Gehalt richtig verhandeln 01.03.2022, 12:50 Uhr

Gehaltsverhandlung: Diese 3 magischen Zahlen müssen Sie kennen

Verhandlungsexpertin Ljubow Chaikevitch erklärt im Interview, wie man sich bei Gehaltsgesprächen nicht unterbuttern lässt: Eine einfache Faustregel kann Wunder wirken.

Foto: Bloß nicht zu tief stapeln beim Gehaltsgespräch! Panthermedia.net/numberone9018 (YAYMicro)

Foto: Bloß nicht zu tief stapeln beim Gehaltsgespräch! Panthermedia.net/numberone9018 (YAYMicro)

Viele Menschen treten zu bescheiden in Gehaltsverhandlungen auf. Gerade Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger stapeln oft tief. Verhandlungsexpertin Ljubow Chaikevitch weiß das aus eigener Erfahrung als Personalerin: „Eine Bewerberin zum Beispiel war superqualifiziert und hat dann fast nur die Hälfte des Gehalts genannt, das für die Stelle angesetzt war.“ Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist Gründerin der Plattform Frauverhandelt.de und hat sich auf die Beratung von Berufseinsteigerinnen spezialisiert.

Ihr Tipp: Den eigenen Marktwert richtig einschätzen und selbstbewusst damit umgehen. Die Expertin erklärt in unserem Karriere-Podcast „Prototyp“, wie man auch online erfolgreiche Gehaltsgespräche führt und mit welchen Argumenten man die Chefin oder den Chef überzeugt, wenn man sich eine Gehaltserhöhung wünscht. Spoiler: Eben dieses Wort „Gehaltserhöhung“ sollte man direkt aus seinem Vokabular streichen.

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ingenieur.de: Sind Sie selbst immer fair bezahlt worden? Haben Sie gut verhandelt oder hatten Sie auch mal das Gefühl, zu wenig Geld zu bekommen?

Ljubow Chaikevitch ist Gründerin der Plattform Frauverhandelt.de und berät unter anderem Berufseinsteigerinnen. Foto: Nina Wellstein

Ljubow Chaikevitch ist Gründerin der Plattform Frauverhandelt.de und berät unter anderem Berufseinsteigerinnen.

Foto: Nina Wellstein

Ljubow Chaikevitch: Ich habe meine Arbeit bei meiner ersten Stelle nach dem Studium tatsächlich unter Wert verkauft, weil ich einfach nicht gewusst habe, was für einen Marktwert ich als Berufseinsteigerin damals hatte. Gerade zum Berufseinstieg hatte ich so geringe Lebenshaltungskosten. Mein WG-Zimmer in Berlin hat so etwa 250 Euro gekostet, dann brauchte ich noch ein bisschen was für Lebensmittel, ein paar Versicherungen – das war es. Ich habe damals meine Gehaltsvorstellung an dem, was ich zum Leben brauchte, ausgerichtet, statt den Marktwert für mich zu ermitteln. Vor diesem Fehler möchte ich heute warnen.

Gehalt: An diesen 5 Zeichen erkennen Sie, dass Sie unterbezahlt sind

Wie ermittelt man den Marktwert denn?

Es gibt da drei Tipps: Der erste ist, online möglichst bei verschiedenen Plattformen, wie zum Beispiel Glassdoor, zu recherchieren. Dort kann man auch regionale Unterschiede mitberechnen lassen und auch nach Gehältern in konkreten Unternehmen suchen. Zweitens gibt es bei tarifgebundenen Unternehmen die Möglichkeit, die aktuellen Tarifverträge zu recherchieren und zu prüfen, wo man dort selbst eingestuft werden würde. Dabei können auch relevante Praktika oder Tätigkeiten als Werkstudentin oder -student einbezogen werden. Der dritte und für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger besonders wichtige Tipp ist, sich Gehaltsvorbilder zu suchen. Also Menschen, die sich in der Branche auskennen, die schon einen Schritt weiter sind. Die sollte man aktiv fragen: Was glaubst du, welches Gehalt ich mit meiner Qualifikation bekommen müsste? Was wäre bei diesem oder jenem Unternehmen möglich? Aus diesen drei Recherchequellen bildet man dann den Marktwert der eigenen Tätigkeit.

Ljubow Chaikevitch hat sich auf die Beratung von Berufseinsteigerinnen spezialisiert. Auf der Plattform Frauverhandelt.de können Sie jetzt ein kostenfreies Probetraining ausprobieren.

Welche konkrete Zahl kann man denn da nennen? Muss ich mir vorher so eine Mindestgrenze setzen?

Ganz genau. Ich habe einen ganz einfachen Plan zur Vorbereitung auf eine Gehaltsverhandlung entwickelt. Anhand dessen, was man recherchiert hat, sollte man sich als erstes eine Juhu-Zahl überlegen, also ein realistisches Gehalt, das das Optimum wäre. Dann braucht man eine Mindestzahl, unter der man die Tätigkeit einfach nicht machen möchte. Der Bereich dazwischen ist dann akzeptabel und man kann über weitere Punkte, wie z.B. Fortbildungen, mehr Urlaubstage und andere Benefits sprechen.

