Wie gehen betroffene Ingenieure mit Gehaltswünschen um
Ein Ingenieur, der sich aus einem laufenden Arbeitsverhältnis bewirbt, kann sich in Gehaltsstudien über gezahlte Gehälter informieren und so eine realistische Vorstellung vom potenziellen Gehalt entwickeln. Doch wie ist der aktuelle Marktwert eines arbeitslosen Ingenieurs?
- Wann gilt man als langzeitarbeitslos?
- Bewerben aus der Arbeitslosigkeit
- Gehaltsvorstellung vorher gut recherchieren
- Taktische Tipps für die Frage nach dem Gehaltswunsch
Wann gilt man als langzeitarbeitslos?
Für viele Ingenieure und Informatiker ist die Vorstellung bei der aktuellen Arbeitsmarktsituation in ihrer Branche eher seltsam. Mit 2,5 % haben die Ingenieurwissenschaften eine extrem niedrige Arbeitslosenquote. Doch selbst die erfahrensten und besten Ingenieure kann die Arbeitslosigkeit treffen. Eine kurze Arbeitslosigkeit wird sich kaum auf die Karrierechancen der Betroffenen auswirken. Schwieriger wird es, wenn ein Ingenieur oder Informatiker langzeitarbeitslos ist. Doch ab wann gilt man eigentlich als langzeitarbeitslos?
Laut § 18 des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) lautet die Definition dafür wie folgt:
„Langzeitarbeitslos sind Personen, die ein Jahr und länger arbeitslos sind. Die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 45 sowie Zeiten einer Erkrankung oder sonstiger Nicht-Erwerbstätigkeit bis zu sechs Wochen unterbrechen die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht.“
Das bedeutet: Wer länger als ein Jahr keine feste Anstellung hatte oder selbstständig tätig war, gilt als langzeitarbeitslos. Betroffen davon können nicht nur ältere Ingenieure sein, die aufgrund ihres Alters keine neue Stelle finden, sondern auch junge Hochschulabsolventen, die sich heutzutage einer deutlich kritischeren Auswahl durch die Personalabteilungen stellen müssen, als es früher der Fall war.
Das Problem: Gerade für Ingenieure und Informatiker gilt die Langzeitarbeitslosigkeit als großer Makel. Wer in Zeiten, in denen Fachkräfte händeringend gesucht werden, keine Stelle findet, mit dem kann wohl etwas nicht stimmen – so das gängige Vorurteil. Auf die Hintergründe (ehemalige Firma insolvent, Abteilung aufgelöst) und auf mögliche persönliche Veränderungen schaut kaum ein Personaler. Je länger ein Ingenieur arbeitslos ist, desto mehr muss er sich anstrengen, um eine neue Stelle zu bekommen. Er muss flexibel und mobil sein und doch sinkt mit jeder Woche, die er länger arbeitslos bleibt, sein Marktwert. Das stellt den Ingenieur oder Informatiker vor die schwierige Frage: Was kann ich in meiner aktuellen Position überhaupt noch an Gehalt verlangen? Und wie gehe ich damit bei der Bewerbung um?
Bewerben aus der Arbeitslosigkeit
Für arbeitslos gewordene Ingenieure sollte die Jobsuche oberste Priorität haben. Denn, wie erwähnt, Zeit kostet in diesem Fall bares Geld, weil der Marktwert sinkt. Ein Problem ist auch, die Arbeitslosigkeit in der Bewerbung darzustellen. Je länger der Zeitraum im Lebenslauf wird, desto schlechter sind die Chancen auf eine neue Stelle. Es kann daher sinnvoll sein, die Zeit für eine Weiterbildung zu nutzen und sich nebenher weiter konsequent zu bewerben. Die Weiterbildung macht sich aber im Lebenslauf auf jeden Fall besser als eine längerfristige Arbeitslosigkeit. Auch ein Ehrenamt kann den Lebenslauf aufhübschen – es zeigt, dass man Verantwortungsgefühl besitzt und gern mit Menschen arbeitet.
