Einstiegsgehalt 27.08.2018, 12:00 Uhr

Einstiegsgehälter für Ingenieure: So mancher möchte gerne “pokern“.

Das Studium ist fast geschafft, nur noch die Abschlussarbeit, und dann geht es ab ins Berufsleben. Der erste Job nach dem Studium, wie wird der wohl werden? Wie das wohl geht dieses Berufsleben?

Keine Ahnung, aber eines ist mal klar: Damit ich von vorn herein die richtigen Startbedingungen habe, werde ich mal schön viel Geld rausholen. Ich werde richtig gut „pokern“, damit das Einstiegsgehalt auch bloß nicht zu niedrig ist. Aber wie macht man das – um ein möglichst hohes Gehalt „pokern“?

So oder ähnlich sind die Vorstellungen zum Start ins Berufsleben so manches Absolventen, leider auch in den Ingenieurwissenschaften. Wo kommt das her? Keine Ahnung, sage ich jetzt mal, es würde sicher an dieser Stelle zu weit führen, dies zu ergründen, aber Gott sei Dank sind die meisten Einsteiger nicht auf dieser Schiene unterwegs. Der überwiegende Teil der ingenieurwissenschaftlichen Absolventen hat doch eine recht realistische Einschätzung in Bezug auf die zu erwartenden Einstiegsgehälter.

Und dabei geht es ja nicht nur um das Thema „Gehalt“, wenn ich den ersten Job nach dem Studium bekleide. Es gibt ja weitere wichtige Themen, die es zu beachten gilt. Den meisten Besucherinnen und Besuchern des VDI nachrichten Recruiting Tages geht es um drei Themenkreise: überzogene Vorstellungen, realistische Vorstellungen, keine Vorstellung. Also worauf kommt es an beim Start ins Berufsleben? Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen, dieser Übergang vom Studium in den Beruf ist einer der heftigsten Einschnitte, die ein Mensch überhaupt jemals mitmacht. Es gibt zahlreiche sehr große Veränderungen, und hier stellt sich zunächst einmal die Frage, ob ich überhaupt mit diesen Umwälzungen zurechtkomme, ob ich diese Änderungen überhaupt meistere.

Umwälzungen zum Berufseinstieg

Was sind das für Umwälzungen? Nun, das selbstbestimmte „Lotterleben“ im Hörsaal oder auf dem Campus ist zunächst einmal vorbei. Von nun an muss ich jeden Morgen möglichst zur gleichen Zeit aufstehen und zur Arbeit gehen. Und dies tue ich vielleicht in einer neuen Stadt, in der ich keine Bekannten oder Freunde habe. Ich bin also erst einmal alleine, muss erst einmal meine Wege finden und muss von nun an mit Leuten zusammenarbeiten, die mir völlig fremd sind.

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Die Tätigkeit, der ich nachgehe, mache ich nicht, weil ich sie mir selbst ausgesucht habe, sondern weil sie mir aufgetragen wurde und mein Arbeitgeber diese Tätigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach auch irgendwo abrechnet. Damit steigen aber die Anforderungen an das, was ich da abliefere. Ab jetzt ist es weniger wichtig, dass das alles 100%-ig wissenschaftlich korrekt recherchiert ist, sondern es muss „sich rechnen“ – und zwar für meinen Arbeitgeber. Und ich habe auch nicht mehr endlos Zeit für meine Arbeit, sondern es rechnet sich nur dann, wenn ich in adäquater Zeit liefere, was man von mir verlangt. Es versteht sich fast von selbst, dass ich das wahrscheinlich nicht vom ersten Tag an alles richtig mache, also rechnet es sich erst einmal nicht – und zwar wieder für meinen Arbeitgeber.

