Lanz und Precht über Zukunft der Arbeit: „Das sind apokalyptische Zustände“
Endet die Arbeitswelt, wie wir sie kennen? Darüber debattierten Philosoph Richard David Precht und Journalist Markus Lanz auf der OMR 2022. Wie die Freiheit für alle aussehen kann.
Die Menge an Futter für die Was-wäre-wenn-Maschine ist grenzenlos. Und das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Klassiker im Futtersack: Was wäre, wenn man jeden Monat 1400 Euro zur Verfügung hätte? Jeder Mensch erhielte einen festen Betrag – und das ohne dafür arbeiten gehen zu müssen. Über dieses Szenario und die direkten Folgen sprachen Richard David Precht und Markus Lanz auf der Online-Marketing-Messe OMR in Hamburg. Die Diskussion um das Modell ist kurz davor, ein alter Hut zu sein. Aber die beiden Podcast-Kollegen konnten der Debatte durchaus neue Aspekte hinzufügen – wenngleich zum Teil mit latent zynischem Anstrich. Aber dazu später mehr.
Markus Lanz über Life Coaching: „Das klingt nach Apokalypse“
In lockerer Podcast-Manier plauderten die beiden über die Zukunft der Arbeit. Menschen wollen etwas Sinnstiftendes verrichten und ihren Leidenschaften nachgehen, da ist sich Precht sicher: “Das ist die Natur des Menschen. Und nicht, von 9 to 5 ins Büro zu gehen.” Dafür gab es Applaus. Das bedingungslose Grundeinkommen könne dazu beitragen, dass mehr Arbeitnehmer Berufe ausüben wollen, bei denen es um Zwischenmenschliche gehe.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Kann es Realität werden?
„Die SPD spricht seit 40 Jahren im Wahlkampf über die alleinerziehende Krankenschwester, die nicht über die Runden kommt. Mit einem Grundeinkommen könnte die SPD endlich auch etwas für die Krankenschwester tun“, so Precht. Und weiter: „Sich 37 Stunden pro Woche oder mehr um demente Menschen zu kümmern, das kann man weder den Pflegenden noch den dementen Menschen zumuten.” Gebe es ein Grundeinkommen, würden sich mehr Menschen dafür entscheiden, in Pflegeberufe zu gehen. “Denn dann kann sich ein Teilzeitmodell etablieren, bei dem Pflegekräfte nur 3 Tage pro Woche arbeiten.“
Generell sieht Precht in Berufen von “Mensch zu Mensch” die Zukunft. Automatisierung und Robotik würden viele Berufe ersetzen. Doch Kinder unterrichten oder Bedürftige pflegen – dafür braucht es Menschen, so der Autor. Der Philosoph glaubt fest daran, dass sich sogenannte Empathie-Berufe halten werden: Mediziner, Pflegepersonal und Kita-Mitarbeitende. Aber auch: „Branchen wie Life Coaching werden eine große Zukunft haben. Menschen, die anderen Menschen zeigen, wie sie sich verbessern. Das kann ein Roboter nicht leisten.“ Eine Idee, die Markus Lanz nicht schmeckte: „Das klingt ja nach apokalyptischen Zuständen.“
Migrationsdruck durch Grundeinkommen
Eine Frage, die immer irgendwann durchdringt, wenn es um nationale Grundeinkommen geht: Wie wirkt sich das auf die Länder aus, die ein solches Modell nicht haben? Markus Lanz formulierte es so: “Wenn es in Deutschland ein Grundeinkommen gibt, dann folgt ein massiver Migrationsdruck aus ärmeren Länder etwa in Afrika, oder?” Für Precht kein Problem: “Nein, das wird nicht passieren. Das Modell wird sich ohnehin erst in kleineren Ländern etablieren, in Luxemburg etwa, wo es das ja de facto schon halb gibt.”
Diese 6 Faktoren bestimmen Ihr Einstiegsgehalt
Das zynische Momentum solcher Debatten zu umgehen, misslingt oft – so leider auch hier. “Für einen Äthiopier macht es keinen Unterschied, ob er sich übers Meer nach Europa fahren lässt wegen des Grundeinkommens oder wegen Hartz 4”, argumentierte Precht. Vielmehr könne es einen innereuropäischen Migrationsdruck geben. Denn: “Für jemanden aus Bulgarien hingegen macht das hingegen einen Unterschied.” Ein europaeinheitliches Grundeinkommen sei aber keine Lösung. “Sonst hast du in Bulgarien sofort eine Inflation. Es müsste es in den einzelnen Ländern Grundeinkommen geben, die an das jeweilige Bruttoinlandsprodukt angepasst sind.” Womöglich reichte die Zeit auf der Bühne nicht aus, aber: Die Frage, wie nicht nur ohnehin reiche Industrieländer von einem Grundeinkommen profitieren können, sondern wie sich ein globales Modell etablieren lassen könnte, damit Migrationsdruck als Prinzip gar nicht mehr notwendig ist, stellten die Podcast-Partner nicht.
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