Interview 25.03.2024, 14:00 Uhr

Wie eine Bauingenieurin ihr Wissen in anderen Branchen erweitert

Vom Bauingenieurwesen über den Zahlungsverkehr bis hin zu Marketingstrategien – wie ist das möglich? Die Karriere von Maria Eleni Gargoudi ist von vielen Zweigen geprägt, aber dennoch verfolgt sie einen roten Faden.

Bauingenieurin

Die Architektin ihrer eigenen Zukunft: Eine Bauingenieurin bahnt sich ihren eigenen Weg in der Karriere. (Symbolfoto)

Foto: PantherMedia / wuttichaicci (YAYMicro)

Maria Eleni Gargoudi wusste immer, wie sie ihre Fähigkeiten am besten einsetzen konnte. Obwohl es am Anfang ihrer Karriere als Bauingenieurin schwierig war, Fuß zu fassen, hat sie ihren eigenen Weg eingeschlagen. Welcher Weg das ist, erklärt sie in diesem Interview.

Maria, wo hast du Bauingenieurwesen studiert?

Maria Eleni Gargoudi: Ich habe Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen studiert. Das war Mitte der 90er-Jahre. Die RWTH Aachen ist bekannt für ihre technischen Studiengänge, ist eine der größten technischen Hochschulen in Deutschland und gehört laut Thimes Higher Education Ranking zu den 100 angesehensten Hochschulen weltweit.

Was hat dich damals dazu bewogen, Bauingenieurin zu werden?

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Ich wollte damals entweder Architektur oder Bauingenieurwesen studieren. Letztendlich fiel meine Wahl auf Bauingenieurwesen, da mich das Fachgebiet sehr interessierte und meine Stärken in den naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern wie Mathematik, Physik und Chemie lagen. Ich wollte einen Beruf ergreifen, der meine Neigungen widerspiegelt und gleichzeitig gute Verdienstmöglichkeiten bietet. Rein auf Mathematik beschränkt, wollte ich mich nicht festlegen, da ich nicht genau wusste, welche Karrierewege sich daraus ergeben könnten. Mit Bauingenieurwesen hingegen konnte ich mir vorstellen, vielfältige Tätigkeiten auszuüben. Zudem hat mich die Erfahrung, wie meine Eltern ein Haus in Griechenland bauten, stark beeindruckt und meine Entscheidung für dieses Studium zusätzlich gefestigt.

Hast du nach deinem Bauingenieurstudium auch in diesem Bereich gearbeitet?

Ja, ich habe am Institut für Bauforschung gearbeitet. Das war Anfang der 2000er-Jahre, eine Zeit, die sich als äußerst schwierig für Bauingenieure erwies. Zwei große Baufirmen, Philipp Holzmann und Walter Bau, meldeten Insolvenz an, was dazu führte, dass viele Ingenieure auf den Arbeitsmarkt strömten. Viele meiner Kommilitonen und auch ich selbst schrieben zahlreiche Bewerbungen, aber es war schwierig, einen Job zu finden, da meist erfahrene Ingenieure bevorzugt wurden. Angesichts dieser Situation entschied ich mich schnell, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich hatte zuvor ein Praktikum bei einer studentischen Unternehmensberatung absolviert, die Bauingenieure für eine Marktanalyse für ein großes Bauvorhaben suchte. Nach diesem Projekt erstellte ich mit meinem Team eine Vorstudie für ein großes internationales Handelsunternehmen. Die Erfahrung, mit anderen Menschen in Interaktion zu treten, kreative Methoden anzuwenden, Ideen zu gestalten und Prozesse zu gestalten oder zu verbessern, hat mich dazu inspiriert, in die Beratungsbranche zu gehen. Es zog mich also vom Bauingenieurinstitut in die freie Wirtschaft.

Zahlungsverkehr sowohl technisch als auch fachlich beleuchten

Wie kam es dazu, dass du dich dem Zahlungsverkehr zugewandt hast?

