Ingenieure in aller Welt: Verwöhnt, gefragt, vertrieben
In Deutschland gehören Ingenieure zu den begehrtesten Akademikern. Die Arbeitslosigkeit ist gering, die Einkommen stattlich, das Sozialprestige hoch. Doch nicht überall zählen sie zu den Hätschelkindern der Wirtschaft – eine kleine Weltreise.
Japan
Seit Jahren klagen die japanischen Unternehmen über Fachkräftemangel. Nach Angaben der Regierung in Tokio fehlen dem Land derzeit über 500 000 Ingenieure. Hauptgrund: Die Zahl der Ingenieurstudenten sinkt beständig. Viele junge Leute ziehen heute schöngeistige Fächer naturwissenschaftlich- technischen Disziplinen vor. Trotz der 2,1 Mio. Ingenieure, die in Japan arbeiten, klafft eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Immer mehr Unternehmen schauen sich deshalb im Ausland nach Experten um.
Sie bieten Ausbildungsprogramme an, um Interessenten aus asiatischen Nachbarländern, aber auch aus den USA und Europa, nach Nippon zu locken. Die Karriereaussichten für Ingenieurabsolventen sind deshalb prächtig. Das durchschnittliche jährliche Einstiegsgehalt liegt heute bei rund 41 000 €. Japanische Besonderheit: Im Bruttojahresgehalt sind Bonuszahlungen von bis zu fünf Monatsgehältern enthalten, die meist im Juni und Dezember ausgezahlt werden.
USA
Für die 6,3 Mio. Ingenieure im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wachsen die Bäume derzeit nicht in den Himmel: Ihre Arbeitslosenquote liegt bei 5,4 % und damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Noch schlechter sieht es für Berufsanfänger aus. Derzeit sind 6,6 % von ihnen ohne Job. Kleiner Trost: Wer als Absolvent einen der eher raren Jobs ergattert, wird vergleichsweise fürstlich entlohnt. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt bei über 62 000 $. Wegen der schwachen Gemeinschaftswährung sind das derzeit rund 59 000 €.
Spanien
Unter der tiefen Rezession, die das Land nach der Finanzkrise erfasst hatte, mussten auch die 470 000 spanischen Ingenieure leiden. Aktuell liegt die Arbeitslosigkeit noch immer bei rund 11 %. Dabei schwanken die Zahlen je nach Abschluss: Telekommunikationsingenieure kommen auf eine Quote von 7,6 %. Für Bauingenieure liegt der entsprechende Wert hingegen bei 13,5 %. Kein Wunder, dass bereits einer von zehn spanischen Ingenieuren im Ausland arbeitet. Das hängt gewiss auch mit dem bescheidenen Salär zusammen, mit dem sich Jungingenieure zufrieden geben müssen: Ihr Bruttojahresgehalt liegt zwischen 20 000 € und 35 000 € – den Topverdienst erreichen allerdings nur Einserabsolventen, die bei einem Großunternehmen anheuern.
Im Schnitt aller Branchen und Qualifikationen kommen spanische Berufseinsteiger auf 23 000 €. Dennoch ist der Run auf die ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten nach wie vor groß, schließlich geht es manchen anderen Akademikern noch schlechter. Im vergangenen Jahr studierten rund 280 000 junge Spanier und Spanierinnen Ingenieurwissenschaften, ein Fünftel der gesamten Studierendenschaft.
Italien
Noch schlechter als in Spanien sieht der Ingenieurarbeitsmarkt in Italien aus, das ebenfalls seit Jahren gegen eine hartnäckige Wirtschaftsflaute kämpft. Zuletzt waren ein Jahr nach Studienabschluss nur 84 % der Ingenieurabsolventen in Beschäftigung, drei Jahre nach Studienabschluss lag der Wert bei 95 %. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt von Ingenieuren liegt bei rund 17 000 € p.a., etwas mehr als ein Drittel dessen, was deutsche Jungingenieure erwartet. Insgesamt hat Italien rund 650 000 Ingenieure.
Frankreich
In Frankreich gibt es gut 750 000 Ingenieure. Rund 110 000 junge Leute sind derzeit für ingenieurwissenschaftliche Abschlüsse immatrikuliert, davon rund 45 000 an privaten Instituten. 79 % der Absolventen der Elitehochschulen „grandes écoles“ finden weniger als zwei Monate nach Ende ihres Studiums Arbeit. 79 % von ihnen erhalten sogar einen unbefristeten Vertrag– ein beachtlich hoher Wert für französische Verhältnisse.
