3D-Druck in der Produktion 28.03.2018, 10:04 Uhr

Additive Manufacturing: Abwarten ist keine Option

Wer Additive Fertigung einsetzt, macht grundsätzlich alles richtig. Allerdings ist der Einsatz allein noch kein Garant für effiziente Prozesse. Es muss auch eine unternehmensspezifische Produktionsstrategie dahinter stehen, sagt Industrieberater Bernhard Wiedemann.

Mann im Anzug berührt Industrie 4.0-Symbol

Foto: panthermedia.net/ake1150sb

Die Art und Weise, wie Unternehmen produzieren, wird sich durch Additive Manufacturing (AM) tiefgreifend und nachhaltig verändern. „Kein produzierendes Unternehmen wird über kurz oder lang an dem Thema vorbeikommen“, sagt Bernhard Wiedemann, Director der TMG Consultants GmbH und Sprecher des baden-württembergischen Automobilclusters automotive-bw. Umso wichtiger sei es, proaktiv die technologische Entwicklung zu analysieren und zu unterscheiden, was heute zu tun ist um den Anschluss nicht zu verpassen. „Abwarten ist jedenfalls keine Option“, unterstreicht Wiedemann.

Wie bewerten Sie den aktuellen Status von Additive Manufacturing?

Dr. Bernhard Wiedemann ist Director bei TMG Consultants GmbH in Stuttgart, nachdem er bereits in den 1990ern den Fachbereich Rapid Prototyping der Uni Stuttgart leitete.

Dr. Bernhard Wiedemann ist Director bei TMG Consultants GmbH in Stuttgart, nachdem er bereits in den 1990ern den Fachbereich Rapid Prototyping der Uni Stuttgart leitete.

Quelle: TMG Consultants

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Bernhard Wiedemann: Der Entwicklungsstand der additiven Fertigungstechnologien ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass es für produzierende Unternehmen geradezu zu einer Pflichtaufgabe wird, sich eine klare Meinung zu bilden, ob und inwieweit die Produktionsalternative AM für sie infrage kommt und vor allem, wie sich diese Option im Vergleich zum klassischen Produktionsprozedere rechnet. Auch im Rahmen von Industrie 4.0 ist Additive Manufacturing die Zukunftstechnologie schlechthin, mit der die Vernetzung und Digitalisierung der Produktions- und Entwicklungsprozesse sowie revolutionäre Prozessabläufe möglich werden. Für produzierende Unternehmen wird es daher höchste Zeit, die Möglichkeiten zur Nutzung der neuen, weiterentwickelten additiven Fertigungsverfahren zu evaluieren und AM als zusätzliche Option in der eigenen Produktionsstrategie zu berücksichtigen. Denn wer diesen Trend verschläft oder falsch einschätzt, geht ein hohes Risiko ein.

Stehen dabei allein technische oder kaufmännische Aspekte im Vordergrund?

Aus technischem und/oder gestalterischem Blickwinkel lassen sich mit der additiven Fertigung wegen der weit größeren konstruktiven Freiheitsgrade und der optimalen Einbindung in die digitalen Prozesse schon seit Jahren beeindruckende Ergebnisse erzielen. Für viele produzierende Unternehmen dürfte es sich inzwischen gerade auch aus rein ökonomischen Überlegungen lohnen, AM als Produktionsoption für kleinere Serienlose unter gleichzeitiger Nutzung der Formgestaltungsfreiheiten, bzw. der damit verbundenen wertsteigernden Bauteilfunktion, ins Kalkül zu ziehen. AM ist schon heute eine äußerst leistungsfähige und damit enorm wichtige Ergänzung, mit der die Wirtschaftlichkeit der Entwicklungsprozesse und Produktion deutlich und nachhaltig verbessert werden kann. Die Weiterentwicklungspotenziale sind enorm und werden über viele Jahre zu einer kontinuierlichen Leistungssteigerung dieser Technologiesysteme führen.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Unternehmen dabei?

Eine detaillierte Analyse der Möglichkeiten, die additive Fertigungsverfahren im Hinblick auf das unternehmensspezifische Produktspektrum bieten, ist für deren Nutzung erfolgsentscheidend. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass erhebliche Potenziale in den Unternehmen unausgeschöpft bleiben, weil die verschiedenen Verfahren und ihre besonderen Charakteristika nicht hinreichend bekannt sind und weil es zudem in den Unternehmen am erforderlichen Know-how mangelt, um die AM-Fähigkeit potenzieller Anwendungen zu identifizieren und zutreffend beurteilen zu können.

Da auch die verschiedenen Technologievarianten der additiven Fertigung hinsichtlich ihrer Produktivität und technologischen Eigenschaften extreme Unterschiede aufweisen können, muss jeder einzelne „Fall“ speziell gegengerechnet werden. Unternehmen sollten wissen, ob sich Additive Manufacturing überhaupt rentiert und wenn ja, mit welchem Verfahren, unter welchen Randbedingungen, mit welchem Betreiber- und Geschäftsmodell sie welche Anwendungen abdecken sollten. Die richtige Entscheidung wird nur treffen können, wer produkt- bzw. funktionsspezifisch umdenkt, wer den aktuellen Status der AM-Technologien wirklich gut kennt und wer auch über die Fähigkeit verfügt, Anwendungen so detailliert zu analysieren, dass er die jeweils richtige Technologiezuordnung vornehmen kann.

Welche Rolle wird Additive Manufacturing aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren spielen?

Additive Manufacturing soll die konventionellen Fertigungsverfahren  nicht ersetzen, sondern ergänzen und dadurch völlig neue Abläufe der Prozesse ermöglichen. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Technologie einen zentralen Beitrag zum Thema Industrie 4.0 leistet. Vieles spricht dafür, dass AM-Technologien im weiteren Entwicklungsverlauf bei immer mehr Produkten und Teilefamilien wachsende Bedeutung erhalten werden. Neben der Herstellung von Teilen sollte die Prüfung auch das Rapid Manufacturing einschließen, also die additive Fertigung von Werkzeugen, Werkzeugeinsätzen, verlorenen Modellen etc., die anschließend für die konventionelle Produktion eingesetzt werden. Die große Herausforderung wird also darin bestehen, ein optimiertes, übergreifendes Gesamtkonzept von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum After Sales zu erarbeiten, das die Vorteile der Schichtbautechnologien nach unternehmensspezifischen Gegebenheiten optimal nutzt und ausspielt.

Ein Beitrag von:

  • Tom Frohn

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