Ich bin zufällig zum Zahlungsverkehr gekommen. Nachdem es schwierig war, einen Job im Bauingenieurwesen zu finden, habe ich in Aachen bei einem Zahlungsverkehrsdienstleister angefangen zu arbeiten. Dort habe ich festgestellt, dass der Zahlungsverkehr ebenso logisch und technisch aufgebaut ist wie bei meinem bisherigen Fachgebiet. Man arbeitet mit Prozessen, optimiert Abläufe und die Softwareentwicklung ist ebenfalls sehr strukturiert aufgebaut. Daher habe ich mich entschieden, in diesem Bereich zu bleiben. Zuerst war ich bei dem Dienstleister in Aachen tätig und später wechselte ich zu Unternehmensberatungen mit Zahlungsverkehrsfokus. So konnte ich den Zahlungsverkehr sowohl technisch als auch fachlich beleuchten und konnte in Projekten arbeiten.

Maria Eleni Gargoudi

Maria Eleni Gargoudi.

Foto: Privat

Könntest du etwas über deine Erfahrungen im Bereich Zahlungsverkehr berichten?

Im Bereich des Zahlungsverkehrs wendete ich Kenntnisse an, die ich im Bauingenieurwesen lernte, z. B. effizient zu arbeiten, indem ich den kürzesten Weg von A nach B wähle. Ich habe zudem gelernt, Prozesse genau zu analysieren, zu optimieren und komplexe Sachverhalte zu verstehen. Dies hat mir oft geholfen, passende Lösungen zu finden und richtige Entscheidungen zu treffen. Mein analytisches Verständnis, das ich bereits entwickelt hatte, war ebenfalls von Nutzen. Ich habe gelernt, komplexe Sachverhalte nicht nur zu verstehen, sondern sie auch herunterzubrechen und sie vereinfacht zu erklären, was mir heute in meinem Beruf sehr zugutekommt. Hauptsächlich beschäftige ich mich damit, Sachverhalte zu analysieren, Lösungen und Strategien zu entwickeln,. Ein wesentlicher Teil meiner Aufgaben besteht darin, anderen Menschen die Komplexität zu nehmen und sie Themen, Prozessabläufe und Lösungswege verstehen zu lassen.

Wie hat dir deine Erfahrung im Zahlungsverkehr und dein Wechsel in einen ganz anderen Bereich allgemein im Leben geholfen?

Ich habe eine Begeisterung für Themen und Menschen entwickelt. Man kommt nicht darum herum, mit Menschen in Kontakt zu treten, sie zu befragen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es bereitet mir große Freude, mich in neue Themen einzuarbeiten, sie zu verstehen, anzuwenden und anderen zur Verfügung zu stellen. Disziplin und Ausdauer waren ebenfalls entscheidende Aspekte. Aber insgesamt denke ich, dass es wichtig ist, offen für neue Themen, Menschen und Sachverhalte zu sein. Wenn man offen und lernwillig ist, kann man auch in verschiedenen Bereichen erfolgreich sein.

Projektmanagement ist überall wichtig

Kannst du Beispiele dafür geben, wie du ingenieurtechnische Prinzipien oder Analysemethoden in deinem Beruf als Unternehmensberaterin angewendet hast?

Ich habe oft z. B. die Root-Cause-Analyse angewendet. Das ist die Ermittlung der Ursachen von Problemen oder Fehlern in Prozessen, um Lösungen zu entwickeln und zukünftige Probleme zu vermeiden. Ich habe zudem oft Usability Testings durchgeführt und Software getestet. Ich habe also eine Bewertung der Benutzerfreundlichkeit einer Software durchgeführt und Schwachstellen sowie Fehler in der Programmierung identifiziert und Verbesserungen vorgeschlagen. Zudem habe ich in agilen, selbstorganisierten und eigenverantwortlichen Teams gearbeitet.

Und wie sieht es mit Projektmanagement aus?