Spätestens im Bewerbungsgespräch kommt die Arbeitslosigkeit als Thema aber auf den Tisch. Natürlich fragen die Unternehmen, wie der Bewerber diese Zeit gefüllt hat. Gerade langzeitarbeitslose Ingenieure und Informatiker müssen ihre Motivation und Leistungsbereitschaft in der Bewerbung deutlich machen. Selbstmitleid hilft nicht weiter. Wer im Gegenteil sehr deutlich machen kann, dass er mit seiner Arbeitslosigkeit selbstbewusst umgeht und erklären kann, wie er die Zeit vernünftig genutzt hat, verbessert seine Chancen auf die Stelle.
Außerdem gilt für arbeitslose Ingenieure das gleiche wie für diejenigen, die sich aus einer festen Stelle heraus bewerben: Das Gießkannenprinzip ist tabu. Auch wenn händeringend eine neue Stelle sucht, sollte sich nicht wahllos auf alles bewerben, was angeboten wird. Stattdessen die Stellenanzeige genau lesen, sich über das Unternehmen informieren und das Anschreiben individuell gestalten. Wer all das beachtet, hat auch als Langzeitarbeitsloser nach Umfrage-Angaben zahlreicher Unternehmen Chancen auf einen neuen Job. Doch was bleibt, ist die Frage nach dem Gehalt.
Gehaltsvorstellung vorher gut recherchieren
Grundsätzlich müssen arbeitslose Ingenieure bei ihrem Gehaltswunsch nicht bescheidener sein als andere Kollegen. Bei Langzeitarbeitslosen sieht das allerdings etwas anders aus. Sie müssen ihre Gehaltsvorstellungen häufig deutlich nach unten korrigieren, um auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können. Ab einem Jahr Arbeitslosigkeit ist die Sache für Ingenieure und Informatiker heikel, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Man muss schon gut erklären können, was schiefgelaufen ist, um eine solch lange Zeitspanne begründen zu können.
Kompromisse beim Gehaltswunsch sind deshalb unabdingbar. Ingenieure sollten auf jeden Fall schon vor dem Bewerbungsgespräch gut recherchieren, wo sie ihre Gehaltsvorstellung ansiedeln können. Ingenieure mit einem Fachhochschulabschluss, die nach 12 Monaten Arbeitslosigkeit nach wie vor ein Jahresgehalt von 45.000 Euro fordern, dürften Schwierigkeiten bekommen. Stattdessen sollten Betroffene ihren Gehaltswunsch eher im unteren Drittel dessen ansetzen, was üblicherweise für die betreffende Stelle als Gehalt gezahlt würde.
Schwierig wird die Recherche dadurch, dass es sich bei vielen Gehaltsstudien eher um Umfragen handelt, bei denen die Befragten ohne Nachweis eine Summe nennen können. Und dann wird gern einmal geschummelt, denn kaum einer gibt freiwillig zu, wenig zu verdienen. Besser wären direkte Auswertungen von den Gehaltszahlungen der Unternehmen. Denn diese sind deutlich realistischer. Die auf Umfragen beruhenden Studien führen oft zu völlig überzogenen Gehaltswünschen und somit auch zu überhöhten Gehaltsvorstellungen von arbeitslosen Ingenieuren – denn selbst wenn diese sich am unteren Drittel orientieren, wird dem potenziellen Arbeitgeber die genannte Zahl meist zu hoch sein. Deshalb sollte bei der Recherche nach dem Gehaltswunsch gut auf die Quelle der Zahlen geachtet werden. Weitere wichtige Faktoren für eine realistische Einschätzung eines möglichen Gehaltes sind die Höhe des Abschlusses, die Berufserfahrung, Wohnort, Branche und Unternehmensgröße.
Als erste Quelle für die Recherche eignen sich sicherlich die Gehaltsseiten im Internet. Für einen sicheren durchschnittlichen Wert sollten jedoch noch weitere Quellen herangezogen werden. Dafür eignen sich branchenbezogene Internetseiten, Fachportale, aber auch Arbeitgeber- Bewertungsplattformen – dort schreibt der ein oder andere anonym, was er in seiner Position verdient. Nicht zu unterschätzen ist das persönliche Netzwerk (das man übrigens auch in der Arbeitslosigkeit weiterpflegen sollte). Die Nachfrage bei eigenen Kontakten kann eine wichtige Informationsquelle bei der Gehaltsrecherche sein.