Die eigene Tätigkeit richtig einschätzen

Daher ist es wichtig, dass ich den Wert meiner Tätigkeit richtig einschätze. Und hier fehlt manchen Absolventen einfach ein bisschen Demut vor der Tragweite der beschriebenen Situation. Sie haben ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und fragen sich vor allem: Wie hole ich mehr raus? Doch den Übergang ins Berufsleben schaffe ich sicher reibungsloser, wenn ich antrete und anfangs nach dem Prinzip verfahre: „Klappe halten und in möglichst kurzer Zeit möglichst viel lernen.“ Und es meint „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Das oft bemühte Zitat mag altbacken oder besonders konservativ anmuten, doch wie man es auch ausdrückt, beide Formulierungen bringen es auf den Punkt.

Insofern endet die folgende Frage von einem Recruiting Tag eigentlich mit dem falschen Begriff: „Mit welchen Argumenten vertrete ich meine Gehaltsforderung?“ Ich bin der Meinung, es sollte anfangs keine „Forderung“ sein. Wenn ich in  meinen ersten Job einsteige, habe ich noch keinerlei Berufserfahrung und muss viel lernen, daher halte ich mich mit „Forderungen“ erst einmal zurück.

Das Vorstellungsgespräch als Nagelprobe

Wenn zum Ende eines Vorstellungsgesprächs die Frage gestellt wird: „Wie viel möchten Sie denn bei uns verdienen?“, dient dies eigentlich nur dem Zweck abzuprüfen, ob Sie gut vorbereitet sind, eine realistische Einschätzung Ihrer zukünftigen Arbeit und der dazugehörigen Bezahlung vornehmen und diese auch sachlich und mit Argumenten gut vertreten können. Insofern geht auch die folgende Frage aus dem Gehaltschat von falschen Voraussetzungen aus: „Mit welchen Argumenten überzeuge ich den Personaler, mehr Geld zu zahlen?“ Ein Verhandeln oder gar „pokern“ ist in den allermeisten Situationen für den Einsteiger nicht möglich, denn das Gehalt für eine Position steht vorher fest, sei es aus tariflichen Gründen oder weil man sich intern auf eine bestimmte Summe festgelegt hat, die man Ihnen anbieten wird. Sie können den Personaler nur davon überzeugen, dass Sie die richtige Person für die vakante Stelle sind. Legen Sie sich hier ruhig kräftig ins Zeug und erläutern Ihrem Gesprächspartner, welchen Vorteil das Unternehmen davon hätte, sie einzustellen. Sie werden aber den Personaler nicht überzeugen, mehr Geld zu zahlen als er ohnehin für die Stelle eingeplant hat.

Keine Gehaltsspanne im Bewerbungsgespräch angeben

Eine häufige gestellte Frage ist, ob man bei Vorstellungsgesprächen oder in Bewerbungsanschreiben auch eine Gehaltsspanne angeben soll. Da frage ich dann zurück: „Was erwarten Sie denn, wenn Sie eine Spanne angeben, dass das Unternehmen sich freiwillig an Ihrer Obergrenze orientiert?“ Nein, das wird nicht passieren, denn mit einer Gehaltsspanne haben Sie signalisiert, dass Sie auch mit der Untergrenze zufrieden wären. Also bekommen Sie die Untergrenze, da können Sie fast sicher sein. Es sei denn, Sie werden nach Tarif bezahlt, dann liegt Ihr Gehalt mittendrin in Ihrer genannten Gehaltsspanne … oder drüber … oder drunter, aber es liegt vorher fest. Nach meiner Einschätzung hat es keinen Sinn, eine Gehaltsspanne anzugeben. Im Gegenteil, ich halte es für nachteilhaft. Es zeigt, dass Sie in der Gehaltsfrage unsicher sind, mit der Untergrenze zufrieden wären, aber doch gerne ein bisschen mehr rausholen würden. Da macht es doch einen wesentlich souveräneren Eindruck, wenn Sie sich gut informieren und sich dann auf eine Zahl festlegen. Informieren können Sie sich zum Beispiel hier auf ingenieur.de in unserem Gehaltsbereich.

Beeinflusst Fachkräftemangel das Einstiegsgehalt?

