Bioprinting-Verfahren erlaubt 3D-Druck mit lebenden Zellen
An der TU Wien wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem lebende Zellen in additiv gefertigte Teile eingebettet werden können. Neue Materialien und eine immense Druckgeschwindigkeit sollen helfen, die Ausbreitung von Krankheiten im Körper zu erforschen.
Mit einem 3D-Drucker lassen sich verschiedene Materialien verarbeiten. Die am häufigsten eingesetzten Filamente sind Kunststoffe, Metalle und Lebensmittel. Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) Wien haben nun ein neues 3D-Druckverfahren entwickelt. Mithilfe des Bioprintings werden lebende Zellen in die additiv gefertigten Teile eingebunden. Das Ganze funktioniert trotz einer hohen Auslösung extrem schnell und bringt viele neue Möglichkeiten mit sich.
Das neue Bioprinting-Verfahren der TU Wien
Indem man lebendige Zellen in ein besonders feines Gerüst einbettet, lässt sich besonders gut untersuchen und steuern, wie sich die einzelnen Zellen verhalten und auf welche Art und Weise neues Gewebe entsteht. Möglich wird das Ganze durch Bioprinting, einem speziellen, additiven 3D-Druckverfahren. Dabei müssen einige Herausforderungen bewältigt werden. Einige 3D-Druckverfahren sind überaus unpräzise und andere Verfahren erlauben nur ein enges Zeitfenster. Die lebendigen Zellen müssen aber unbedingt zeitnah verarbeitet werden, sonst nehmen sie einen großen Schaden. Eine weitere Herausforderung betrifft die verwendeten Materialien. Diese müssen nicht nur während des 3D-Bioprintings, sondern auch nach Abschluss des Prozesses zellfreundlich sein. Dies schränkt die Materialauswahl deutlich ein.
Wissenschaftler der Technischen Universität Wien haben einen hochauflösenden Bioprinting-Prozess entwickelt, der vollkommen neue Materialien verwendet. Im 3D-Drucker kommt eine besondere Biotinte zum Einsatz. Dank dieser werden die lebendigen Zellen bereits während der Herstellung in die mikrometergenaue, gedruckte 3D-Matrix eingebettet. Das ganze Verfahren läuft mit einer besonders hohen Druckgeschwindigkeit von 1 Meter pro Sekunde und ist somit gleich um ein Vielfaches schneller als herkömmliche Verfahren.
Bioprinting stellt besondere Herausforderungen an additive Fertigung
Laut Aleksandr Ovsianikov, dem Leiter der Forschungsgruppe „3D-Printing and Biofabrication“ an der Technischen Universität Wien, hängt das Verhalten einer lebendigen Zelle von ihren chemischen und mechanischen Eigenschaften und ihrer Umgebung ab. Die mikrometergenaue, gedruckte 3D-Matrix muss aus diesem Grund aus Strukturen bestehen, die für Nährstoffe vollkommen durchlässig sind. Nur in einer solchen Umgebung können die lebendigen Zellen dauerhaft überleben und sich zudem auch noch vermehren.
Eine besonders große Rolle spielen die Eigenschaften der Strukturen. Es macht einen großen Unterschied, ob die verwendeten Strukturen biegsam oder steif sind und ob sie über einen längeren Zeitraum stabil bleiben oder sich mit der Zeit abbauen. Werden zuerst die passenden Strukturen hergestellt und anschließend mit lebendigen Zellen besiedelt, können mehrere Probleme auftreten. Zum einen lassen sich die lebendigen Zellen nur schwerlich tief im Inneren dieser Strukturen unterbringen und zum anderen ist eine gleichmäßige Zellverteilung so gut wie nicht realisierbar.