Ich habe gelernt, wie Projektmanagement im Bauingenieurwesen funktioniert, speziell fokussiert auf Bauprojekte. Als ich dann im Zahlungsverkehr tätig war und in Kontakt mit Kunden und Banken stand, habe ich festgestellt, dass die Grundprinzipien des Projektmanagements dieselben bleiben, auch wenn sich die Themen ändern. Die Formel bleibt dieselbe: Projekt initiieren, planen, ausführen, Risiken und Konflikte im Auge behalten, Anforderungen aufnehmen, „in Scope“ bleiben, Anforderungen präzisieren, Arbeitspakete definieren und in der Zwischenzeit mit allen Beteiligten in ständigem Kontakt bleiben. Dieses Vorgehen ist in jedem Bereich gleich, unabhängig von der Branche. Natürlich kann ich nicht im Zahlungsverkehr von Bauarbeiten sprechen, aber die Grundprinzipien des Projektmanagements bleiben universell. Man muss offen für den neuen Bereich sein, sich darauf konzentrieren und verstehen, was beim Projektmanagement im Zahlungsverkehr anders ist. Anpassungsfähigkeit ist der Schlüssel, statt stur zu behaupten: „Aber im Bauingenieurwesen hat es so funktioniert.“

Konntest du feststellen, dass dein Hintergrund im Bauingenieurwesen dich in deinem aktuellen Beruf von anderen unterscheidet?

Nun, während andere möglicherweise noch in der detaillierten Planung verweilen, bin ich oft bereits dabei, Probleme zu erkennen und erste Lösungsansätze zu entwickeln, sobald wir über die nächsten Schritte sprechen. Ich kann schnell am Flipchart skizzieren und Prozessbilder erstellen, um anderen zu erklären, was ich sehe oder wo etwas hakt. Die Fähigkeit, visuell zu arbeiten und komplexe Zusammenhänge durch Bilder zu vermitteln, sagt oft mehr als tausend Worte.

Soft Skills einer Ingenieurin

Meinst du, dass dein Ingenieurstudium bestimmte Soft Skills vermittelt hat, die dich von anderen unterscheiden?

Zum einen habe ich gelernt, direkt nach Lösungen zu suchen und nicht nur Probleme zu identifizieren. Zum anderen ist es wichtig, den Fokus zu behalten und sich auf die Ziele zu konzentrieren. Gleichzeitig bin ich jedoch auch offen und kreativ im Umgang mit Sachverhalten und Menschen, indem ich verschiedene Perspektiven betrachte, um die besagten Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden. Es ist eine Balance zwischen dem Fokus und dem Blick für das Große und Ganze erforderlich. Darüber hinaus sind für mich das Organisiertsein und die Fähigkeit, Leistung zu erbringen, ebenfalls von großer Bedeutung.

Hast du jemals bereut, nicht mehr im Bereich Bauingenieurwesen tätig zu sein?

Tatsächlich sehe ich meinen damaligen Wechsel als eine große Bereicherung. Es hat meinen beruflichen Horizont erweitert und mir ermöglicht, vielfältige Erfahrungen zu sammeln. Durch Weiterbildungen und Spezialisierungen konnte ich in verschiedene Bereiche eintauchen. Dies hat meine Erfahrung und mein Wissen erweitert. Ich glaube fest daran, dass ein breiter Erfahrungsschatz es ermöglicht, mit gesundem Menschenverstand und Vielseitigkeit Herausforderungen anzugehen.

Wenn du jetzt Tipps für junge Ingenieure geben würdest, die am Anfang ihrer Karriere stehen, was würdest du ihnen empfehlen?

Ich würde ihnen zunächst raten, ihre eigenen Stärken und Interessen zu identifizieren. Was machen sie besonders gerne und worin sind sie besonders gut aufgrund ihrer technischen Fähigkeiten? Basierend darauf sollten sie Bereiche identifizieren, in denen sie sich kompetent fühlen und in denen sie gerne arbeiten würden. Es ist wichtig, Motivation mit Arbeit zu verbinden. Anschließend sollten sie die Fähigkeiten, die sie in ihrem aktuellen Bereich gesammelt haben, aufzählen und diejenigen hervorheben, die auch in anderen Berufen relevant sind. Zum Beispiel könnten Problemlösungsfähigkeiten, Vorstellungsvermögen und analytisches Denken sowie Projektmanagement, Arbeiten in interdisziplinären Teams und Kommunikationstalent auch in anderen Bereichen von Nutzen sein.

