Was heißt Equal Pay?
Männer und Frauen werden ungleich bezahlt. Das zeigt der Equal Pay Day. Doch Vorsicht: Das ist noch keine Diskriminierung.
77 Tage Mehrarbeit. Das blüht Frauen, die ebenso viel verdienen wollen wie Männer. Dann ist nämlich der 18. März erreicht und damit der Equal Pay Day 2018, den das Netzwerk Business and Professional Women aufgrund der vom Statistischen Bundesamt berechneten geschlechterspezifischen Lohnlücke ermittelt. So viel zum Thema gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, so viel zum Thema Gleichbehandlung, so ein Skandal, ist die konsequente Denke. Der Haken daran: So einfach ist die Sache nicht. Wer sich qualifiziert zum Thema Equal Pay, Lohnlücke und geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschied äußern möchte, sollte Folgendes wissen.
Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau präsentiert sich – je nachdem, wer damit eine Aussage treffen möchte – entweder als ein gutes Fünftel oder sie tendiert gegen null. Das Statistische Bundesamt erklärt seit Jahren, dass Frauen rund 21 % weniger verdienen als Männer, die Bertelsmann-Stiftung spricht von rund 6 % Lohngefälle, das Institut der deutschen Wirtschaft Köln von 2 %. Weil jede Institution anders rechnet.
Berechnung der großen Lohnlücke
Das Statistische Bundesamt erhebt ebenso wie die OECD eine unbereinigte Lohnlücke. Das heißt, es werden die durchschnittlichen Stundenlöhne von Männern und Frauen verglichen und heraus kommt, dass Frauen im Jahr 2017 wieder einmal 21 % weniger verdienten als männliche Angestellte. Diese Erhebungsmethode klingt nicht nur einfach, sie wurde vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI auch schon zur „Unstatistik des Monats“ gekürt. Denn die Methode lässt völlig außer Acht, was, wie viel und wo gearbeitet wird.
Ein differenzierter Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt zeigt, dass die Geschlechter nicht gleichmäßig über alle Branchen verstreut arbeiten. Ebenso wenig teilen sich Frauen und Männer die Führungspositionen paritätisch auf. In Deutschland herrscht viel mehr eine geschlechtsspezifische Berufswahl und darauf muss die Berechnung einer Lohnlücke eingehen, wenn sie etwas über ungleiche Bezahlung oder Diskriminierung aussagen will.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (sie ist einige Jahre alt, aber allzu viel hat sich seither leider nicht getan) zeigt, dass bei Frauen im Alter zwischen 30 und 40, der sogenannten Rush Hour des Lebens, häufig die Karriere- mit der Familienplanung kollidiert. Ab da ist es vorbei mit der gleichwertigen Arbeit und damit auch mit dem gleichen Lohn.
Berechnung der kleinen Lohnlücke
Dafür gibt es die bereinigte Lohnlücke. Sie nimmt zur Kenntnis, dass die Gehälter je nach Branche variieren. So verdient eine Pflegekraft in einem Bereich, in dem überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, deutlich weniger als ein Ingenieur – ein Beruf, den noch immer hauptsächlich Männer anstreben. Das Lohngefälle ist also in Teilen auf das abweichende Lohnniveau unterschiedlicher Branchen zurückzuführen, das sicher in seiner Fairness auch diskutiert werden kann, das aber nichts mit der Diskriminierung von Frauen zu tun hat.
Nun aber zu dem Fall, dass Frauen und Männer in der gleichen Branche arbeiten. Auch dann ist von Equal Pay häufig nichts zu sehen – wiederum ganz ohne strukturelle Diskriminierungsabsicht. Darum werden bei der bereinigten Lohnlücke noch weitere Faktoren herausgerechnet. Etwa, dass viele Frauen gar nicht Voll-, sondern Teilzeit arbeiten. Dass sie längere Phasen der Nichterwerbstätigkeit haben und selten in den oberen (gut bezahlten) Positionen anzutreffen sind. Nach Gablers Wirtschaftslexikon setzt sich die bereinigte Lohnquote (LQb) zusammen aus Löhnen (W), der Anzahl der Arbeitnehmer (A), der Anzahl der Erwerbstätigen (E), dem Volkseinkommen (Y), der Arbeitnehmer- (A/E) und der Lohnquote (W/Y). Als Formel sieht das folgendermaßen aus:
Das Statistische Bundesamt kommt bei dieser Rechnung auf ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von 6 %. Weil die Berechnung recht kompliziert ist, wird sie nur alle vier Jahre durchgeführt, das nächste Mal für das Jahr 2018. Nun ist der Unterschied zu den zunächst verkündeten 22 % schon enorm, aber wie die Bertelsmann-Stiftung nicht müde wird zu betonen, sind auch 6 % Lohnunterschied zwischen Mann und Frau zu viel. Oder, um mit dem Bild des Frauennetzwerkes zu sprechen: Jeder Tag Mehrarbeit für Frauen ist ungerecht. Der Equal Pay Day läge damit immer noch Ende Januar und damit deutlich im neuen Jahr.
Aktionen für Equal Pay
Da sowohl die Wirtschaft als auch die Politik kein gesteigertes Interesse an grundsätzlicher Ungleichbehandlung von Frauen und Männern haben, versucht man seit geraumer Zeit herauszufinden, woher die restlichen 6 % kommen und wie sie zu beheben seien. Ein Teil davon machen sicherlich individuelle Fähigkeiten während der Gehaltsverhandlung aus, Österreich z.B. hat aber noch andere Erfahrungen gemacht. Seit die Politik Gehaltstransparenz von Betrieben ab 150 Mitarbeitern fordert, haben viele Unternehmen in ihrer Entlohnungsstruktur Ungleichheiten festgestellt, derer sie sich nicht bewusst waren (wir haben über das Phänomen berichtet).
In der Bundesrepublik hat sich zu diesem Zweck das Analyseverfahren Lohngleichheit im Betrieb Deutschland, kurz Logib-D, etabliert. Das Softwaretool analysiert die Gehaltsstrukturen in Unternehmen und entdeckt Entgeltunterschiede zwischen Mann und Frau, die es den Personalentscheidern meldet. Die Daten sollen der Wirtschaft helfen, verdeckte Diskriminierung aufzuspüren und gegen sie vorzugehen. Unter dem Namen Equal PacE macht sich das Analyseinstrument gerade europaweit auf die Reise, um auch dort den schmalen Grat zwischen Equal Pay und Equal Pace zu erforschen.
In Deutschland gilt seit dem 6. Januar 2018 das Entgelttransparenz-Gesetz. Es räumt Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern das Recht ein, die Gehälter von Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Positionen beim Arbeitgeber zu erfragen. Die Unternehmen müssen diesem Ersuchen stattgeben und das durchschnittliche Gehalt von mindestens sechs Mitarbeitern des anderen Geschlechts offenlegen.
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