Gehalt 2024: Was Frauen im Ingenieurberuf verdienen
Das Gehalt von Frauen im Ingenieurberuf kann sich sehen lassen. So hoch wie das ihrer männlichen Kollegen aber ist es meist nicht. Wie groß die Lohnlücke ist, hängt auch von der Fachrichtung ab. Ingenieur.de hat sich die verfügbaren Gehaltsdaten angesehen und nachgerechnet. Ergebnis: Der berüchtigte Gender Pay Gap steigt unter Ingenieuren wieder an.
Gehalt 2024: Was verdienen Ingenieurinnen?
Fach- und Projektingenieurinnen verdienen jährlich 51.009 Euro brutto im Median, die Männer kommen auf 54.748 Euro. Diese Zahlen hat der VDI im Rahmen seiner jüngsten Gehaltsstudie 2022 ermittelt. Im oberen Einkommensviertel, also bei den Topverdienern, kommen die Frauen auf 56.933 Euro brutto im Median, die Männer auf 62.004 Euro. Im unteren Quartil —hier finden sich die „Geringverdiener“ des Berufsstandes wieder — liegt das Gehalt der Frauen bei 45.220 Euro, das der Männer bei 48.960 Euro.
Für den Vergleich wurden Stichproben mit je 200 weiblichen und 200 männlichen Ingenieuren herangezogen – darunter ausschließlich Fach- und Projektingenieure mit einer Berufserfahrung von bis zu fünf Jahren und nicht mehr als fünf unterstellten Mitarbeitenden
Im Vorjahr stand das Mediangehalt weiblicher Fach- und Projektingenieure noch bei 48.993 Euro brutto jährlich, das der männlichen bei 52.500 Euro. Bei der vorherigen VDI-Gehaltsstudie im Jahr 2018 verdienten männliche Fach- und Projektingenieure im Median 50.400 Euro, die Ingenieurinnen in der gleichen Position 48.940 Euro.
Wie groß ist der Gender Pay Gap für Frauen in Ingenieurberufen?
Die Lohnlücke, auch als Gender Pay Gap bekannt, ist unter Ingenieuren dementsprechend wieder angestiegen — von 2,9 Prozent im Jahr 2018 auf 6,8 Prozent 2023. Bis zum Jahr 2013 hatten die Gehälter der Ingenieurinnen gegenüber denen ihrer männlichen Kollegen stetig aufgeholt. Von 2013 bis 2016 gab es einen leichten Rückschlag, den die Ingenieurinnen in darauffolgenden beiden Jahren wieder wettmachten.
Wie viele Frauen arbeiten als Ingenieurinnen?
Die Zahl der weiblichen Ingenieure steigt stetig. Gab es im Jahr 2005 erst 59.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen in Ingenieurberufen, übersprangen sie 2013 erstmals die Grenze von 100.000 Ingenieurinnen. Im Jahr 2019 war die Zahl bis auf 164.000 Frauen im Ingenieurberuf angestiegen. Damit wuchs ihre Zahl von 2005 bis 2019 um knapp 178 Prozent, die der Männer hingegen „nur“ um rund 80 Prozent (von 509.000 auf 915.000). Auf diese Zahlen kommen Auswertungen von VDI und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Neuere Zahlen liegen noch nicht vor.
Auch in den Universitäten studieren mehr Frauen Ingenieurwissenschaften. Im Jahr 2005 schlossen 11.000 ein ingenieurwissenschaftliches Erststudium ab, 2017 waren es schon 30.000. Seitdem stagniert die Zahl, 2021 beendeten 34.000 Ingenieurwissenschaftlerinnen erfolgreich ihr Erststudium.
Gehälter von Ingenieurinnen nach Fachrichtung und Geschlecht
Die Gehälter von Ingenieuren hängen maßgeblich von Variablen wie Qualifikation, Berufserfahrung, Branche und Standort des Arbeitgebers ab — das gilt für Männer wie für Frauen. Im Maschinenbau verdienen Frauen laut Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung durchschnittlich 24,68 Euro brutto pro Stunde, im Fahrzeugbau sogar 31,60 Euro — und damit mehr als eine weibliche Durchschnittsbeschäftigte in Deutschland (20,05 Euro), aber weniger als ihre männlichen Pendants. So kommen Männer im Maschinenbau auf 28,32 Euro brutto pro Stunde, im Fahrzeugbau auf 34,35 Euro.