Was kannst du noch empfehlen?

Es ist entscheidend, sich kontinuierlich weiterzubilden und Zusatzqualifikationen in bestimmten Bereichen und Branchen zu erwerben. Nur durch das Lesen von Fachliteratur allein passiert nicht viel; man muss sich aktiv weiterbilden. Außerdem ist es wichtig, Zertifikate zu erwerben, um vorweisen zu können, dass man sich in einem anderen fachfremden Bereich fortgebildet hat und über entsprechende Kenntnisse verfügt.
Des Weiteren ist es ratsam, das berufliche Netzwerk zu nutzen und in regelmäßigem Austausch mit anderen zu bleiben. Man kann Einblicke in andere Branchen erhalten, indem man mit anderen Fachleuten spricht. Auf diese Weise eröffnen sich potenzielle Möglichkeiten, neue Karrierewege zu erkunden.

Schließlich sollte man immer offen sein, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich an Veränderungen anzupassen. Es ist nie zu spät, um zu lernen, und in der sich ständig wandelnden Arbeitswelt ist Anpassungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung.

Neuanfang ist immer gut

Könntest du etwas über deine aktuelle Situation erzählen? Stehst du wieder vor einem Neuanfang?

Tatsächlich stehe ich vor einem neuen Kapitel in meiner Karriere. Nachdem ich vom technischen Bauingenieurwesen zum prozessorientierten Zahlungsverkehr wechselte, gehe ich jetzt in einen strategischen Bereich über. Sowohl im Bauingenieurwesen als auch im Zahlungsverkehr habe ich umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung von Strategien sammeln können. Mein Geschäftspartner ist Experte im Bereich Marketing.

Gemeinsam bringen wir unsere jeweiligen Stärken ein, um für unsere Kunden Marketingstrategien zu entwickeln und Konzepte zu formulieren, wie Marketingziele erreicht werden können. Ich freue mich jeden Tag darüber, in den Marketingbereich einzutauchen, mich dort fortzubilden und zu erkunden, wie dort am besten Strategien aufgebaut werden können.

Wie würdest du deinen Werdegang einschätzen?

Auch wenn mein Werdegang auf den ersten Blick vielleicht nicht linear erscheint, so war doch immer ein roter Faden vorhanden: Was kann ich gut, was macht mir Spaß und wie kann ich meine Fähigkeiten anwenden? Diese Fragen haben mich geleitet und letztendlich dazu geführt, dass ich mich selbstständig gemacht habe. Der Schritt in die Selbstständigkeit hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, war aber letztendlich das Ergebnis meines Wunsches, mich neuen Herausforderungen zu stellen und mein Wissen und meine Fähigkeiten zu erweitern.

Obwohl es eine Veränderung darstellt und ich mich in neue Bereiche wie das Marketing einarbeiten muss, bin ich zuversichtlich, dass ich meine strategischen Kenntnisse erfolgreich auf dieses neue Feld übertragen kann. Es mag vielleicht nicht der konventionelle Weg sein, aber für mich ist es der richtige Weg, um meine beruflichen Ziele zu erreichen.

Angenommen, du erhältst über Plattformen wie LinkedIn oder Xing ein Angebot von einem Unternehmen aus dem Bereich Bauingenieurwesen, das dich als Spezialistin einstellen möchte, wie würdest du reagieren?

Ich wäre interessiert und würde mir das Angebot auf jeden Fall anhören. Ich war sehr gerne im Bauingenieurwesen tätig, und wenn das Angebot zu meinen Fähigkeiten und Interessen passt, wäre ich offen für ein Gespräch.

Vielen Dank für das Gespräch, Maria!

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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