Technik allein reicht nicht: Warum Ingenieure ihre Soft Skills trainieren müssen
Ingenieure müssen zweifellos über einen soliden technischen Hintergrund verfügen – schließlich basiert ihre Arbeit auf präzisem Fachwissen und analytischen Fähigkeiten. Doch was ist mit Soft Skills? Diese werden in der Ingenieursbranche oft vernachlässigt, was ein schwerwiegender Fehler ist.
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Soft Skills für Ingenieure: Kommunikation, Teamarbeit und Problemlösungsfähigkeiten als Schlüssel zum Erfolg im technischen Umfeld.
Foto: PantherMedia / Randolf Berold
Und genau über dieses Problem sprechen wir mit dem Maschinenbauingenieur Lucas Cayé. Nach seinem Studium in Aachen hat er seine Karriere im Bereich Hydraulik begonnen und arbeitet derzeit bei einem Hydraulikhersteller in München. Neben seiner technischen Tätigkeit engagiert er sich im Vorstand der Young Engineers, einer Untergruppe des VDI, und verantwortet dort das Ressort Corporate Communications. In dieser Rolle setzt er sich für die Sichtbarkeit und Vernetzung junger Ingenieure ein und weiß, warum Soft Skills in der technischen Welt nicht unterschätzt werden sollten.
Inhaltsverzeichnis
Herr Cayé, warum glauben Sie, dass Soft Skills für Ingenieure heute immer wichtiger werden, besonders beim Berufseinstieg?
Wir haben gerade eine Projektgruppe mit dem Titel Innovation at Risk, in der wir untersuchen, wie gut das Ingenieursstudium auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes der Zukunft vorbereitet. Ein entscheidender Punkt, den wir dabei festgestellt haben, ist, dass Soft Skills zunehmend wichtiger werden – besonders für den Berufseinstieg.
Warum sind Soft Skills so wichtig für Young Engineers? Unsere Recherche hat gezeigt, dass die Berufswelt immer interdisziplinärer wird. Ingenieure arbeiten immer häufiger mit Fachfremden zusammen, sei es in gemischten Teams oder bei der Bearbeitung von Themen außerhalb des eigenen Fachgebiets. Da ist es entscheidend, dass Ingenieure in der Lage sind, ihre eigenen Ideen klar zu kommunizieren, effektiv in Teams zu arbeiten und mit verschiedenen Berufsgruppen zu kooperieren – alles Aspekte von Soft Skills.
Ein weiterer Punkt, den wir in unserer Recherche gefunden haben, ist eine Veröffentlichung des World Economic Forum, die betont, dass Fähigkeiten wie das Lösen komplexer Probleme sowie kreatives und analytisches Denken immer wichtiger werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fähigkeit zur Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg – etwa zwischen Maschinenbauern und Elektronikern – immer mehr an Bedeutung gewinnt. Deshalb sind Soft Skills für Ingenieure und ihre zukünftige Arbeit unverzichtbar.
Kommunikation als Schlüsselkompetenz für Ingenieure
Das Stichwort Kommunikation ist also entscheidend. Wenn zum Beispiel ein Elektroingenieur sein Projekt vorstellt, muss er seine Sprache anpassen, damit auch Menschen aus anderen Disziplinen es verstehen und nachvollziehen können, richtig?
Die Welt wird zunehmend komplexer, und es gibt immer mehr Bereiche, die miteinander verknüpft werden müssen. Ingenieure nehmen dabei eine Schlüsselrolle als Problemlöser der globalen Herausforderungen ein. Ein Beispiel, das ich gerne anführe, ist die Corona-Krise, in der es zahlreiche unterschiedliche Meinungen gab und oft von der Wissenschaft gesprochen wurde. Ingenieure sind in diesem Kontext ebenfalls Wissenschaftler, und es ist entscheidend, dass wir in der Lage sind, unser Fachgebiet der breiten Öffentlichkeit verständlich zu erklären und den Nutzen unserer Arbeit klar zu kommunizieren.
Ein weiterer Punkt ist die Politik, die oft von ‚Technologieoffenheit‘ spricht – dabei ist es für uns Ingenieure nicht immer klar, was genau damit gemeint ist. Hier wird deutlich, dass wir als Ingenieure die Verantwortung haben, unsere Erfindungen und deren Nutzen für die Gesellschaft verständlich zu machen. Die Fähigkeit zur Technik-Kommunikation muss deshalb deutlich gestärkt werden, damit wir als Ingenieure den positiven Beitrag, den wir leisten, auch in der breiten Bevölkerung richtig positionieren können.