Was verdienen Frauen in Architektur- und Ingenieurbüros?
In Architektur- und Ingenieurbüros verdienen Frauen laut WSI-Auswertung durchschnittlich 21,77 Euro brutto pro Stunde. Ihr Stundenlohn liegt damit nur knapp oberhalb des Durchschnittslohns aller beschäftigten Frauen (20,05 Euro) — und hinkt deutlich hinter jenem der Männer her, welche in Architektur- und Ingenieurbüros 29,46 Euro brutto pro Stunde bekommen. Der unbereinigte Gender Pay Gap (der frei von Einflüssen wie Erfahrung und Bildung ist) liegt hier bei satten 26 Prozent und klar über dem branchenübergreifenden Durchschnittswert von 18 Prozent.
Was verdienen Ingenieurinnen im Maschinenbau?
Weibliche Maschinenbauer kommen laut Entgeltaltas der Bundesagentur für Arbeit auf ein monatliches Medianeinkommen von 5.386 Euro brutto, männliche auf 6.472 Euro brutto. Die Bewertungsplattform Kununu zeigt für Maschinenbauingenieurinnen einen jährlichen Durchschnittslohn von 55.300 Euro brutto an, für männliche Maschinenbauer 60.300 Euro brutto.
Was verdienen Ingenieurinnen der Elektrotechnik?
Weibliche Elektroingenieure verdienen laut Entgeltaltas der Bundesagentur für Arbeit monatlich 5.618 Euro brutto im Median, männliche 6.552 Euro brutto. Die Bewertungsplattform Kununu gibt für Elektrotechnikingenieurinnen einen jährlichen Durchschnittslohn von 59.500 Euro brutto an, für männliche Elektroingenieure 63.400 Euro brutto.
Was verdienen Wirtschaftsingenieurinnen?
Weiblichen Wirtschaftsingenieuren fließen laut Entgeltaltas der Bundesagentur für Arbeit monatlich 5.769 Euro brutto im Median aufs Konto, männlichen 6.691 Euro brutto. Nach Angaben von Kununu erhalten Wirtschaftsingenieurinnen einen jährlichen Durchschnittslohn von 57.000 Euro brutto, männliche 64.800 Euro brutto.
Was verdienen Bauingenieurinnen?
Weibliche Bauingenieure erhalten laut Entgeltaltas der Bundesagentur für Arbeit monatlich 4.565 Euro brutto im Median, männliche 5.596 Euro brutto. Kununu gibt für Bauingenieurinnen einen durchschnittlichen Jahreslohn von 52.400 Euro brutto an, für männliche Bauingenieure 59.200 Euro brutto.
Wie groß ist der Gender Pay Gap?
Laut Statistischem Bundesamt lag der unbereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2023 bei 18 Prozent. Frauen verdienen demnach 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Der bereinigte Pay Gap, der die erklärbaren Faktoren für die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigt, beträgt sechs Prozent.
Die Lohnlücke schließt sich, wenn auch nur langsam, weil die Bruttostundenverdienste der Frauen in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als jene der Männer. So lag der unbereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2014 noch bei 22 Prozent, 2018 dann bei 20 Prozent, um hernach auf das heutige Niveau von 18 Prozent zu fallen.
Auch zwischen weiblichen und männlichen Ingenieuren besteht weiterhin eine beträchtliche Lohnlücke. Die jüngste Gehaltsstudie des VDI und unsere obigen Gehaltsbeispiele belegen das. Dabei ist die Lohnlücke je nach Fachrichtung unterschiedlich groß, klafft insbesondere im Fall von Bauingenieuren erheblich auseinander.
Wie wird der Gender Pay Gap berechnet?
