Gründungen: Mehr Männer, mehr im Westen
Die Gründungsquote lag in den vergangenen vier Jahren in Westdeutschland höher als in den ostdeutschen Bundesländern.
Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) Länderbericht Deutschland 2023/24 hat untersucht, wie sich die Gründungsquoten in Ost- und Westdeutschland und in der Hauptstadt Berlin in den letzten vier Jahren entwickelt haben. Der Bericht wurde durch das RKW Kompetenzzentrum in Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover erstellt.
Der Vergleich zeigt, dass im Zeitraum von 2019 bis 2023 die unternehmerische Aktivität in Westdeutschland mit 7,4 % höher ist als in Ostdeutschland (ohne Berlin) mit 5,6 %. Berlin gilt im Allgemeinen als „Gründungshauptstadt“. Der Unterschied zwischen Ost und West beträgt also knapp zwei Prozentpunkte. In der Hauptstadt Berlin entstehen besonders viele Unternehmen: Dort gründeten knapp 12 % der im GEM befragten Personen ein Unternehmen oder befinden sich gerade in der Gründungsphase.
Die GEM-Gründungsquote bezeichnet den Anteil der 18- bis 64-Jährigen, die in den letzten 3,5 Jahren ein Unternehmen gegründet haben (Young Entrepreneurs) und/oder derzeit ein Unternehmen gründen (Nascent Entrepreneurs). Zudem fließen Aussagen aus der GEM-Bevölkerungsstudie ein, für die 2633 Personen befragt wurden.
Stärkste Gründungsaktivitäten in den jüngsten Altersgruppen
Die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen weist mit 13,3 % die stärksten Gründungsaktivitäten auf, dicht gefolgt von der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen mit 11 %. Die weiteren Altersgruppen zeichnen sich mit 8,4 % für die 35- bis 44-Jährigen, 5,7 % für die 45- bis 54-Jährigen und 3 % für die 55- bis 64-Jährigen durch niedrigere Gründungsaktivitäten aus. Bemerkenswert: In Deutschland hat sich die Gründungsquote in der jüngsten Altersgruppe von 2017 (3,4 %) bis 2023 (11 %) mehr als verdreifacht. Trotzdem sind in gründungsstarken Ländern wie den USA oder den Niederlanden die Gründungsaktivitäten in der jüngsten Altersgruppe mit knapp 25 % nach wie vor deutlich höher.
Gendergap – Männer gründen häufiger als Frauen
Der Bericht ergibt, dass sowohl in West- und Ostdeutschland als auch in Berlin Männer häufiger gegründet haben als Frauen – und somit deutschlandweit nach wie vor ein Gendergap besteht. Die Gründungsquote der Frauen in Ostdeutschland war in den Jahren von 2019 bis 2023 mit 4,8 % etwas niedriger als die in Westdeutschland (5,8 %), und auch die Gründungsquote der ostdeutschen Männer war mit 6,2 % niedriger als die der Männer im Westen (8,9 %). Die Gründungsquote in Berlin lag sowohl bei den Frauen (9,1 %) als auch bei den Männern (14,2 %) auf dem höchsten Niveau innerhalb Deutschlands. Der Gendergap ist jedoch mit einem Abstand von 1,4 Prozentpunkten in Ostdeutschland am geringsten ausgeprägt. In Westdeutschland betrug der Gendergap im Gründungsgeschehen deutlich höhere 3,1 Prozentpunkte und in Berlin sogar 5,1 Prozentpunkte.
Die Angst vor dem Scheitern ist in Ostdeutschland geringer
Die positive Einschätzung der Gründungschancen war im Jahr 2023 in Westdeutschland mit 43,4 % deutlich höher als in Ostdeutschland mit 23,9 %. Auch der Anteil an Personen, die ihre eigenen Gründungsfähigkeiten als „gut“ einschätzen, war in Westdeutschland höher (42,8 %) als in Ostdeutschland (36,2 %). Auffällig ist jedoch, dass die befragten Personen sowohl im Osten als auch im Westen fast genauso häufig der Aussage zustimmten, dass sie die Angst vor dem Scheitern von einer Unternehmensgründung abhalten würde (54,4 % in Westdeutschland vs. 57 % in Ostdeutschland, ohne Berlin).
Dagegen ist die Angst vor dem Scheitern als Gründungshemmnis in Berlin mit 37,7 % signifikant geringer. Auf gesamtdeutscher Ebene haben 42 % der Gründungspersonen einen Hochschulabschluss, 29 % haben an einer Universität studiert und 13 % an einer Fachhochschule. Die zweithäufigste Abschlussart bei den Gründungspersonen ist die Lehre, mit einem Anteil von 27 %. Knapp 10 % der Gründungspersonen rechnen mit starkem Jobwachstum für das eigene Unternehmen. In den kommenden fünf Jahren sechs oder mehr Stellen zu schaffen, das erwarteten 2023 ca. 10 % der Gründungspersonen; ein moderater Anstieg gegenüber den Vorjahren. Wachstumserwartungen von einem bis fünf Jobs geben etwa 20 % der Gründungspersonen an. Demgegenüber geht in etwa die Hälfte der Gründungspersonen davon aus, in den kommenden fünf Jahren keine Arbeitsplätze zu schaffen.
Prägende Gründungsmotive sind „Welt verändern“ im Osten und „großer Wohlstand“ im Westen
In 2023 spielte bei den Motiven für eine Gründung in Ostdeutschland der Wunsch, die Welt zu verändern mit 65 % die wichtigste Rolle (Mehrfachantworten waren möglich). Am zweithäufigsten (47,6 %) nannten die Gründungspersonen in Ostdeutschland das ökonomische Ziel, „den Lebensunterhalt zu verdienen, weil Arbeitsplätze selten sind“. In Westdeutschland war mit 54,9 % der häufigste Beweggrund, durch die Gründung großen Wohlstand oder ein sehr hohes Einkommen zu erreichen, gefolgt von der Motivation, „die Welt zu verändern“. Auch in Berlin hatten die beiden abgefragten ökonomischen Motive die höchste Relevanz: Jeweils 83,3 % der Gründungspersonen gaben an, ein Unternehmen zu gründen bzw. zu planen, „um den Lebensunterhalt zu verdienen, weil Arbeitsplätze selten sind“ bzw. „um großen Wohlstand oder ein sehr hohes Einkommen zu erreichen“.
Die Fortführung einer Familientradition verliert an Bedeutung
Laut Studienautoren zeigt sich bei den befragten Gründungspersonen über die Jahre, dass das Motiv, eine Familientradition fortzuführen, immer mehr an Bedeutung verliert, von mehr als 60 % im Jahr 2019 auf etwa 30 % im Jahr 2023. Das Thema Unternehmensnachfolge werde somit eine immer größere gesellschaftliche Herausforderung. Menschen, die gründen, haben häufiger Kontakt zu anderen Gründerinnen und Gründern als Personen, die selber nicht gegründet haben.
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