So kriegen Sie die Gehaltserhöhung, die Sie verdienen – Profi gibt Tipps
Bastian Hughes ist ein erfahrener Karrierecoach und Trainer, der seit mehreren Jahren mit Universitäten, Privatpersonen und Menschen im beruflichen Wandel, insbesondere im Bereich Outplacement, zusammenarbeitet. Vor seiner Selbstständigkeit im Jahr 2017 sammelte er zehn Jahre Erfahrung im Recruiting, vor allem in der Automobilbranche, wo er hauptsächlich Ingenieure einstellte. In diesem Interview gibt er wertvolle Tipps, wie man erfolgreich Gehaltsverhandlungen führen und typische Fallstricke vermeiden kann.
Herr Hughes, wie kann man sich am besten auf eine Gehaltsverhandlung vorbereiten? Welche Schritte oder Strategien empfehlen Sie?
Die Vorbereitung auf eine Gehaltsverhandlung im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs ist oft weniger umfangreich als im aktuellen Job. In der Regel kennen Sie bereits Ihre Vorgesetzten, und die Gehaltsverhandlung findet häufig im Kontext von Personalgesprächen statt.
Es ist wichtig, bei Gehaltsverhandlungen im bestehenden Arbeitsverhältnis den Begriff „Gehaltsanpassung“ anstelle von „Gehaltserhöhung“ zu verwenden. Der Begriff „Gehaltsanpassung“ vermittelt, dass Sie rückblickend erfolgreich waren, sich weiterentwickelt und bedeutende Projekte gemanagt haben. In diesem Zusammenhang erscheint es fair, das Gehalt an die bereits erbrachten Leistungen anzupassen.
Der Hintergrund ist, dass es bei Jahresgesprächen in der Regel nicht nur um die Zukunft geht, sondern vor allem um einen Rückblick auf die vergangene Zeit. Es wird besprochen, wie das Jahr verlaufen ist, wie Sie sich gefühlt haben, welche Entwicklungen stattgefunden haben und wie der Stand der Projekte ist. Daher sind Personalgespräche meist vergangenheitsorientiert.
Aus diesem Grund ist der Begriff „Gehaltsanpassung“ passender als „Gehaltserhöhung“. Die Gehaltsanpassung basiert auf den Erfolgen und Leistungen der Vergangenheit. Wenn Sie erfolgreich waren und Ihre Leistungen entsprechend gewürdigt werden, ist es nur fair, dass Ihr Gehalt auf das Niveau Ihrer Erfolge angepasst wird. So kann man das Konzept gut nachvollziehen.
Im Gegensatz dazu impliziert eine Gehaltserhöhung, dass Sie mehr Geld für zukünftige Leistungen verlangen. Das kann bei Vorgesetzten Bedenken auslösen, da sie ein Risiko oder eine Investition eingehen müssten, bevor die erwarteten Leistungen erbracht wurden. Daher ist es oft strategisch sinnvoller, das Gespräch auf eine Gehaltsanpassung zu lenken.
Sich auf mögliche Ablehnungen einstellen
Welche Argumente sollte man unbedingt in einer Gehaltsverhandlung vorbringen?
In einem tarifgebundenen Unternehmen müssen Sie in der Regel selten eine Gehaltsverhandlung führen, da die Gewerkschaften, wie zum Beispiel die IG Metall im Ingenieurbereich, die Gehaltserhöhungen durchsetzen. Das nimmt oft den Druck aus der Situation, da die Gehälter durch Tarifverträge geregelt sind und die Mitarbeitenden nicht individuell verhandeln müssen.
Ein interessanter Punkt ist, dass Gewerkschaften wie die IG Metall nicht mit den individuellen Erfolgen der Belegschaft argumentieren, sondern mit gestiegenen Kosten, Inflation und Lebenshaltungskosten. Diese Faktoren sind der Grund, warum Gehälter erhöht werden müssen. In vielen Gehaltsratgebern wird jedoch empfohlen, niemals mit der eigenen privaten Situation oder gestiegenen Lebenshaltungskosten zu argumentieren.
Das ist ironisch, denn während Gewerkschaften erfolgreich auf diese allgemeinen Gründe setzen, wird Mitarbeitenden oft geraten, genau das zu vermeiden. Stattdessen sollten Sie sich auf Ihre persönlichen Erfolge konzentrieren, um sich auf eine Gehaltsverhandlung vorzubereiten. Es ist wichtig, die eigenen Leistungen und Beiträge zur Organisation hervorzuheben, anstatt auf persönliche finanzielle Belastungen hinzuweisen.