Der Gender Pay Gap kann auf zwei verschiedene Arten berechnet werden. Dabei entsteht
- einmal eine deutlich größere Lücke (unbereinigte Version)
- einmal eine kleinere Lücke (bereinigte Version)
Das Statistische Bundesamt berechnet jährlich die unbereinigte Version. Die bereinigte Version ist deutlich aufwendiger in der Erstellung und wird daher nur alle vier Jahre erhoben. Dafür berücksichtigt sie auch Faktoren wie Ausbildung, Beruf, Qualifikation und Berufserfahrung und ist deshalb genauer. Wie die Berechnungen im Detail aussehen, verrät der Artikel Was heißt Equal Pay?
Das Problem der unbereinigten Version: Sie vergleicht Führungskräfte und Arbeiter und somit eine sehr breite Spanne an Gehältern. Deshalb ist sie umstritten und nicht so trennscharf wie die bereinigte Version, die aufgrund ihrer differenzierten Berechnung aussagekräftigere Zahlen anbietet.
Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen: Warum gibt es sie überhaupt?
Zu zwei Dritteln lassen sich die geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede laut Statistischem Bundesamt empirisch erklären. Zum Einen sind sie darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen und Berufen arbeiten, in denen das Lohnniveau vergleichsweise niedrig ist. Zum Zweiten sind Frauen häufiger in Teilzeit beschäftigt — und Teilzeitarbeit ist in der Regel mit geringeren Stundenlöhnen verbunden.
Allerdings zieht die Begründung, dass Frauen überwiegend in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, innerhalb des Ingenieurberufs nicht. Denn egal ob Ingenieurinnen oder Ingenieure – beide leisten vergleichbare Arbeit in ihren jeweiligen Positionen. Eine plausible Erklärung ist, dass männliche Ingenieure häufiger in Personal- und Budgetverantwortung stehen, höhere Positionen bekleiden und daher mehr verdienen. Was aber wiederum die Frage aufwirft, warum sie es sind, die meist befördert werden. Eine mögliche Antwort: Frauen unterbrechen ihre Karriere oft für Familie und Kindererziehung — und erleiden dadurch Nachteile im Job. Erneute Gegenfrage: Warum sind sie es, die die familiär bedingten Pausen einlegen? So lässt sich das Spielchen immer weiter fortführen.
Über das letzte Drittel der Lohnlücke, das ungeklärte, kann ebenfalls ausgiebig diskutiert werden. So wird mitunter die Betriebsgröße als Grund für unterschiedlich hohe Gehälter genannt. Man könnte nun also vermuten, dass Frauen überdurchschnittlich häufig in kleineren Betrieben beschäftigt sind. Statistische Belege dafür gibt es jedoch nicht.
In einigen Fällen lässt sich die geringere Bezahlung möglicherweise auch mit dem Naturell oder der Erziehung begründen. Studien deuten darauf hin, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen defensiver auftreten als Männer, oft zu defensiv. Die gute Nachricht: Verhandlungsführung kann man lernen.
Wie kann man Gehaltsfairness erreichen?
Erste Ansätze für mehr Gleichbehandlung bei der Bezahlung von Männern und Frauen gibt es seit Juli 2017, als das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft trat. (Zum Für und Wider erfahren Sie mehr in unserem Artikel Her mit der Gehaltstransparenz!.) Das Gesetz soll dabei helfen, gleiche Gehälter für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen.
Erste Umfragen in Betrieben mit Betriebsrat – ein vorhandener Betriebsrat war Voraussetzung für die Umfrageteilnahme – zeigen jedoch, dass dieses Gesetz kaum greift. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung von 2023 ergab, dass der Anteil der Betriebe, in denen mindestens eine Auskunftsanfrage gestellt wurde, mit gut einem Viertel bei mitbestimmten Betrieben der Privatwirtschaft und etwa zehn Prozent im Öffentlichen Dienst auch Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes niedrig ist.
Eine wirksamere Maßnahme könnte maximale Gehaltstransparenz sein. Dass diese tatsächlich für mehr Gleichbehandlung sorgt, zeigt eine Studie von US-Forschern der Cornell Universität, die den Effekt der Lohntransparenz in dänischen Firmen untersuchten. Dort besteht seit 2006 eine Verpflichtung zur Offenlegung der Gehälter. Das Ergebnis der Untersuchung zeigte, dass die Frauen zwar nicht mehr Lohn erhielten, sondern die Gehälter der Männer nach der Offenlegung geringer anstiegen, was zu einer Angleichung führte.
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