3D-Druck 11.04.2019, 07:00 Uhr

Forscher entwickeln „softe“ Pflegeroboter

Forscher haben per CAD und 3D-Druck flexible Bauteile für Pflegeroboter entwickelt. Bislang waren die Oberflächen technischer Assistenten zu hart, um mit Patienten physisch in Kontakt zu treten.

3D-Druck einer Hand

Am Beispiel einer Hand zeigen Forscher, wie sich ausgehend vom biologischen Modell per 3D-Druck Gliedmaßen für softe Roboter Herstellen lassen.

Foto: Ramses Martinez

Der demographische Wandel stellt viele Industrieländer vor Herausforderungen. Laut Simulationen des Statistischen Bundesamts (DESTATIS) für Deutschland wird die Zahl an Menschen ab 67 Jahren bis 2040 auf mindestens 21,5 Millionen steigen. Das sind plus 6,3 Millionen oder plus 42 %, gemessen am Jahr 2013.

Mehr ältere Menschen benötigen auch mehr Pflege, doch Fachkräfte sind rar. Der Bundesregierung zufolge sind derzeit rund 25.000 Stellen vakant. Japan experimentiert seit Jahren mit Pflegerobotern. Sie überwachen Patienten, um etwa einen Sturz zu melden, oder beantworten einfache Fragen. Weitere Schwerpunkte liegen im Bereich der Unterhaltung oder im Training leicht dementer Patienten. Aufgrund der harten äußeren Oberfläche von Robotern beschränkt sich ihr Einsatz auf soziale Interaktionen. Physische Kontakte gelten aufgrund des Verletzungsrisikos als zu gefährlich. Forscher der Purdue University in West Lafayette zeigen einen Weg aus dem Dilemma.

Mit Algorithmen vom Design zur Funktion

Sie fanden heraus, wie es gelingt, bewegliche, leicht verformbare Teile zu entwickeln. Vorbild ist die menschliche Anatomie. Beim Greifen oder Gehen seien unsere Gliedmaßen optimal, so die Forscher. Im ersten Schritt entwarfen sie per Computer ihren Humanoiden. Anschließend gaben sie an, in welche Richtungen sich die verschiedenen Gelenke ihres Soft-Roboters bewegen sollen. Ein schneller Computeralgorithmus benötigte wenige Sekunden, um das CAD-Modell weiter zu optimieren.

Über mathematische Verfahren wurden dabei physisch dichte Strukturen, etwa eine Hand, weiter optimiert. Hier entstanden Strukturen mit geringer Dichte, aber mit definierten Verformungseigenschaften. Sie verändern sich bei Krafteinwirkung in einem großen Bereich und bilden Kontraktionen, Drehungen, Biegungen oder zyklische Bewegungen ab. Um komplexe Bewegungen wie das Greifen mit mehreren Fingern oder die Fortbewegung auf allen Vieren zu ermöglichen, wurden einzelne Stellen mit weiterem Material verstärkt. Nach allen Vorbereitungen am Computer schrieb eine Software die Druckdatei. Jeder stereolithographische 3D-Drucker kann jetzt die benötigten Strukturen mit flexiblen Photopolymeren aufbauen. Als große Vorteile sehen Forscher das einfache Design und die Möglichkeit, rasch Prototypen herzustellen.

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Neue Einsatzmöglichkeiten für Pflegeroboter

Derartige Soft-Maschinen bewegen sich wie Menschen. Sie greifen Gegenstände mit dosierter Kraft oder tasten sich auf unebenen Böden mit Hindernissen langsam vor. Im Unterschied zu unserem Körper arbeiten sie nicht mit Muskeln, sondern mit miniaturisierte Motoren im Inneren. Nylonfäden steuern künstliche Gliedmaßen. Ihr Bewegungsprofil entspricht nicht nur dem menschlichen Vorbild. Denn die „Hände“ oder „Füße“ sind so konzipiert, dass sie sich auf mehr als 900 Prozent ihrer ursprünglichen Länge quetschen oder dehnen lassen. Alle Strukturen haben die nötige Steifigkeit, um ihre ursprüngliche Form auch nach ultrahoher Kompression beziehungsweise Dehnung wieder einzunehmen.

Durch softe Materialien sind neue Bewegungsmuster möglich, die Humanoide in der Pflege bislang vor Probleme gestellt haben. Bei Soft-Robotern passen sich die „Hände“ und „Füße“ dem Untergrund an, um beispielsweise unter das Bett zu kriechen und einen Gegenstand aufzuheben. Hilfe bei Stürzen wäre ebenfalls denkbar, ohne Patienten durch viel Kraft zu verletzten. Die Forscher können sich auch vorstellen, ihre Assistenten bei medizinischen Notfällen in häuslicher Umgebung einzusetzen, bis Ärzte eintreffen.

Testläufe unter kontrollierten Bedingungen geplant

Wie geht es weiter? Ingenieure der Purdue University sehen in ihrer Technologie perspektivisch keinen Ersatz für Menschen. Sie denken eher an die Entlastung von Pflegefachkräften bei Routinetätigkeiten. Außerdem könnten Patienten mit niedriger Pflegestufe länger in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Und je mehr die künstliche Intelligenz voranschreitet, desto mehr Aufgaben sind vorstellbar – von Meldungen medizinischer Notfälle über die Unterstützung im Haushalt bis hin zur Arzneimitteltherapie.

Die Möglichkeiten sind mit weiteren technischen Herausforderungen verbunden. Bevor autonome Pflegeroboter zum Einsatz kommen, müssen Entwickler alle Funktionen unter kontrollierten Bedingungen testen: Eignen sich flexible Gliedmaßen auch, um stark übergewichtige Patienten zu lagern? Und werden kritische Situationen immer korrekt erkannt? Auch diese Aspekte erscheinen angesichts der raschen Weiterentwicklung von Pflegerobotern lösbar zu sein.

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Ein Beitrag von:

  • Michael van den Heuvel

    Michael van den Heuvel hat Chemie studiert. Unter anderem arbeitet er für Medscape, DocCheck, für die Universität München und für pharmazeutische Fachmagazine. Seit 2017 ist er selbstständiger Journalist und Gesellschafter von Content Qualitäten. Seine Themen: Chemie/physikalische Chemie, Energie, Umwelt, KI, Medizin/Medizintechnik.

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