Mein Tipp: Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Vorbereitung. Sammeln Sie genug Argumente über das Jahr hinweg, die belegen, warum eine Gehaltsverhandlung gerechtfertigt ist. Sofern das Personalgespräch schon in einem Monat ansteht, könnte es hier eher sinnvoll sein, den „Boden“ für die spätere Gehaltsverhandlung vorzubereiten, in dem Sie darüber sprechen, was Sie erreicht haben.
Es ist jedoch schwierig, im Nachhinein alles zu reflektieren, was man im Laufe des Jahres erreicht hat. Deshalb empfehle ich, über das Jahr hinweg ein Erfolgstagebuch zu führen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen sind Sie bei der Gehaltsverhandlung gut vorbereitet und können klar darlegen, was Sie erreicht haben. Zum anderen stärkt es Ihr Selbstbewusstsein, wenn Sie auf Ihre Erfolge zurückblicken.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Vorbereitung ist, sich auf mögliche Ablehnungen einzustellen. Selten sagt eine Führungskraft einfach „Ja“, wenn Sie nach einer Gehaltserhöhung fragen. Oft kommt die Antwort: „Das können wir leider nicht bezahlen.“ Viele Menschen sind dann verunsichert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen oder welche Argumente sie anbringen können. Das kann die Verhandlung schnell zum Scheitern bringen.
Es ist wichtig, dass Sie sich bewusst machen, dass Sie im besten Fall einmal im Jahr um eine Gehaltsanpassung bitten können, da es in Unternehmen oft feste Prozesse und Budgets gibt. Sie sollten sich also gut überlegen, wann und wie Sie eine Gehaltsverhandlung ansetzen, insbesondere im Rahmen der Personalgespräche.
Gedankenkarussell: „Hätte ich doch mehr verlangen können?“
Was kann bei einem solchen Gespräch schiefgehen?
Ein häufiges Problem in solchen Gesprächen ist, dass man nicht weiß, wie man mit einer Ablehnung umgeht. In Vorstellungsgesprächssituationen sollten Personalprofis oder Hiring Manager niemals sofort das Gehalt anbieten, das die Bewerberin oder der Bewerber fordert. Warum? Viele Menschen denken dann sofort: „Hätte ich doch mehr verlangen können?“ Dieses Gedankenkarussell beginnt und führt zu Verunsicherung. Die Betroffenen fragen sich, wie hoch das Budget wohl gewesen sein könnte, und es entsteht Unsicherheit über ihre Verhandlungstaktik.
Ein Tipp für Führungskräfte ist daher, während der Gehaltsverhandlungen niemals sofort die geforderte Summe zu nennen. Dies hat mehrere Vorteile: Zum einen vermeidet man die Verunsicherung der Bewerber und gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zu überdenken. Zum anderen schafft man Spielraum für zukünftige Gehaltsanpassungen, wenn die Person ein Jahr später wieder im Büro sitzt.
Wie sieht die Situation aus der Perspektive der Person aus, die ein gutes Gehalt fordert?
Die Person, die eine Gehaltserhöhung fordert, sollte sich bewusst sein, dass es strategisch sinnvoll sein kann, nicht genau das geforderte Gehalt zu erhalten, um das Gedankenkarussell zu vermeiden.
Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Risiken in solchen Gesprächen. Ein potenzielles Problem ist, dass Menschen beleidigt reagieren können, wenn ihre Gehaltsforderungen nicht erfüllt werden. Dies kann sowohl bei Mitarbeitenden in Gehaltsverhandlungen als auch bei Bewerberinnen und Bewerbern in Vorstellungsgesprächen der Fall sein. Solche emotionalen Reaktionen können die gesamte Verhandlungssituation negativ beeinflussen.
Deshalb ist es wichtig, eine Gehaltsverhandlung als einen Prozess zu betrachten, bei dem beide Seiten versuchen, das Bestmögliche herauszuholen. Idealerweise findet man einen Mittelweg, der für beide Parteien akzeptabel ist.
Min, Good und Love
Was passiert, wenn ich als Bewerberin oder Bewerber im Vorstellungsgespräch mehr fordere, als ich tatsächlich haben möchte, in der Annahme, dass mir das Unternehmen sowieso nicht so viel bieten wird? Ich könnte ja auch das Risiko eingehen, dass sie sagen: „Okay, die Person ist uns zu teuer, auf Wiedersehen.“
Das beste Zeichen, dass man mit ihnen zusammenarbeiten möchte, ist das Verhandeln über das Gehalt. Daher ist es clever, etwas mehr zu fordern, als man tatsächlich haben möchte.