Es geht nicht nur darum, Daten zu präsentieren, sondern auch, wie man sie aufbereitet. Jeder Fachbereich hat seine eigenen Fachbegriffe und Details, in die man tief eintaucht, wenn man aus diesem Bereich kommt. Aber gerade wenn man mit fachfremden Kollegen zusammenarbeitet – ich meine damit Ingenieure aus anderen Disziplinen – ist es entscheidend, diese komplexen Sachverhalte auf einer abstrakten Ebene verständlich zu machen. So können alle Beteiligten nachvollziehen, worum es geht, und gemeinsam voranschreiten, ohne aneinander vorbeizuarbeiten. Letztlich geht es um Teamarbeit.
Welche weiteren Soft Skills würden Sie noch nennen, die wichtig sind? Wir haben jetzt über Kommunikation und Teamarbeit gesprochen, aber was fällt Ihnen noch ein?
In der Umfrage, die wir unter Studierenden, Berufsanfängern, Personalern, Doktoranden und Professoren durchgeführt haben, zeigte sich ganz klar, dass Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten unerlässlich sind, um in interdisziplinären Teams effektiv zusammenzuarbeiten. Wenn ich die wichtigsten Soft Skills für Ingenieure zusammenfassen müsste, würde ich Kommunikation, Präsentationsskills und Teamarbeit als die Top 3 nennen.
Wie fehlende Soft Skills Ingenieuren im Job im Weg stehen
Welche Auswirkungen hat es auf die Karrierechancen eines Ingenieurs, wenn diese Soft Skills fehlen oder er nicht gewohnt ist, damit zu arbeiten?
Wenn ich von dem ausgehe, was ich beobachte: Der Arbeitsmarkt sucht aktuell stark nach Ingenieuren, und das bedeutet, dass man grundsätzlich einen Job finden wird. Aber Soft Skills spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von Kandidaten. Sie beeinflussen nicht nur, ob man einen Job bekommt, sondern auch, welche Verantwortung einem übertragen wird und wie innovativ das Unternehmen ist, in dem man arbeitet.
Wenn man Soft Skills während des Studiums nicht vollständig entwickelt hat, kann man sie im Berufsleben nachholen. Trotzdem halte ich sie für unerlässlich, um in einer immer schneller werdenden Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Ein weiterer Soft Skill, der künftig an Bedeutung gewinnen wird, ist Anpassungsfähigkeit. Die Berufswelt verändert sich ständig – du könntest heute in der Energietechnik anfangen, später in der Automobilindustrie arbeiten und irgendwann im Umweltingenieurwesen landen. Die Fähigkeit, sich auf neue Herausforderungen und Kulturen einzustellen, wird immer wichtiger.
Auch wenn man Soft Skills im Beruf weiterentwickeln kann, sind sie oft der entscheidende Faktor dafür, ob man einen Job bekommt oder nicht, besonders beim Berufseinstieg.
Wäre ein Beispiel vielleicht, dass sich jemand für eine tolle Stelle bewirbt, fachlich hervorragend qualifiziert ist, aber im Vorstellungsgespräch Schwierigkeiten hat, sich selbst zu präsentieren?
Ja, das würde ich auf jeden Fall so unterschreiben. Die fachliche Kompetenz ist ein entscheidender Faktor, den ein Ingenieur mitbringen muss, aber die soziale Kompetenz ist genauso wichtig. Letztlich macht die Kombination aus beiden einen guten Ingenieur aus. Nur weil ich fachlich gut ausgebildet bin, bedeutet das nicht, dass ich für jede Position geeignet bin, selbst wenn die fachlichen Anforderungen erfüllt sind. Die sozialen Kompetenzen, insbesondere die Soft Skills, sind entscheidend, da Ingenieure oft stark auf Teamarbeit angewiesen sind. Du kommst alleine nicht weit, du musst mit Kollegen zusammenarbeiten können. Ohne diese Fähigkeit wird es auch mit der besten fachlichen Ausbildung schwierig, erfolgreich zu sein.