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Es ist ganz wichtig, die Mindestzahl wirklich im Vorfeld zu kennen. Es gibt leider da draußen Unternehmen, die gerade Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern extrem schlechte Gehälter zahlen, von denen man eigentlich nicht wirklich über die Runden kommt. Und ich habe es auch oft erlebt, dass wirklich sehr gute Bewerberinnen von vornherein eine zu niedrige Zahl in den Raum werfen. Ein Beispiel: Eine Bewerberin war superqualifiziert, hatte die passende Praxiserfahrung und hat dann fast nur die Hälfte des Gehalts genannt, das für die Stelle angesetzt war. Da möchte ich die Leute am liebsten mal schütteln und fragen: „Wie kommst du denn auf so eine geringe Zahl? Nimm dir die Zeit, dich ordentlich vorzubereiten!“

Wie ist das denn aus Unternehmenssicht? Lacht man sich ins Fäustchen, weil die Kandidatin oder der Kandidat nur so wenig will? Oder wird der Gehaltswunsch auch nach oben angepasst?

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Unternehmen reagieren meiner Erfahrung nach unterschiedlich. Ich habe erlebt, dass es von Unternehmensseite aus das Signal gab: „Bei uns ist das völlig aus dem Gehaltsgefüge.“ Das zu niedrige Gehalt der Bewerberin wurde dann nach oben hin angepasst, so wie es die Firma angemessen fand. Dann hat sich die Bewerberin natürlich gefreut. Leider ist das nicht in jedem Unternehmen der Fall. Mit einer zu niedrigen Gehaltsforderung kann man sich auch schaden, weil die Unternehmen meistens einen Spielraum haben, was das Gehalt für eine bestimmte Stelle angeht. Wenn wir selbst sehr weit unten ansetzen, ist es viel schwieriger, das Gehalt später noch hoch zu verhandeln. Ich habe gerade auch in meinen Kursen Teilnehmerinnen, die irgendwann feststellen, dass sie 30 % oder 50 % unter Marktwert verdienen und diese Beträge erfolgreich verhandeln. Das ist allerdings mit viel mehr Aufwand verbunden als direkt zu Beginn schon die richtige Zahl zu nennen.

Aber kann man auch überreizen. Wie kommt das an, wenn man eine viel zu hohe Zahl nennt?

Ja, man kann definitiv überreizen. Deswegen ist eine saubere Recherche im Vorfeld wichtig. Wenn eine Berufseinsteigerin oder ein Berufseinsteiger im Ingenieursbereich zum Beispiel mit einer Gehaltsvorstellung von 250.000 Euro ins Gespräch geht, wird die Person von Personaler*innen nicht ernst genommen, bei der Durchsicht der Bewerbungen aussortiert und nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Was mich wundert und ärgert: Zur Abiturprüfung oder für Klausuren im Studium bereiten sich die meisten ganz lange und ausführlich vor. Aber bei den ersten Verhandlungsgesprächen gehen viele einfach rein und denken: „Ach, ich gucke mir mal an, was passiert.“ Das ist sehr schade, weil gerade die ersten Gehälter so eine große Auswirkung auf das eigene Leben, die finanzielle Unabhängigkeit, die Rente und künftige Verdienstmöglichkeiten haben.

Wenn man merkt, dass es mit dem Traumgehalt nicht klappt, sollte man es aber auch nicht an 100 Euro Differenz scheitern lassen, oder?

Man sollte immer erst einmal versuchen, die Juhu-Zahl zu kriegen. Vielleicht sagen dann die Personaler*innen: „Puh, das ist aber ganz schön viel“. Da fängt dann das Gespräch erst wirklich an. Dann schaut man beispielsweise, welche Benefits noch drin sein könnten: Mehr Urlaubstage oder Home Office zum Beispiel. Gerade zum Berufseinstieg sind auch Weiterbildungen ein spannendes Thema, weil sie für die eigene Zukunft und den Einsatz im Unternehmen wichtig sein können. Aber man sollte die eine Schmerzgrenze kennen, da sollte man dann auch hart sein und sagen: „Wenn das nicht möglich ist, dann muss ich leider auf einen anderen Arbeitgeber ausweichen.“

Wir leben in einer eher unsicheren Zeit. Viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger denken jetzt vielleicht, dass sie froh sein könnten, wenn sie überhaupt einen Job bekommen und stapeln dann doch lieber tief. Was würden Sie da raten?

Ich glaube, es ist wichtig zu prüfen, wie es dem Unternehmen geht, bei dem ich mich gerade bewerbe. Es gibt Unternehmen, die wegen der Pandemie Probleme haben. Aber es gibt auch Firmen, für die die Krise eine Chance war. Zum Beispiel in der Digitalisierungs- oder Pharmaindustrie. Viele meiner Kundinnen haben im letzten Jahr exzellente Ergebnisse bei Gehaltsverhandlungen erzielt.