Es wird oft empfohlen, mit drei Gehältern zu arbeiten: Min, Good und Love. Min ist die absolute Schmerzgrenze—alles, was darunter liegt, kommt nicht in Frage. Good ist das Gehalt, das man gerne hätte, und Love ist das, was man als außergewöhnlich empfinden würde. In Verhandlungen geht man mit dem Love-Gehalt in die Gespräche. Warum? Damit das Gegenüber mitteilen kann, wenn es über das Budget hinausgeht, und man dann fragen kann: „Was sind Sie denn bereit zu zahlen?“
Nehmen wir an, man nennt 50.000 Euro als Love-Gehalt und das Unternehmen ist bereit, 47.000 Euro zu zahlen. Das Good-Gehalt liegt bei 40.000 Euro, also hat man in dieser Verhandlung 7.000 Euro mehr erreicht—das ist großartig!
Ein häufiger Fehler ist, dass viele Menschen ihre Schmerzgrenze offenbaren, wenn sie danach gefragt werden. Stattdessen sollte man den Arbeitgeber fragen, was die Position wert ist und was das Budget ist. Wenn das Unternehmen sagt, dass 50.000 Euro nicht möglich sind, aber 47.000 Euro eventuell durchgewunken werden können, hat man immer noch Verhandlungsspielraum.
Das ist ein weiterer häufiger Fehler: Viele gehen ohne Spielraum in die Verhandlungen. Sie nennen einen Betrag, sagen zum Beispiel: „Ich möchte 45.000 Euro“, und wenn das Unternehmen daraufhin ablehnt, sind sie sofort beleidigt. Wenn man keine Flexibilität einräumt und gefragt wird, was die Schmerzgrenze ist, kann man aus Verzweiflung einen niedrigeren Betrag nennen—zum Beispiel 42.000 Euro—ohne eine realistische Einschätzung abzugeben.
Das bringt einen in eine unangenehme Situation, weil man dann nicht mehr auf Augenhöhe verhandelt. Es ist wichtig, den Spielraum zu haben, um professionell und realistisch zu bleiben. Wenn man einfach eine niedrigere Zahl nennt, ohne die Budgetgrenzen zu kennen, schießt man sich selbst ins Knie.
Gehaltsverhandlungen haben oft eine klare Struktur
Wie kann man souverän in einem Gehaltsgespräch auftreten, wenn man schon mehrere Jahre im Unternehmen arbeitet, eher schüchtern ist und nicht so leicht Gehalt fordert?
Warten Sie nicht darauf, dass Ihr Chef das Thema Gehalt anspricht – seien Sie proaktiv! Auch wenn man eher zurückhaltend ist, folgt eine Gehaltsverhandlung oft einem klaren Schema. Normalerweise hat man ein Personalgespräch, bei dem man seine Erfolge, Herausforderungen und Ziele für das nächste Jahr bespricht. Diese Struktur kann man zu seinem Vorteil nutzen.
Die meisten Chefs erwarten, dass man in solchen Gesprächen das Gehalt anspricht, denn genau dafür sind sie auch da. Bereiten Sie sich gut vor, indem Sie einen Gesprächsleitfaden erstellen und den Ablauf des Gesprächs im Kopf durchspielen. Man kann auch KI-Tools wie ChatGPT nutzen, um Gegenargumente zu üben und die eigene Argumentation schriftlich festzuhalten. Es ist hilfreich, mit jemandem, dem man vertraut, das Gespräch vorher zu üben – das gibt zusätzliche Sicherheit.
Man sollte sich auch Gedanken darüber machen, wie man auf ein mögliches „Nein“ reagieren kann. Wenn man zum Beispiel um eine 10-prozentige Erhöhung bittet und der Chef sagt, dass das im Moment nicht möglich ist, ist das noch kein endgültiges „Nein“. Man könnte sagen: „Ich verstehe, dass 10 % gerade nicht drin sind. Was wäre denn stattdessen möglich?“
Falls der Chef keine genaue Zahl nennen kann, sollte man ihn fragen: „Wie stellen Sie sich unsere Zusammenarbeit in der Zukunft vor? Welche Erfolge erwarten Sie von mir, und wie könnten wir das honorieren?“ Bleiben Sie dabei ruhig und gelassen, und vermeiden Sie es, beleidigt oder frustriert zu wirken. Ein konstruktiver Dialog hilft, das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken.