![Ingenieure brauchen mehr als technisches Wissen – Soft Skills wie Kommunikation und Teamarbeit sind entscheidend für den Erfolg. Maschinenbauingenieur Lucas Cayé erklärt, warum. Foto: privat](https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2025/02/Lucas-520x693.jpg)
Ingenieure brauchen mehr als technisches Wissen – Soft Skills wie Kommunikation und Teamarbeit sind entscheidend für den Erfolg. Maschinenbauingenieur Lucas Cayé erklärt, warum.
Foto: privat
Wege zur praktischen Soft Skills-Ausbildung im Ingenieurstudium
Welche Soft Skills sollten Ihrer Meinung nach gezielt in das Ingenieurstudium integriert werden? Und welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, damit Studierende sich schon früher darauf vorbereiten können?
Es gibt sicherlich verschiedene Maßnahmen, um Soft Skills gezielt zu vermitteln. Aus einer Umfrage geht hervor, dass Studierende an den Universitäten der Meinung sind, dass zu wenig Soft Skills im Studium behandelt werden. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass das bloße Vermitteln von Soft Skills noch nicht ausreicht – es braucht eine anwendungsorientierte Methodik, um diese wirklich zu erlernen. Meine Lieblingsaussage dazu ist: ‚Begreifen kommt von Greifen.‘ Man muss Soft Skills praktisch üben und umsetzen können.
Aktuell ist das Studium noch sehr theoretisch und inhaltlich fokussiert. Laut einer Umfrage sehen Professoren das Studium als sehr gut an, während Studierende und Personalverantwortliche sind etwas kritischer bzw. es wird im Vergleich wenig gut bewertet.
Ein Ansatz könnte sein, den Studienalltag stärker mit praktischen Übungen zu verbinden. Mehr Teamarbeit und Präsentationen anstelle von traditionellen Klausuren wären hier ein möglicher Weg. Klausuren messen keine kommunikativen Fähigkeiten, während Präsentationen und Teamprojekte das fördern.
Ein weiterer Ansatz wäre, mehr Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte zu schaffen, da ein Auslandssemester nicht nur das interkulturelle Verständnis und die Anpassungsfähigkeit fördert, sondern auch die Persönlichkeit stärkt und die Komplexität der Welt greifbarer macht.
Zusätzlich bieten wir im VDI mit den Young Engineers zahlreiche Möglichkeiten, sich neben dem Studium Soft Skills anzueignen, die für den Berufseinstieg entscheidend sind.
Teamarbeit über Disziplinen hinweg
Sie haben Teamarbeit während des Studiums angesprochen, aber ist es nicht oft so, dass diese Teamarbeit hauptsächlich nur unter Ingenieurstudierenden stattfindet?
Es gibt verschiedene Ansätze, um das zu fördern. Universitäten sind per Definition interdisziplinär aufgebaut, mit verschiedenen Fakultäten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Bereich Technik-Ethik, der eine Schnittstelle zwischen Ingenieuren und Philosophen bildet. Beide Disziplinen bringen wichtige Perspektiven ein. Hier könnte man Ideen entwickeln, bei denen kombinierte Fächer angeboten werden, in denen Studierende aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenarbeiten und somit verschiedene Sichtweisen auf ein Thema einbringen.
Ist es schwierig den Lehrplan anzupassen? Kann das wirklich nur durch Teamarbeit umgesetzt werden, oder gibt es noch andere Wege?
Ein Curriculum an der Universität kann durchaus angepasst werden. Tatsächlich ist es meiner Meinung nach sogar die Pflicht einer Universität, ihr Curriculum regelmäßig an die sich verändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen. Es gibt bereits Universitäten, die solche interdisziplinären Fächer anbieten. Ich sehe keinen großen Widerspruch darin, diese Anpassungen vorzunehmen, da sie nicht im Konflikt mit dem traditionellen Lehrauftrag der Universität stehen. Natürlich erfordert es eine gewisse Veränderung, aber das ist ein wichtiger Schritt, um Studierende besser auf die beruflichen Herausforderungen vorzubereiten.
Gibt es aus der Praxis erfolgreiche Ansätze oder Beispiele, wie eine solche Integration von Soft Skills in den Lehrplan funktionieren könnte?
