Steuererklärung und Kurzarbeit: Schock für Millionen Arbeitnehmer
Die Steuererklärung 2020 steht an: Doch in diesem Jahr kann es für Millionen Menschen besonders unangenehm werden. Alle wichtigen Fragen und Antworten zur Steuererklärung 2020.
Dass die Steuererklärung wohl nie auf einem Bierdeckel zu machen sein wird, hat inzwischen sogar Friedrich Merz eingesehen. Doch die Steuererklärung 2020 wird für viele Menschen besonders kompliziert – und hat unter Umständen sehr ärgerliche Folgen. Denn das vergangene Jahr war ein außergewöhnliches.
Wegen der Corona-Pandemie haben viele Arbeitnehmer im Homeoffice gearbeitet, und Millionen Menschen waren von Kurzarbeit betroffen. Viele hatten nicht nur ein geringeres Nettoeinkommen, sondern sie müssen 2021 kräftig Steuern nachzahlen. Wie kann das sein? Wo trägt man das Kurzarbeitergeld ein? Und kann man ein Arbeitszimmer im Homeoffice eigentlich von der Steuer absetzen?
Kurzarbeit: Studie mit besorgniserregendem Ergebnis
In den nächsten Wochen werden sich Millionen Arbeitnehmer mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Die Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 endete eigentlich am 31.7.2021 – der letzte mögliche Abgabetermin ist aber der 31.10.2021.
Wir haben alle wichtigen Fragen und Antworten zur Steuererklärung 2020 zusammengefasst.
Steuererklärung: Was ist Kurzarbeitergeld?
Wer Kurzarbeitergeld bezieht ist in einer zeitlich begrenzten Verkürzung der Arbeitszeit tätig. Dies gilt für ein gesamtes Unternehmen oder Teile der Belegschaft. Im Mai 2020 waren 7,3 Millionen Menschen in Deutschland von Kurzarbeit betroffen. Durch die Corona-Pandemie sahen sich viele Firmen dazu gezwungen, Kurzarbeitergeld auszuzahlen. Die Auftragslage war dementsprechend schlecht oder Betriebe wie in der Gastronomie mussten komplett schließen. Durch diese Maßnahme sollen Einbußen beim Gehalt teilweise ausgeglichen werden.
Kurzarbeitergeld: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Warum gibt es Kurzarbeit?
Kurzarbeit ist alles andere als eine neue Erfindung. Seit gut einem Jahrhundert kennt man dieses Instrument. Das Ziel: Arbeitslosigkeit vermeiden. Das Prinzip dahinter ist simpel: Unternehmen bekommen in konjunkturell schwierigen Zeiten eine Alternative zu Entlassungen an die Hand. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verringern für einen gewissen Zeitraum ihre Arbeitszeit und erhalten Entschädigung über die Arbeitslosenkasse. So wird der Einkommensverlust im Rahmen gehalten.
Historisch belegt ist die Kurzarbeit im deutschsprachigen Raum schon Anfang des 20. Jahrhunderts. 1910 wurde im Deutschen Reich das sogenannte Kali-Gesetz erlassen. Darin enthalten: eine Abfederungsmaßnahme. Zu dieser Zeit gab es Produktionsquoten im Kalibergbau und in der Düngemittelindustrie. Einige Werke mussten zeitweise schließen. Arbeiter erhielten vom Staat eine finanzielle Überbrückung – die sogenannte Kurzarbeiterfürsorge.
„Damit hat man erkannt, dass das Hilfsinstrumente sind, die in Krisensituationen effektiv sein können“, sagt Wolf-Dieter Tölle, Steuerberater sowie Fachanwalt für Steuerrecht und Erbrecht.
1924 zog die Schweiz nach. In diesem Jahr wurde das erste Arbeitslosenversicherungsgesetz verabschiedet. Die Kurzarbeit erhielt im Gesetz ebenfalls eine Passage.