In den meisten Fällen trifft ihr Chef im Personalgespräch nicht die Entscheidung, dass Sie ein höheres Gehalt verdient haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass man während dieses Gesprächs eine Gehaltsanpassung festlegt, ist eher gering. Dazu gleich mehr. Fokussieren Sie sich stattdessen auf die Rückschau und die Planung Ihrer Ziele für die Zukunft. Nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihr Anliegen zu kommunizieren, aber seien Sie sich bewusst, dass dies möglicherweise nicht sofort zu einer Gehaltsanpassung führen wird.
Wie funktioniert es dann?
Typischerweise läuft es so ab: Ich äußere den Wunsch nach einer 10%igen Erhöhung, mein Chef sagt, dass das nicht möglich ist, und wir einigen uns vielleicht auf 6%. Allerdings muss er das noch mit der Geschäftsführung abklären.
Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass damit noch nichts entschieden ist. Man sollte nicht einfach annehmen, dass die 6% nun garantiert sind. Es ist sinnvoll, nachzufragen: „Prima, dass du mit der Geschäftsführung sprichst. Wann können wir das Thema wieder aufgreifen?“ So sorgt man dafür, dass ein klarer Termin für die Rückmeldung festgelegt wird.
Alles schriftlich festhalten
Das kann aber lange dauern…
Es ist sogar möglich, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis ich tatsächlich eine Gehaltserhöhung erhalte. Oft geschieht dies erst im nächsten Personalgespräch, wenn mein Chef genug Zeit hatte, um seine Vorgesetzten zu überzeugen.
Ein entscheidender Tipp: Am Ball bleiben. Nach dem Gespräch kann ich eine E-Mail an meinen Chef senden, um das Thema festzuhalten und nach dem Status der Gehaltsanpassung zu fragen. Ein Beispiel aus meiner Erfahrung: Eine Freundin hatte nach ihrem Sabbatical keine schriftliche Bestätigung ihrer Gehaltserhöhung. Ihr Chef hatte inzwischen das Unternehmen verlassen, und es gab keine Dokumentation. Letztendlich konnte niemand sich erinnern und sie erhielt die Erhöhung nicht, obwohl es vorher besprochen worden war.
Daher ist es entscheidend, alles schriftlich festzuhalten und aktiv nachzufragen, um sicherzustellen, dass die Gehaltsverhandlung nicht ins Leere läuft.
Es ist wichtig, nach dem Gespräch eine E-Mail zu schreiben, in der man zusammenfasst, worauf man sich geeinigt hat. Fügen Sie auch den Termin für Ihr nächstes Gespräch hinzu, um den Status der Gehaltserhöhung zu besprechen. Das sollte idealerweise alle ein bis zwei Monate geschehen.
Je mehr Informationen man dem Chef bereitstellt, desto einfacher hat er es, den Fall vor seinem Vorgesetzten zu vertreten und eine Gehaltserhöhung für die Person zu erzielen.
Erfolge dokumentieren
Was passiert, wenn ein Chef überhaupt nicht bereit ist, mehr zu zahlen und die aufgelisteten Erfolge nicht als solche anerkennt?
Das kann durchaus passieren, und es ist wichtig, sich auf solche Szenarien vorzubereiten. Es gibt tatsächlich Chefs, die in Management-Seminaren gelernt haben, ihre Mitarbeitenden kleinzuhalten und deren Leistungen nicht ausreichend zu würdigen. Wenn der Vorgesetzte sagt, dass er die Erfolge nicht sieht, während man ihm konkrete Zahlen vorlegen kann, ist das frustrierend.
Um in solchen Fällen vorbereitet zu sein, empfehle ich, ein Jahr im Voraus alle Erfolge und Beiträge zu dokumentieren. Je mehr Daten und Beispiele man hat, desto besser kann man argumentieren.
Wenn der Chef sagt, dass er keine Erfolge sieht, bleiben Sie im fragenden Modus. Fragen Sie ihn konkret: „Was sind denn für Sie Erfolge? Welche Kriterien müsste ich erfüllen, damit eine Gehaltsanpassung gerechtfertigt ist?“ Damit gibt man ihm die Gelegenheit, klare Erwartungen zu formulieren. Dies ist ein Zeichen von Engagement und zeigt, dass der Mitarbeitende bereit ist, an seinen Zielen zu arbeiten.
Einige Chefs nutzen solche Gespräche, um Mitarbeitende zu demotivieren. Wenn jedoch konkrete Kriterien genannt werden, hat man eine klare Grundlage für die nächste Gehaltsverhandlung.
Gegenangebot: Pistole auf der Brust?
Wenn ich mich in einer solchen Situation befinde, wie Sie sie gerade beschrieben haben, und ich habe mich im Vorfeld anderswo beworben und ein besseres Gehaltsangebot erhalten, wie kann ich das strategisch nutzen? Viele sehen das ja als Trumpf in der Verhandlung.