Ein gutes Beispiel, das mir einfällt, kommt aus meinem Studium an der RWTH Aachen. Dort gab es ein Fach namens ‚Technologiefolgenabschätzung‘, das als Kombinationsfach angeboten wurde, bei dem wir mit dem Fachbereich Soziologie zusammengearbeitet haben. Dieses Fach war eines der wertvollsten, da wir völlig neue Perspektiven und Ansätze kennengelernt haben. Es war besonders bereichernd, mit Leuten aus einem ganz anderen Bereich zu arbeiten, was den Blick auf technologische Themen erheblich erweitert hat.
Was genau musste man in diesem Fach machen, damit ich das besser verstehe? Sie haben erwähnt, dass man mit Philosophiestudierenden zusammengearbeitet hat – woran hat man da konkret gemeinsam gearbeitet?
Wir haben im Prinzip einen Use Case erhalten, bei dem wir ein technisches Thema untersuchen sollten. Unsere Aufgabe war es, die Chancen und Risiken dieser Technologie für die Gesellschaft zu bewerten. Am Ende sollten wir in einer Abschlusspräsentation nicht nur das technische Entwicklungsniveau der Technologie darstellen, sondern auch die potenziellen Chancen und Gefahren für die Bevölkerung in Deutschland aufzeigen. Besonders wichtig war dabei, die Risiken zu identifizieren, die auftreten könnten, wenn diese Technologie auf dem Markt etabliert wird.
Soft Skills durch praktische Erfahrungen stärken
Was können Studierende selbst tun, um sich in diese Richtung weiterzuentwickeln?
Letztendlich gibt es keine Grenzen für die intrinsische Motivation eines Studierenden. Für mich persönlich habe ich einen Weg im VDI gefunden, indem ich angefangen habe, regionale Veranstaltungen mitzuplanen. So kam ich in Kontakt mit Unternehmen und fand über diese Richtung auch meinen ersten Job. Der VDI bietet eine tolle Plattform, um viele Soft Skills zu entwickeln. Darüber hinaus bietet der VDI eine Vielzahl an Projekten. Zum Beispiel haben wir Wettbewerbe wie ‚Speak Out for Engineering‘, bei dem Studierende eine Präsentation auf Englisch halten müssen, oder Hackathons, bei denen Teams an einem Wochenende an interdisziplinären Use Cases arbeiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Young Engineers Kongress 2025 | VDI, eine Mischung aus Workshops, Soft Skills Training und Networking mit Unternehmen. Gerade das Netzwerken wird in der Berufswelt immer wichtiger – Personaler heben hervor, dass Berufseinsteiger schnell ein fachliches Netzwerk aufbauen müssen. Der VDI bietet viele Möglichkeiten, um Soft Skills und wertvolle Kontakte zu entwickeln, ohne dass man sich langfristig verpflichten muss. Für Studierende, die sich selbst weiterentwickeln und berufliche Vorteile erarbeiten wollen, ist der VDI auf jeden Fall eine hervorragende Gelegenheit.
Soft Skills im Wandel der Generationen
Wenn man Ingenieure aus verschiedenen Generationen vergleicht, sagen wir Babyboomer und Generation Z, wie würden Sie die Entwicklung der Soft Skills bewerten? Sind diese Fähigkeiten heute stärker ausgeprägt oder gibt es Veränderungen?
Da ich selbst Teil der Generation Z bin, muss ich natürlich sagen, dass ich mich eher in dieser Gruppe sehe. Aber im Ernst, ich denke, dass Soft Skills stark mit der jeweiligen Generation und den damit verbundenen Erfahrungen zusammenhängen. Junge Menschen kommen mit einem klaren Drang, den Arbeitsmarkt zu verändern und neue Perspektiven einzubringen. Ältere Generationen, wie die Babyboomer, bringen viel Erfahrung mit, und auch Erfahrung zählt als wichtiger Soft Skill.
Ein deutlicher Unterschied liegt jedoch in den digitalen und medialen Kompetenzen. Jüngere Generationen sind stärker mit digitalen Tools und Medien vertraut, während Babyboomer erst später in ihrer Karriere mit diesen Technologien konfrontiert wurden. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass Soft Skills per se bei einer Generation besser ausgeprägt sind – es hängt eher von den jeweiligen Lebenserfahrungen und der beruflichen Praxis ab. Daher gibt es unterschiedliche Ausprägungen in verschiedenen Bereichen der Soft Skills.
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