Überstunden: Neues Urteil hat Konsequenzen für Arbeitnehmer
Überstunden sind oft ein Streitthema – vor allem, wenn Arbeitnehmer diese ausbezahlt haben wollen. Ein aktuelles Urteil schmälert den Erfolg von Bezahlung deutlich.
Tagtäglich machen Arbeitnehmer in Deutschland Überstunden – bei Ingenieuren und Ingenieurinnen bleibt bei herausfordernden Projekten ein Plus-Konto nicht aus. Über die Bezahlung von Überstunden wird oft gestritten. Ein neues Urteil macht es Arbeitnehmern nicht leichter, ihre Leistung geltend zu machen.
Ein Streit um die Bezahlung von Überstunden mit dem Arbeitgeber kann hässlich enden. Das Bundesarbeitsgericht hat nun eine Bestätigung getroffen, die Angestellte weiter in der Beweislast für Mehrarbeit lässt.
Künftig müssen Arbeitnehmer weiterhin nachweisen, dass Überstunden notwendig, angeordnet oder vom Arbeitgeber gebilligt wurden, wenn sie diese vergütet haben wollen. An der Darlegung in Überstundenprozessen ändere das in Deutschland viel diskutierte “Stechuhr-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019 nichts – so lautet das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt.
„Die Geltendmachung von Überstunden unterliegt damit in der Praxis hohen Anforderungen“, so Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott. „Kann der Arbeitnehmer diese genauen Nachweise nicht erbringen, wird er die Bezahlung von Überstunden in der Regel nicht erfolgreich geltend machen können“, so der Hamburger Fachanwalt Fuhlrott.
Praxisfall: Mehr als 400 Überstunden
Das Bundesarbeitsgericht entschied über eine Klage, die ein Auslieferungsfahrer eingereicht hatte. Er hatte 429 Überstunden angehäuft – ein Fall in Höhe von circa 6.400 Euro. Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber war streitig geblieben, ob der Fahrer die Zeiten tatsächlich gearbeitet hatte. Eine eindeutige Arbeitszeiterfassung fehlte. Der Arbeitnehmer berief sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019.
Was besagt das EuGH?
Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass alle europäischen Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, ein effektives System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen. Fehlt dieses, sind weder geleistete Normalarbeitsstunden noch erbrachte Überstunden zweifelsfrei feststellbar. Diesbezügliche Ansprüche des Arbeitsnehmers seien somit kaum durchzusetzen.
Wie viele Überstunden sind erlaubt?
Arbeitnehmer dürfen laut Gesetz von Montag bis Samstag je acht Stunden arbeiten – maximal 48 Stunden pro Woche. Bei einer regulären 40-Stunden-Arbeitswoche sind also bis zu acht Überstunden zulässig.
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Das Urteil: Nachteil für den Arbeitnehmer
Das Bundesarbeitsgerichts entschied, dass die Grundsätze zur Darlegungslast durch das Urteil des EuGH nicht verändert würden. Die Vorgaben des EuGH dienten dem Gesundheitsschutz. Sie fänden indes grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit habe deshalb keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess, so die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts.
„Macht ein Arbeitnehmer damit Überstunden geltend, muss er wie bisher genau darlegen, wann er Überstunden geleistet hat“, so Fuhlrott.
Bei Unternehmen dürfte die Entscheidung zum Aufatmen führen, meint er: „Arbeitgebern, die die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter nicht erfasst haben, droht nach dem Urteil keine Flut von Prozessen auf Abgeltung von Überstunden“. Gleichwohl sei das Thema nicht endgültig erledigt, meint der Arbeitsrechtler: „Deutschland steht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 in der Pflicht, ein rechtlich effektives System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen. Daran ändert auch die heutige Entscheidung nichts“.
Digitale Methoden der Zeiterfassung
Sind unbezahlte Überstunden zulässig?
Soweit dies durch den Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt ist, dürfen Arbeitgeber unbezahlte Überstunden anordnen.
Überstunden: Hier bekommen Arbeitnehmer Hilfe
Arbeitnehmer können bei Fragen zur Berechnung und Geltendmachung von Überstundenvergütung Rechtsrat einzuholen – das gilt natürlich auch für den Arbeitgeber. Empfehlenswert ist der VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
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