Steuererklärung: Ist das Kurzarbeitergeld steuerfrei?
„Das Kurzarbeitergeld selbst ist in der Tat steuerfrei. Aber es unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Dieser Effekt wird häufig nicht bedacht. Das ist geregelt in §32B EStG“, erklärt Tölle.
„Das heißt, das Kurzarbeitergeld wird nicht besteuert, aber es erhöht den Steuersatz. Es wird auf das Einkommen draufgerechnet”, erläutert der Steuerexperte weiter.
Nach §32b EStG zählen zu diesen Leistungen unter anderem Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, Mutterschaftsgeld, Entschädigungen für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz und eben auch Kurzarbeitergeld. Hat ein Steuerpflichtiger eine solche Leistung bezogen, ist auf das zu versteuernde Einkommen laut Einkommenssteuergesetz ein besonderer Steuersatz anzuwenden.
Generell gilt: Wer mehr als 410 Euro Kurzarbeitergeld erhalten hat, muss es 2021 in der Steuererklärung angeben. Dies bezieht sich auch auf andere Lohnersatzleistungen wie das Elterngeld.
Was ist der Progressionsvorbehalt?
Viele Lohnersatzleistungen wie das Kurzarbeitergeld sind steuerfrei. Es kann aber sein, dass Steuerzahler für die übrigen steuerpflichtigen Einkünfte mehr Steuern zahlen müssen. Das liegt am besagten Progressionsvorbehalt.
Dieser Steuersatz errechnet sich aus dem Beitrag, der auf die Summe aus laufenden Einkünften und Lohnersatzleistungen anzuwenden ist. Daraus ergibt sich ein höherer Steuersatz, mit dem anschließend die laufenden Einkünfte besteuert werden. Wolf-Dieter Tölle erklärt es so: „Der Steuersatz ist progressiv, das heißt, er steigt mit dem Einkommen an.“
Das Problem: „Die Lohnsteuer wird nur nach dem bemessen, was man verdient hat, nicht nach dem Kurzarbeitergeld. Das führt dazu, dass viele, die von Kurzarbeit betroffen sind, im Jahr 2020 zu wenig Lohnsteuer gezahlt haben.“
Das heißt auch: „Je höher der Anteil des Kurzarbeitergeldes neben dem Einkommen ist, desto höher fällt eine mögliche Nachzahlung aus.“
„Die Betroffenen haben ohnehin schon ein niedrigeres Nettoeinkommen. Dazu kommt dann noch die Nachzahlung im Folgejahr durch die Progessionswirkung. Das ist schon eine erhebliche Belastung“, gibt Tölle zu Bedenken.
„Viele werden dabei mit mehreren Hundert Euro rechnen müssen, je nach Fall kann der Betrag auch deutlich im vierstelligen Bereich liegen.“
Bewertung durch den Steuerexperten: Hätte man den Progressionsvorbehalt aussetzen müssen?
Angesichts dieser Ausführungen mutet der Progressionsvorbehalt ungerecht an. Wer in Kurzarbeit geschickt wurde, hat sich das schließlich nicht ausgesucht und wird 2021 auch noch mit einer womöglich hohen Steuernachzahlung “bestraft”.
Steuerexperte Wolf-Dieter Tölle bewertet die Situation so:
„Grundsätzlich macht der Progessionsvorbehalt Sinn. Er soll die Besteuerung von Einkommen möglichst gerecht machen. Doch in Situationen wie der aktuellen oder wie 2009 nach der Finanzkrise, wenn Massen in Kurzarbeit gehen, hat man den Eindruck, dass die Betroffenen besonders stark belastet werden.“
Stimmen aus der Politik, den Progessionsvorbehalt auszusetzen, gab es in der Tat – sowohl von Vertretern der CDU/CSU als auch der SPD. Doch einigen konnte man sich in der Großen Koalition über die Frage nicht. Das Bundesfinanzministerium lehnte die Idee gänzlich ab – zu groß seien dann Steuer-Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Arbeitnehmern.