Größter Arbeitgeber ist immer noch die Industrie. Vor allem in der Luft- und Schifffahrt, Eisenbahn sowie Informationstechnologie kommen Ingenieure unter. Weitere große Arbeitgeber sind Beratungsunternehmen, Baufirmen und Energiekonzerne. Ein junger Ingenieur kann mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von gut 40 000 € im Jahr rechnen. Erfreulich: Der Frauenanteil in der Berufsgruppe ist in Frankreich hoch. Bei den unter 30-Jährigen liegt er bei stattlichen 26 %.
Belgien
Ingenieure sind in Belgien gefragt. Vor allem für die Bereiche IT, Umwelt und Hochtechnologie gibt es zu wenige Absolventen. Das Einstiegsgehalt liegt über dem europäischen Durchschnitt. Die Unternehmen zahlen meist knapp 14 Gehälter. Das Jahresbruttogehalt liegt im Schnitt bei etwa 38 000 €. Weil die Nachfrage groß ist, wirbt Belgien auch außerhalb Europas Ingenieure an, zum Beispiel in Indien. Derzeit arbeiten im französischsprachigen Belgien rund 55 000 Ingenieure aller Richtungen. 2014 schlossen in der Wallonie knapp 1400 Ingenieure ihr Studium mit dem Master ab. Entsprechende Zahlen für Flandern sind aktuell nicht verfügbar.
Großbritannien
Wenn es auf der Insel um Ingenieure geht, gibt es ein heilloses Durcheinander: Viele ausgebildete Techniker, wie Elektriker, Schlosser, Sanitärfachleute werden nämlich als „Engineer“ bezeichnet. Der studierte Ingenieur hebt sich von ihnen durch ein „CENG“ auf der Visitenkarte ab, das für „Chartered Engineer“ steht. Die Zahl der „echten“ Ingenieure, die heute auf den Britischen Inseln arbeiten, wird auf rund 1 Mio. veranschlagt. Doch es sollten längst mehr sein. Im Vereinigten Königreich herrscht nämlich erheblicher Ingenieurmangel.
Hauptgrund: Nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Banken und Versicherungen, die vor allem im Großraum London die Wirtschaft dominieren, suchen händeringend nach Ingenieuren.
Die Insel ist deshalb seit Jahren ein Magnet für Fachkräfte aus dem Ausland – vor allem aus den osteuropäischen EU-Ländern. Daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern. Von den 2,3 Mio. Studenten im Lande sind nämlich nur rund 150 000 in ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten eingeschrieben, wobei die Hälfte von ihnen aus dem Ausland kommt. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es bei annähernd gleicher Zahl an Hochschülern weit über 500 000 Ingenieurstudenten. Die Anfangsgehälter von britischen Ingenieuren schwanken von Fachrichtung zu Fachrichtung und dem abhängig von dem jeweiligen Studiengang. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt bei umgerechnet 42 000 €. Damit gehört es zu den höchsten in Europa.
Schweden
Der Arbeitsmarkt für Ingenieure in Schweden ist gut. Die Arbeitslosenquote liegt bei höchstens 1,5 %. Auch die Zukunft der rund 170 000 schwedischen Ingenieure sieht rosig aus, versichern die Arbeitsämter: Sie rechnen damit, dass bis 2019 ebenso viele Ingenieure die Hochschule verlassen wie von der Wirtschaft nachgefragt werden. Weniger Stellen als Bewerber gibt es allerdings in den ländlichen Gebieten abseits der Metropolregionen Stockholm, Göteborg und Malmö.
Auch scheint die Sonne nicht gleichmäßig über alle Fachgebiete: Durchweg stark gesucht werden IT-, Bauund Elektroingenieure. Chemieingenieure müssen hingegen deutlich länger suchen, um eine passende Stelle zu finden. Das durchschnittliche Jahreseinstiegsgehalt eines Ingenieurs lag im vergangenen Jahr bei etwa 37 000 €. Interessant: Berufsanfängerinnen verdienen nach Angaben des schwedischen Ingenieursverbands im Jahr etwa 1 100 € weniger als ihre männlichen Kollegen.
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