Die Bioprinting-Technik ist im Vergleich dazu die wesentlich bessere Variante. Bei dieser neuen Technik erfolgt die Herstellung der 3D-Strukturen zur gleichen Zeit wie die Einbettung der lebendigen Zellen. Dank des technischen Fortschritts und der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten eines 3D-Druckers ist es in der heutigen Zeit problemlos möglich, mikroskopisch feine Objekte zu drucken. Dennoch sind lebendige Zellen etwas ganz anderes als die gängigen Filamente, die in einem 3D-Drucker verarbeitet werden können. In der Vergangenheit fehlten der Wissenschaft schlichtweg die passenden, chemischen Substanzen, um lebendige Zellen mit einem 3D-Drucker verarbeiten zu können. Es werden spezielle Gele oder Flüssigkeiten benötigt, die sofort erstarren, sobald sie mit einem fokussierten Laserstrahl in Berührung kommen. Diese besonderen Materialien dürfen für die lebendigen Zellen keinesfalls schädlich sein. Des Weiteren muss der gesamte Vorgang so schnell wie möglich ablaufen.
Zwei-Photonen-Polymerisation ermöglicht besonders hohe Auflösung
An der technischen Universität in Wien verwenden die Wissenschaftler bereits seit Jahren die Zwei-Photonen-Polymerisation. Bei dieser Methode kommt eine chemische Reaktion zum Einsatz, die nur dann funktioniert, wenn ein Molekül 2 Photonen von einem Laserstrahl zur gleichen Zeit absorbiert. Das Ganze funktioniert ausschließlich an der Stelle, an der der Laserstrahl besonders stark ist. Genau an dieser Stelle härtet die verwendete Substanz sofort aus. An allen anderen Stellen bleibt die Substanz weiterhin flüssig. Aus diesen Gründen eignet sich die Zwei-Photonen-Methode der TU Wien hervorragend, um feinste Strukturen mit einer besonders hohen Präzision herzustellen.
Doch aufgrund der extrem hohen Auflösung hat die Methode auch einen großen Nachteil: Sie ist in der Regel überaus langsam und besitzt Schreibgeschwindigkeiten von Mikrometern oder nur wenigen Millimetern in der Sekunde. Mit den zellfreundlichen Materialien schaffen die Wissenschaftler an der TU Wien nun einen ganzen Meter in der Sekunde und dies ist ein entscheidender Fortschritt. Denn nur wenn der gesamte Bioprinting-Prozess in wenigen Stunden abgeschlossen ist, besteht eine Chance, dass die lebendigen Zellen tatsächlich überleben und sich sogar noch weiter entwickeln.
Laut Ovsianikov lässt sich die Zellumgebung bei der neuen Methode auf viele Arten anpassen. Je nach Konstruktionsart der Struktur kann diese weicher oder steifer werden und es sind sogar kontinuierliche, weiche Übergänge möglich. Es lässt sich bereits im Voraus genau bestimmen, wie die spätere Struktur im Detail aussehen soll. Dadurch ist es möglich, dass die lebendigen Zellen kontinuierlich wachsen. Die Laser-Intensität lässt sich ebenfalls individuell einstellen, wodurch man direkt beeinflussen kann, wie leicht sich die verwendeten Strukturen mit der Zeit abbauen.
Sichtbare Fortschritte bei der Zellforschung
An dem interdisziplinären und internationalen Forschungsprojekt der TU Wien waren 3 Institute beteiligt:
- die Forschungsgruppe von Ovsianikov entwickelte die 3D-Drucktechnik
- vom „Institut für Angewandte Synthese-Chemie“ stammen die zellfreundlichen und schnell reagierenden Substanzen (Fotoinitiatoren)
- das „Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik“ analysierte die mechanischen Eigenschaften der additiv hergestellten Strukturen
Die Wissenschaftler der TU Wien sind überzeugt, dass die Bioprinting-Methode die Zellforschung weiter voranbringt. Mittels moderner 3D-Modelle lässt sich das Verhalten von lebendigen Zellen mit einer bis dato unerreichten Präzision untersuchen. Unter anderem können Wissenschaftler in Zukunft herausfinden, wie sich eine Krankheit im Detail im menschlichen Körper ausbreitet. Werden Stammzellen verwendet, ist es sogar möglich, eine Art maßgeschneidertes Gewerbe herzustellen. Das Unternehmen UPNano, ein junges und erfolgreiches Spin-off der TU Wien, vertreibt die neue, hochauflösende 3D-Drucktechnik samt allen nötigen Materialien.
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