3D-Drucker schafft echten Lebensraum für Meerestiere
In Häfen oder anderen küstennahen Gebieten kommen künstliche Dämme zum Einsatz. Zahlreiche Lebewesen kommen damit nicht zurecht – die Artenvielfalt sinkt. Eine internationale Forschergruppe hat mit speziell entworfenen Fliesen aus dem 3D-Drucker eine Alternative entwickelt. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
Kleine Lebewesen wie Schnecken oder Seepocken siedeln sich bevorzugt in Küstennähe an und am liebsten in kleinen Spalten und Nischen. Dort können sie sich vor Räubern verstecken, sind bei Ebbe vor der Sonne geschützt und finden bei Flut dort sicheren Halt. Naturbelassene Küsten bieten diesen Lebensraum. Sobald der Mensch allerdings künstlich in diesem Gezeitenlebensraum eingreift, ändern sich die Gegebenheiten für diese wirbellosen Tiere. Die meisten künstlich angelegten Uferdämme, Wellenbrecher, Deiche oder Hafenbecken bestehen aus flachen, kargen, vertikalen Betonflächen. Kanten, Winkel, Rillen, oder Ecken sucht man hier vergeblich. Das Ergebnis: Die Artenvielfalt und Anzahl kleinster Lebewesen gehen zurück.
Ein internationales Forschungsteam von Meeresökologen unter der Leitung von Kenneth Leung Mei-yee, Direktor des State Key Laboratory für Meeresverschmutzung an der City University of Hong Kong (CityU) und Professor für Umwelttoxikologie und Chemie am Department of Chemistry, entwickelte spezielle Spaltbetonfliesen aus dem 3D-Drucker. Ihre Merkmale: große Komplexität durch zahlreiche Ecken und Winkel. Die Hoffnung: Sie dienen als Mikrohabitate für Meeresorganismen. Allerdings brachten die Forscher nicht an jedem Standort dieselben Fliesen an, sondern setzten auf unterschiedliche physikalische Komplexitäten, zum Beispiel Spalten und Grate. An insgesamt 27 Standorten in 14 Häfen weltweit brachten die Forscher ihre Fliesen an Hafenmauern an. Dazu zählten unter anderem Hongkong, Sydney, San Francisco und London. Ein Jahr lang beobachteten sie, wie ihr geschaffener Ersatzlebensraum von den kleinen Lebewesen angenommen wurde.
Mehr Nischen – mehr Arten
Die ersten Ergebnisse haben auch die Wissenschaftler überrascht: Grundsätzlich hätten die Fliesen einen positiven Effekt auf die Vielfalt der wirbellosen Meeresbewohner. Allerdings beeinflusse Gezeitenhöhe und Breitengrad ebenfalls die Wirkung. So wiesen komplexe Lebensräume eine größere Vielfalt und Anzahl bei niedrigen bis mittleren Gezeitenhöhen auf. Das erklären sich die Forscher durch mehr Raubtiere. An tropischen oder subtropischen Standorten seien die Auswirkungen der Komplexität auf die Artenvielfalt größer. Schließlich böten solche Oberflächen besseren Schutz vor Hitze und Austrocknung. Damit könne es auch gelingen, im Sommer die Oberflächentemperatur zu senken. Herkömmliche Ufermauern verursachen eher höhere Temperaturen, diesem Trend ließe sich mit den Fliesen aus dem 3D-Drucker entgegenwirken.
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An den vertikalen Mauern in Sham Shui Kok auf der Insel Lantau und Lok On Pai in Tuen Mun, Hongkong, setzten die Forscher zusätzlich Muscheln ein. Sie befestigten die dort heimische Steinauster, Saccostrea cucullata, an den Fliesen. Der Hintergrund: Dadurch wollten die Wissenschaftler die Komplexität des Lebensraums natürlicher gestalten. Die Ergebnisse bestätigten die Annahmen. In den 2,5 oder 5 Zentimeter tiefen Spalten, die nützlichen Schatten boten, fanden sich teilweise doppelt so viele Arten wie auf den freiliegenden und flachen Abschnitten. Die Wissenschaftler ermittelten eine Zunahme von Meeresspezies von 19 bis 51%. Beeindruckender ist die Zahl, welche die Fülle von Organismen beschreibt: Hier stellten die Forscher eine Zunahme von 59 bis 416% fest. Die Austern unterstützen das Wachstum neuer Muscheln. Das bietet im nächsten Schritt den Raubtieren Nahrung. Und am Ende fördere dieses Zusammenspiel ein gesundes Ökosystem.
Mit Öko-Engineering neue Lebensräume schaffen
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich, dass wir die biologische Vielfalt der Meere an Ufermauern effektiv verbessern können, indem wir die Komplexität der Lebensräume durch Öko-Engineering erhöhen. Diese Technologie kann auf alle vorhandenen Uferdämmen in Hongkong angewendet werden“, sagt Lung.
Öko-Engineering könne dazu beitragen, die negativen Auswirkungen künstlicher Mauern zu mildern, denen die Komplexität des Lebensraums fehlt und Hitze und Austrocknung zum Problem werden.
Die Studie ist im Rahmen des World Harbour Projects“ (WHP) initiiert durch das Sydney Institute of Marine Science entstanden. Dieses globale Forschungsprogramm besteht aus einem Netzwerk von 36 Partnerstädten auf sechs Kontinenten. Das gemeinsame Ziel: die Nachhaltigkeit städtischer Häfen zu verbessern. Zum Vorzeigeprojekt des WHP gehört das „Green Engineering“. Es zielt darauf ab, die biologische Vielfalt künstlicher Strukturen zu verbessern.
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