Was bleibt netto vom Bruttogehalt? Finden Sie es mit unserem Gehaltsrechner heraus

Man muss sich immer vor Augen führen, dass ein Unternehmen, das eine neue Mitarbeiterin oder einen neuen Mitarbeiter sucht, auch das entsprechende Budget hat. Das bedeutet für mich als Bewerberin, dass die Tätigkeit dort auch angemessen honoriert werden kann. Sonst würde die Firma nicht suchen.

Und wenn man schon länger im Unternehmen arbeitet und gern mehr Geld hätte? Wie begegnet man dem Corona-Argument, dass manche Arbeitgeber jetzt vielleicht anbringen?

Wenn man sich jetzt beispielsweise gerade in Kurzarbeit befindet, sollte man aus meiner Sicht nicht klassisch über Gehalt verhandeln. Aber man kann über andere Benefits sprechen, etwa Weiterbildungen im Rahmen der Arbeitszeit, weniger Stunden bei gleichem Gehalt oder mehr Urlaubstage. Nur weil jetzt gerade Pandemie ist, heißt es ja nicht, dass sich der Marktwert der eigenen Leistung verändert hat. Ich erlebe es häufig, dass gerade jetzt in Pandemie-Zeiten Menschen besonders intensiv arbeiten, um bestimmte Prozesse am Laufen zu halten. Das sollte entsprechend honoriert werden.

Aktuell finden solche Gespräche oft digital statt. Ist das ein Nachteil?

Nein, ich finde nicht. Man sollte im Gespräch einfach für eine gewisse Ruhe sorgen und potenzielle Störfaktoren ausschließen. Das Gespräch per Video kann sogar Vorteile bringen, denn damit haben Sie die Möglichkeit, mit einer kleinen Präsentation Ihre Leistungen der letzten Zeit visuell zu belegen. Im persönlichen Gespräch wäre das umständlicher. Ganz wichtig ist, dass niemand das eigene Gehaltsgespräch aufschieben sollte bis es wieder persönlich im Büro möglich ist.

Was Informatiker wirklich verdienen

Welche Argumente helfen denn besonders gut, wenn man eine Gehaltserhöhung möchte?

Zunächst einmal empfehle ich von einer Gehaltsanpassung und nicht Gehaltserhöhung zu sprechen. Damit implizieren Sie, dass das Gehalt an Ihre aktuelle Leistung angepasst werden muss und Sie nicht einfach nur so mehr Geld möchten. Dann sollten Sie sich die Fragen stellen: Wie schaffe ich Mehrwert für das Unternehmen? Habe ich zu einem höheren Umsatz beigetragen? Habe ich durch meine Arbeit Kosten gesenkt oder Prozesse optimiert? Es können aber auch Aspekte sein wie: Habe ich das Team besonders gut motiviert? Habe ich Konflikte aus dem Weg geräumt? Es ist Ihre Aufgabe darzulegen, wie Sie für einen Mehrwert in der Firma gesorgt haben.

Welche Argumente sind denn eher ungeeignet?

Private Gründe kann ich nicht empfehlen. Also sowas wie: „Ich baue ja jetzt gerade ein Haus und brauche mehr Geld.“ Vom Kolleginnen und Kollegen-Vergleich würde ich ebenfalls abraten: „Ich habe mitbekommen, dass die Kollegin oder der Kollege 10.000 Euro mehr verdient.“ Das wird Sie eher nicht weiterbringen. Auch von Drohungen, das Unternehmen zu verlassen, wenn es nicht mehr Geld gibt, würde ich dringend abraten. Das endet eher in einem Zerwürfnis.

Und wenn ich ein Angebot von einem anderen Unternehmen habe?

Das kann ein gutes Argument für eine Gehaltsanpassung sein, wenn man geschickt formuliert und eigentlich im Unternehmen bleiben möchte. Ich würde in so einem Fall meinen Arbeitgeber ansprechen und sagen: „Mir gefällt es hier total gut, die Arbeit macht mir total viel Spaß, aber ich habe jetzt ein Angebot von einem anderen Arbeitgeber bekommen. Dabei wird mir ein höheres Gehalt vorgeschlagen. Können Sie mir durch eine Gehaltsanpassung helfen, hier zu bleiben, statt zu wechseln? Das würde ich viel lieber tun.“ Dann hat der Arbeitgeber die Chance, mitzuhalten und zum Beispiel eine Gehaltsanpassung vorzuschlagen.

Was wäre denn so ein Einstiegssatz, wenn ich zur Chefin oder zum Chef gehe, um über mein Gehalt zu verhandeln?

Zu allererst empfehle ich, dieses Gespräch nicht zwischen Tür und Angel zu machen, sondern klar zu terminieren. Ich würde eine E-Mail schicken und mitteilen, dass ich gerne über meine berufliche Entwicklung und mein Gehalt sprechen möchte, drei Terminvorschläge beifügen und fragen, an welchem konkreten Termin es passt. Ins Gespräch selbst sollten Sie positiv einsteigen. Zum Beispiel mit einem Satz wie diesem: „Im letzten Jahr haben wir so viele tolle Projekte gemeinsam umgesetzt und bestimmte Ziele erreicht.“ Nach dem Inhaltlichen können Sie zum Thema Gehalt übergehen und klar machen, dass für Ihre gute Leistung eine Gehaltsanpassung nötig ist.

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

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