Ein weiterer interessanter Aspekt kam durch eine andere Frage ans Tageslicht: „Kann ich durch den Fachkräftemangel in meinem Bereich meine Gehaltsforderung höher ansetzen?“ Nein, das sollte ich als Einsteiger nicht versuchen. Grundsätzlich gilt zwar immer noch das alte Gesetz, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, aber es sind nach wie vor die Unternehmen, die auf dem Geld sitzen und sie lassen sich nicht in eine Bittsteller-Rolle drängen. Es zählt immer nur die konkret nachgewiesene Berufserfahrung, die Ihren Wert und damit das Gehalt nach oben treiben kann und nicht ein vermeintlicher Fachkräftemangel. Da lassen die Unternehmen die Positionen eher für längere Zeit unbesetzt, als dass sie sich mehr Geld aus der Tasche locken lassen. Es handelt sich hier ohnehin um ein heißes Eisen. Wenn Sie irgendwo etwas über Fachkräftemangel in Ihrem Bereich gelesen haben, heißt das noch nicht, dass die Firma, bei der Sie gerade ein interessantes Gespräch führen, diesen Mangel ebenfalls tatsächlich spürt. Also Vorsicht!

Längere Suchzeiten für Absolventen

Während des Gehaltsgesprächs auf den Karrieremessen der VDI nachrichten legten auch mehrere Teilnehmer offen, dass sie durchaus nach ihrem Studiumsabschluss schon längere Zeit suchten. Es ist also wohl mitnichten zutreffend, dass Ingenieure und Ingenieurinnen in Deutschland durchweg schlaraffenlandähnliche Zustände vorfinden, wenn sie die Hochschulen examiniert verlassen. Der eine oder andere muss wohl am Arbeitsmarkt kräftig „strampeln“ und eine Vielzahl von Bewerbungen absetzen, um unterzukommen. Und hier ist von Suchzeiten von bis zu 2 Jahren nach dem Abschluss die Rede.

Konsequenterweise ergab sich hieraus die Frage, ob man vielleicht wider besseren Wissens mit seinen Gehaltsvorstellungen runter gehen und sich somit deutlich unter Wert verkaufen sollte. Und in der Tat wird ab und zu bei unseren Gehaltsvorträgen auf den VDI nachrichten Recruiting Tagen aus dem Plenum berichtet, dass manche Unternehmen die oben beschriebene Notsituation der Absolventen ausnutzen und die Gehälter derart drücken, dass es schon z.T. unwürdig wird. Und das sieht dann in Maß und Zahl so aus: Als ich die Zuhörer und Zuhörerinnen eines Recruiting Tages in Hamburg fragte, ob die 48.000 Euro Bruttojahresgesamtgehalt dem entsprechen, was sie am Markt in den Vorstellungsgesprächen angeboten bekommen, sagte eine Teilnehmerin, Branche, Unternehmensgröße, Region stimmten perfekt überein, man hat ihr aber nur 28.000 Euro geboten. Es mag vereinzelt Situationen geben, in denen auch bei solchen Zahlen ein Zuschlag hilfreich sein kann, aber ansonsten empfehle ich hier ganz klar, dieses Angebot abzulehnen und so lange weiter suchen, bis ich etwa in den Bereich gelange, der durch die Gehaltsstudie von ingenieur.de für den genannten Studienabschluss und die entsprechende Position vielfach belegt ist.

Anders sieht es leider aus, wenn man als etwas älterer Ingenieur mit viel Berufserfahrung in die Situation gelangt, sich am Arbeitsmarkt neu orientieren zu müssen. Hier kann es sehr hilfreich sein, seine Gehaltsvorstellungen etwas abzusenken, um wieder in den Arbeitsprozess zu kommen. Aber als junger Mensch ist man noch nicht so festgelegt und hat mitunter mehr Möglichkeiten, die Situation „auszusitzen“. Und Aussitzen meint hier nicht Herumsitzen und warten, bis der gut bezahlte Job vom Himmel fällt, sondern weitersuchen und sich im günstigsten Fall dem gut bezahlten Job entgegenbewegen, sprich Mobilität an den Tag legen, dann klappt es auch mit dem richtigen Einstiegsgehalt.

 

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Ein Beitrag von:

  • Dr. Norbert Lohan

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