allenfalls das höhere Eintrittsalter wirkt sich ein wenig aus.
Die zweite Art von Promotion ist diejenige, die im Zusammenhang mit einem Projekt in einem Unternehmen unmittelbar nach dem Abschluss des Studiums begonnen wird. Diese wirkt sich beim Einstieg – in dieses Unternehmen – sehr wohl mit einem Plus von 2.000 bis 3.000 Euro auf das Jahresgehalt aus, denn das Unternehmen möchte ja genau diesen Kandidat haben.
Die dritte Form der Promotion hat eigentlich weniger mit dem echten Berufseinstieg zu tun, wird aber hier auch häufig als ein solcher betrachtet. Gemeint ist der Einstieg in eine Führungsposition. Wenn also ein Kandidat vom Unternehmen unterstützt wird, berufsbegleitend eine Promotion zu absolvieren, um im Anschluss eine Führungsposition beispielsweise in der Forschungsabteilung des Unternehmens zu übernehmen, wird dieser Zugewinn an Qualifikation selbstverständlich mit einem ordentlichen Gehaltssprung verbunden sein.
Insgesamt hat die Promotion ihren besonderen Wert vor allem auf lange Sicht innerhalb einer Karriere. Denn Ingenieure mit abgeschlossener Promotion sind sehr häufig diejenigen, die eine der sehr gut bezahlten Führungsposition anstreben und solche auch oft bekommen.
Welchen geldwerten Vorteil bringt Auslandserfahrung mit sich?
Mit der Auslandserfahrung verhält es sich ähnlich wie mit der Promotion. Sie alleine bringt keinen geldwerten Vorteil. Es ist aber vor allem die erhöhte interkulturelle Kompetenz, die jemanden dazu befähigt, große, möglicherweise globale Zusammenhänge zu erkennen und damit große Projekte mit internationalen Teams zu führen. Und das bringt auf lange Sicht deutlich mehr Geld im Portemonnaie als die zu starre Fixierung auf ein Spezialthema. Und wer schon bei den ersten Bewerbungsgesprächen belegen kann, dass er bereit ist, sich diese interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte anzueignen, dem stehen in seiner Karriere einfach mehr Türen offen. Auch das hinterlässt einen deutlichen Impact in der Geldbörse.
Aber damit da auch etwas draus wird, gilt es, die richtige Reihenfolge einzuhalten. Mir wurde schon mehrfach folgende Frage gestellt: „Ich möchte gerne als erstes für ein deutsches Unternehmen im Ausland arbeiten. Verdiene ich dann da als Ingenieur genauso viel, wie hier in Deutschland?“ Meine Antwort hierauf: 2 x nein. Erstens werden Sie nicht als erstes im Ausland arbeiten, und zweitens verdienen Sie im Ausland mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger, als hier in Deutschland, es sei denn Sie sind Spitzenkraft. Aber eins nach dem anderen, nicht die Kuh von hinten aufzäumen. Wenn Sie für ein deutsches Unternehmen im Ausland arbeiten möchten, müssen Sie sich zunächst einmal in einer Position in Deutschland bewähren und sich für einen Auslandseinsatz „aufdrängen“, das passiert nicht von alleine. Und wenn Sie tatsächlich dann im Ausland arbeiten, werden Sie zweitens nach dem dort üblichen Gehaltsgefüge bezahlt, und die Gehälter für Ingenieure in Einsteigerpositionen sind nirgendwo so hoch wie in Deutschland.
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