Können wir unsere Medikamente bald selbst ausdrucken?
Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und die TH Köln arbeiten gemeinsam an einem Projekt, pharmazeutische Produkte aus dem 3D-Drucker herzustellen. Im Fokus stehen Arzneimittel für individualisierte Kleinst- und Kleinchargen. Können wir bald also unsere Medikamente selbst herstellen?
Tabletten in kleinen Mengen sind für den einzelnen Patienten nützlich, für die Pharmaindustrie ist die Herstellung wenig effektiv. Medikamente, die individuell auf die Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind, haben meist eine erhöhte Wirksamkeit und dafür geringere Nebenwirkungen. Um neue Methoden zu finden, kleine Mengen an Arznei zu produzieren, arbeiten die TH Köln und die Heinrich-Heine-Universität gemeinsam an einem Projekt. Pillen und weitere Arzneistoffe sollen mithilfe eines 3D-Druckers erstellt werden.
So entstehen Medikamente in der additiven Fertigung
Ein pharmazeutischer Schmelzextruder bildet die Basis des Projektes. Die Schmelzextrusion ist ein weit verbreitetes Verfahren zur Herstellung von festen Dispersionen. Darunter versteht man ein heterogenes Gemisch aus mindestens zwei Stoffen. Die Forscher vermischen die Ausgangssubstanzen für die Medikamente und schmelzen diese auf. Das Drucksystem stellt Darreichungsformen wie zum Beispiel Tabletten her. Im Anschluss werden pharmazeutische Wirkstoffe unter anderem mit bioresorbierbaren Polymeren – sprich Kunststoffen, die der Körper wieder abbauen kann – verarbeitet und aufgeschmolzen.
Die Projektbeteiligten arbeiten daran, ein Gemisch herzustellen, das den Qualitätsstandards der Arzneimittelherstellung entspricht und somit jederzeit auf den Markt gelangen kann. Vor allem die Produktion von Arzneien mit geringer Wirkstoffdosierung sei eine Herausforderung, gibt Julian Quodbach vom Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU an.
Bei der TH Köln wird währenddessen das Drucksystem entwickelt. Dieses schließt unmittelbar an den Extrusionsprozess an und soll circa 100 Tabletten pro Stunde drucken. Auf Dauer soll die additive Fertigung so weit sein, dass gleichmäßige und qualitativ hochwertige Tabletten hergestellt werden. Das Drucksystem arbeitet diskontinuierlich und muss prozessbedingt kurze Pausen einlegen. Nur so können Pillen, Tabletten und Co. materialfreundlich und ohne durch Stränge verbunden zu sein, aus dem Drucker kommen.
Polymere müssen nur einmal aufgeschmolzen werden
Der klassische 3D-Druck verarbeitet die Polymer-Wirkstoffmasse nach dem Verlassen des Extruders zu langen Kunststoffsträngen, den sogenannten Filamenten. Diese schmelzen in einem 3D-Drucker ein zweites Mal auf. Dieser Schritt entfällt bei den Forschern aus Köln und Düsseldorf. Da die Wissenschaftler den Druckkopf direkt hinter dem Extruder platzieren, sparen sie das Zwischenprodukt und somit den zweiten Schmelzvorgang. Die Polymere werden nur einmal aufgeschmolzen. Besonders hitzeempfindliche Wirkstoffe profitieren von dieser Methode, erklärt Tilmann Spitz von der TH Köln.
Von der neuen Technologie erhoffen sich die Wissenschaftler, dass auch Wachse und Lipide verarbeitet werden können. Eine größere Bandbreite an Polymer-Wirkstoffkombinationen würde so durch den 3D-Drucker gejagt. Zahlreiche Polymeren helfen dabei, schwer lösliche Wirkstoffe besser in den Körper aufzunehmen. Wachse und Lipide lassen sich aktuell nicht zu 3D-druckbaren Filamenten verarbeiten.
Das Projekt läuft unter dem Namen „HME 3D – 3D-Druck pharmazeutischer Darreichungsformen mittels Schmelzextrusion“ und wird über das Programm „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ (IGF) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) von Juni 2019 bis November 2021 gefördert. Das Ministerium unterstützt die Grundlagenforschung mit Fokus auf industrielle oder kommerzielle Anwendungsbereiche.
Schritt für Schritt haben sich 3D-Drucker zu wahren Alleskönnern entwickelt: Vor 5 Jahren kam in den USA weltweit das erste Medikament auf den Markt, das vollständig in 3D gedruckt wurde. Es handelt sich um eine Pille gegen Epilepsie. Wir berichten hier über das Projekt.
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