Es kann tatsächlich nach hinten losgehen, wenn man ein externes Jobangebot als Trumpf nutzt. Dies sollte wirklich die letzte Instanz sein. Stellen wir uns folgende Situation vor: Man ist im Unternehmen eigentlich zufrieden, hat aber das Gefühl, woanders mehr verdienen oder interessantere Projekte machen zu können. Jetzt liegt ein konkretes Angebot vor. Wenn es einem völlig egal ist, wie der aktuelle Arbeitgeber reagiert, kann man diesen Trumpf ausspielen, indem man sagt: „Ich habe ein Angebot von einem anderen Unternehmen, das mir 10.000 € mehr zahlt. Ich will hier nur 8.000 € mehr. Was sagen Sie dazu?“ Doch auch hier gilt: Man sollte im fragenden, kooperativen Modus bleiben, anstatt es als Drohung zu formulieren. Besser wäre es, zu fragen: „Was können wir hier machen?“
Wichtig ist, diesen Trumpf nur dann auszuspielen, wenn es einem wirklich egal ist, ob man den Job behält oder nicht. Denn der Arbeitgeber könnte die Loyalität infrage stellen. Auch wenn er einen nicht aus wirtschaftlichen oder krankheitsbedingten Gründen sofort entlassen kann, könnte es gut sein, dass er sich innerlich schon von einem verabschiedet. Das bedeutet, dass man keine spannenden Projekte mehr bekommt, weniger in Meetings involviert wird oder ganz subtil ausgegrenzt wird. Der Vorgesetzte könnte denken: „Wenn Sie für 10.000 € mehr woanders hingehen, warum gehen Sie dann nicht?“
Das kann dazu führen, dass die Zusammenarbeit darunter leidet, selbst wenn man bleibt. Es ist also ein Spagat: Entweder man spielt diesen Trumpf aus und riskiert, dass sich das Arbeitsklima verschlechtert, oder man versucht es weiter ohne Druckmittel.
In solchen Situationen ist es immer wichtig, die Gesamtlage zu betrachten. Wie abhängig ist der Vorgesetzte von einem? Wenn man in einem großen Team von 15 Projektingenieuren arbeitet, könnte man relativ leicht ersetzt oder sogar ausgegrenzt werden. Aber wenn man in einer Schlüsselposition ist, zum Beispiel der einzige Ingenieur in einem Team von Betriebswirten, hat man eine deutlich bessere Verhandlungsbasis. Der Chef wird dann mehr Interesse daran haben, einen zu halten.
Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass Vorgesetzte nicht immer die „Bösen“ sind, wie es in vielen Artikeln über Gehaltsverhandlungen dargestellt wird. Die meisten Chefs haben durchaus ein Interesse daran, mit ihren Mitarbeitenden weiter zusammenzuarbeiten – egal, ob es 15 Ingenieure im Team gibt oder nur einen. Denn die Arbeit bringt ihnen auch einen Mehrwert. Ein externes Jobangebot kann also auch etwas Positives bewirken, weil es dem Chef zeigt, dass man eine wichtige Rolle spielt und Alternativen hat.
Subtile Wege Druck zu erhöhen
Wie kann man dann doch die Situation positiv beeinflussen?
Falls die Gehaltsverhandlungen dennoch erfolglos verlaufen, gibt es subtile Wege, um den Druck zu erhöhen, ohne es offen auszusprechen. Ein bewährter Trick ist es, ein Zwischenzeugnis anzufordern. Dies signalisiert dem Chef, dass man sich möglicherweise anderweitig umschaut. Die erste Frage wird meist sein: „Warum benötigen Sie ein Zwischenzeugnis?“ Hier kann man diplomatisch antworten, dass man einfach eine aktuelle Einschätzung der eigenen Leistung haben möchte. Doch jeder weiß, dass ein Zwischenzeugnis oft der erste Schritt zu einer Bewerbung ist.
Ein weiteres subtiles Signal kann sein, das LinkedIn-Profil zu aktualisieren, besonders wenn man mit dem Chef dort vernetzt ist. Auch dies zeigt, dass man sich auf dem Markt umschauen könnte, ohne es direkt anzusprechen. Solche Maßnahmen können dazu führen, dass der Chef die Gehaltsfrage nochmal überdenkt, ohne dass man explizit mit einem Gegenangebot droht.
Bastian Hughes wird auch bei unserem Recruiting Tag in München am 21. November sein und ausführlich zu diesem Thema sprechen.
Ein Beitrag von: