Gehaltsschere: Wo steht der Ingenieurberuf?
Die Ingenieurgehälter steigen seit etwa fünf Jahren stetig, das Einkommen der meisten Ingenieure bewegt sich vom Berufseinstieg bis zur Rente auf hohem Niveau. Auch insgesamt können die Beschäftigten in Deutschland mit höheren Arbeitseinkommen rechnen. Doch gleichzeitig geht die Gehaltsschere zwischen gut verdienenden und schlecht verdienenden Arbeitnehmern immer weiter auf.
In einer aktuellen Studie prognostiziert die Bertelsmann Stiftung mittels einer Simulationsberechnung künftiger Arbeitseinkommen, dass sich das durchschnittliche verfügbare Jahreseinkommen der Deutschen in den Jahren von 2012 bis 2020 (inflationsbereinigt) um 2.200 EURO erhöht. Dabei könnten aber die unteren 20 Prozent nur mit einem Zuwachs von etwa 750 EURO rechnen, während das Einkommen der Arbeitnehmer im oberen Fünftel sich um 5.300 Euro erhöhen wird.
Die Vorstände der DAX-30-Unternehmen verdienten übrigens im vergangenen Jahr im Schnitt 3,4 Millionen Euro und damit das 54-fache des Durchschnittsgehalts eines Angestellten der DAX-Unternehmen, wobei sich der Trend fortsetzte, leistungsabhängige Vergütungen durch Fixgehälter zu ersetzen. Immerhin stiegen im Vergleich zum Vorjahr die Bruttolöhne der Angestellten mit 3,8 Prozent stärker als die Vorstandsgehälter mit 1,5 Prozent, ergab die jährliche Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und der Technischen Universität München (TUM) zu den Gehältern der DAX-Vorstände.
Das Studium macht den Unterschied
In jüngster Zeit wird in den Medien wieder über das Pro und Contra einer akademischen Ausbildung debattiert – beispielsweise durch Gastkommentare von Julian Nida-Rümelin, der vorschlägt, Ausbildungsberufe im Verhältnis zum Studium stark aufzuwerten. Doch ein Bewusstseinswandel scheint nur schwer möglich zu sein. Zu tief ist in den Köpfen verankert, dass ein akademischer Abschluss allein die Garantie bietet, Aufstiegschancen zu bekommen und erfolgreich mit hohem Einkommen durchs Berufsleben gehen zu können.
Die Einkommensentwicklung in Deutschland bestätigt diese Einschätzung. Im Bildungsbericht 2014 der OECD heißt es lakonisch: „Wer studiert hat, kriegt mehr Geld“. Und das gelte in besonderem Maße für Deutschland. Akademiker verdienen laut OECD-Bericht 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die nicht zur Uni oder Fachhochschule gegangen sind oder einen Meisterkurs besucht haben. Im Jahr 2000 betrug der Unterschied nur 45 Prozent. Besonders brisant ist in Deutschland nach Einschätzung der OECD die Entwicklung bei den ganz niedrigen Einkommen. In den anderen Industrienationen beträgt der Lohnvorteil von Akademikern durchschnittlich 59 Prozent.
Einstiegsgehälter
Die Einstiegsgehälter der Ingenieure in Deutschland stiegen zwar mit 0,9 Prozent nicht ganz so an wie die Gehälter der Berufserfahrenen, aber die jährliche Gehaltsstudie der VDI nachrichten ergab für 2014 durchschnittliche Einstiegsgehälter von 45.000 EURO, wobei Chemie- und Pharmaingenieure mit 52.600 EURO besonders viel und Bauingenieure mit 40.000 EURO eher wenig Geld zum Einstieg verdienen. Im Vergleich mit anderen Akademikern bekommen Ingenieure aber auf jeden Fall auch zum Berufseinstieg bereits gute bis sehr gute Gehälter.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung hatte rund 4.300 Hochschulabsolventen mit bis zu drei Jahren Berufserfahrung zwischen 2009 und 2012 befragt und ermittelt,dass Elektroingenieure mit 4.540 Euro durchschnittlichem Monatsgehalt als Berufsgruppe an der Spitze lagen, danach folgen Wirtschaftsingenieure mit rund 4.290 EURO; Diplomkaufleute bekamen im Schnitt 3.750 EURO, Juristen 3.730 EURO, Soziologen 3.010 EURO, Sozialpädagogen aber nur noch 2.760 EURO und sogar noch weniger die Architekten mit rund 2.460 EURO.
Nach Branchen differenziert waren im Untersuchungszeitraum die Einstiegsgehälter für Akademiker im Bankensektor mit rund 4.400 EURO am höchsten, danach folgte der Fahrzeugbau mit rund 4.380 EURO und die chemische Industrie mit rund 4.350 EURO. Mittlere Einkommen bezogen IT-Fachkräfte mit rund 3.525 EURO, unternehmensbezogene Dienstleistungen wurden mit rund 3.300 EURO vergütet und die öffentlichen Verwaltungen zahlten immerhin 3.300 EURO. In der Bauwirtschaft mit rund 2.990 EURO, in der Druckindustrie und den Verlagen mit rund 2.970 EURO und im Bereich Kultur/Sport und Unterhaltung mit nur 2.650 EURO erhielten junge Akademiker die kleinsten Gehälter.
Hochschulabsolventen mit bis zu einem Jahr Berufserfahrung verdienten im Schnitt in Westdeutschland 3.537 EURO und in den neuen Bundesländern nur 2.862 EURO. Die Einkommen der Ingenieure sind laut Gehaltsstudie der VDI nachrichten in West- und Süddeutschland deutlich höher als im Osten und im Norden. Währen in Düsseldorf und Köln berufserfahrenen Ingenieuren 2014 durchschnittlich 65.000 EURO im Jahr gezahlt wurde, bekamen Ingenieure in Dresden nur 44.100 EURO.
Durchschnittseinkommen
Der durchschnittliche Brutto-Jahresarbeitslohn betrug 2014 in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 31.981 EURO. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg von 3,8 Prozent, die Tariflöhne stiegen um 2,7 Prozent. Im Vergleich dazu erhöhte sich nach der Gehaltsstudie der VDI nachrichten 2014 das durchschnittliche Jahreseinkommen der Ingenieure um 3,00 Prozent auf 61.600 EURO. Besonders die Ingenieure in der Chemie- und Pharmaindustrie erhielten hohe Jahresgehälter. Ingenieure mit zwei Jahren Berufserfahrung verdienten in dieser Branche im Schnitt 76.500 EURO, davon waren 6.600 EURO variable Zulagen. 62.800 EURO verdienten 2014 die Ingenieure im Maschinen- und Anlagenbau, in der Elektro- und Elektronikindustrie wurden 62.000 EURO gezahlt und das durchschnittliche Jahreseinkommen der Bauingenieure lag 2014 bei 49.800 EURO.
Gender Pay Gap
Das WSI hat auch auf den Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern geschaut. Auf Basis einer 40-Stunden-Woche wurden die Einkommen von 14.601 Ingenieurinnen und Ingenieuren in verschiedenen Branchen ausgewertet. Danach verdienen Ingenieurinnen im Schnitt 16 Prozent weniger als die männlichen Kollegen. Insgesamt verdienen Frauen in Deutschland brutto rund 21 Prozent weniger als die Männer. Das Statistische Bundesamt gab anlässlich des Equal Pay Day 2015 im März an, dass Frauen bei einem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,83 EURO insgesamt 22 Prozent weniger verdienen als die Männer.
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