Nicht ganz einig sind sich Experten darüber, ob gerade langzeitarbeitslose Ingenieure und Informatiker den Gehaltswunsch bereits im Bewerbungsschreiben formulieren sollten. Wird in der Stellenausschreibung explizit auch nach der Gehaltsvorstellung gefragt, stellt sich die Frage natürlich nicht. Dann muss man die Höhe des gewünschten Gehaltes angeben − andernfalls werden die Bewerbungsunterlagen als unvollständig angesehen, was immer als Minuspunkt gewertet wird. Übrigens: Gehaltsvorstellungen werden jährlich und in brutto angegeben.
Wird nicht explizit in der Ausschreibung nach dem Gehalt gefragt, kann sich die Nennung positiv wie negativ auswirken. Einerseits weiß das Unternehmen von vorneherein, woran es ist. Andererseits können zu hohe, aber auch zu niedrige (schlecht recherchiert, schätzt eigenen Marktwert zu gering) Gehaltswünsche dazu führen, dass der Bewerber noch vor dem persönlichen Gespräch aussortiert wird. Der Umgang mit der Gehaltsfrage in Bewerbungen ist immer dann einfach, wenn sich der Bewerber in einer bequemen Ausgangsposition befindet. Je weiter man davon entfernt ist, desto komplizierter kann dieses Thema werden.
Bleibt die Gehaltsfrage im Anschreiben unberührt, scheinen Unternehmer tendenziell eher davon auszugehen, dass die gegenseitigen Erwartungen übereinstimmen könnten. Und für den Bewerber ist es auf jeden Fall sinnvoll, die Stufe des Bewerbungsgesprächs überhaupt zu erreichen. Denn im persönlichen Kontakt lässt sich das unschöne Thema der Arbeitslosigkeit oft besser behandeln als in der schriftlichen Bewerbung. Zudem erfährt der Bewerber im Interview mehr über das Unternehmen und die Stelle. Um mit etwas Glück auch, warum gerade er eingeladen wurde. Manche Unternehmen suchen bewusst nach arbeitslosen Ingenieuren und Informatikern. Eine Rolle dabei spielt zum einen die schnelle Verfügbarkeit, aber eben auch mitunter das geringere Gehalt. Das wird natürlich nicht offen kommuniziert, durch geschicktes Fragen kann der Bewerber aber eventuell die Motivation des Unternehmens erkennen.
Taktische Tipps für die Frage nach dem Gehaltswunsch
Spätestens in diesem Gespräch wird auch die Frage nach der gewünschten Höhe des Gehalts kommen. Jetzt zeigt sich, ob der Ingenieur oder Informatiker seine Situation realistisch einschätzen kann. Denn man darf nicht vergessen: Das frühere Einkommen spiegelt nicht die aktuelle Situation wider. Die bemisst sich an den Zahlungen der Agentur für Arbeit. Und diese dürften deutlich geringer ausfallen als der Betrag, den Unternehmen ihren Angestellten bieten.
Taktisch klug kann es trotzdem sein, die Höhe dieser Zahlungen zu erwähnen und zu betonen, dass man sich mit der neuen Stelle auch finanziell verbessern möchte. Erst dann kann man seinen letzten Verdienst nennen und dann einen konkreten Vorschlag machen, der zwischen den beiden Zahlen liegt. Es ist schließlich nicht verwerflich, sich ein Gehalt zu wünschen, von dem man auskömmlich leben kann und mit dem man nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen ist.
Wer trotz bester Recherche unsicher ist, kann eine Gehaltsspanne nennen. Das ist auch dann sinnvoll, wenn der Bewerber nicht sicher sein kann, welche geldwerten Vorteile das Unternehmen noch anbietet. Doch auch dabei lauern Fallstricke. So wird ein konkreter Wert immer mit Selbstbewusstsein und Klarheit assoziiert. Eine Spanne hingegen zeigt immer auch Flexibilität und Verhandlungsbereitschaft. Es kann jedoch passieren, dass man vom künftigen Arbeitgeber auf den untersten Wert festgenagelt wird. Deshalb empfiehlt es sich, die Spanne nicht zu groß anzusetzen.
Es ist zudem immer gut, Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. Wer auf seiner Gehaltsvorstellung beharrt, wird sich auf eine längere Bewerbungs- und Suchphase einstellen müssen. Über ihre Forderungen nachdenken sollten insbesondere Ingenieure, die länger als 9 Monate arbeitslos sind. Jegliche Gesprächsstrategien nützen allerdings auch nur dann etwas, wenn man tatsächlich verhandlungsbereit ist.
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