„In der Corona-Krise wäre das aber meines Erachtens ein gutes Instrument der Wirtschaftsförderung, um auch den Konsum anzukurbeln. Das hätte sicherlich mehr gebracht als die Mehrwertsteuersenkung, die nicht nur wenig Nutzen hatte, sondern auch noch Kosten verursacht hat, wie wir jetzt sehen“, sagt indes Wolf-Dieter Tölle.
Wo wird das Kurzarbeitergeld in der Steuererklärung eingetragen?
Wer sich jetzt an die Steuerklärung wagt, fragt sich womöglich, wo das Kurzarbeitergeld angegeben wird. „Auf dem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ist der Eintrag zum Kurzarbeitergeld in Zeile 15 zu finden“, weiß Notar Tölle. „Bei der Steuererklärung geben Arbeitnehmer es dann in Anlage N unter Zeile 28 an.“
In dieser Zeile werden auch weitere Lohnersatzleistungen, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld oder Mutterschaftsgeld, eingetragen.
Muss ich wegen Kurzarbeit Steuern nachzahlen?
Im Folgenden finden Sie ein Rechenbeispiel, wie hoch die steuerliche Mehrbelastung sein kann.
Ein lediger Mann hat ohne Kurzarbeitergeld ein jährliches zu versteuerndes Einkommen von 35.000 Euro. Zusätzlich hat er 7.500 Euro Kurzarbeitergeld bekommen, war aber nicht zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Die steuerliche Mehrbelastung wegen der Progessionswirkung beträgt 923 Euro.
Weitere Beispiele finden sich im Buch von Wolf-Dieter Tölle: „Alles, was Sie über Kurzarbeit und Steuern wissen müssen“ (erscheint am 23.02.2021 im Finanzbuch Verlag).
Aber nicht alle Menschen in Kurzarbeit müssen nachzahlen. Wer zum Beispiel mehrere Monate zu 100 Prozent in Kurzarbeit war, den Rest der Zeit aber gearbeitet hat, kann unter Umständen sogar mit Steuer-Rückzahlungen rechnen.
Homeoffice: Kann man ein Arbeitszimmer von der Steuer absetzen?
Homeoffice ist das “New Normal”. Seit 2020 sitzen zahlreiche Menschen in ihren vier Wänden und haben das Büro nur noch an wenigen Tagen von innen gesehen. Kann man ein Arbeitszimmer von der Steuer absetzen? Steuerfachmann Tölle hat hier eine niederschmetternde Antwort:
„Das Arbeitszimmer zuhause können Sie nicht absetzen, wenn Sie einen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung haben.“
„Wenn der Arbeitgeber ein Verbot ausspricht, dass sie ins Büro kommen, dann können Sie für die Tage, an denen das Verbot gilt, ein Arbeitszimmer absetzen“, führt er weiter aus.
„Der Gesetzgeber hat zudem eine Homeoffice-Pauschale in Höhe von 5 Euro pro Tag und maximal 600 Euro im Jahr geschaffen. Diese Pauschale halte ich allerdings für sehr gering.“
Grundsätzlich sind die Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in der eigenen Wohnung nur unter bestimmten Voraussetzungen und häufig nicht in vollem Umfang als Werbungskosten absetzbar.
Erfolgreich arbeiten von Zuhause – mit diesen Tipps klappts
Damit das Finanzamt das Arbeitszimmer anerkennt, gelten folgende Kriterien:
- Zimmer muss so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werden
- Arbeitszimmer muss durch eine Tür von den Privaträumen getrennt sein
- es darf sich nicht um ein Zimmer handeln, das oft durchquert wird, um in andere Räume zu gelangen, zum Beispiel das Wohnzimmer
- im Arbeitszimmer dürfen nur Möbel stehen, die zur Erledigung der Tätigkeit notwendig sind (ein Gästebett gehört nicht ins Arbeitszimmer)
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