Aufwändige Fassadensanierung von Schloss Neuschwanstein abgeschlossen
Nach 13 Jahren erstrahlt das bayerische Märchenschloss Neuschwanstein wieder im alten Glanz. Die Gerüste sind weg, die für so lange Zeit den Blick auf das Wahrzeichen des Freistaates trübten. Doch die Arbeiten waren notwendig, die Festigkeit der Kalksandstein-Fassade war durch eindringendes Wasser schon stark beeinträchtigt.
Er hätte wahrlich seine helle Freude gehabt an dem Anblick seines Märchenschlosses, kommt Neuschwanstein doch jetzt wieder dem sehr nahe, was König Ludwig II. da im Sommer 1868 zu bauen begann. „Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen und muss Ihnen gestehen, dass ich mich sehr darauf freue, dort einst (in 3 Jahren) zu hausen“, schrieb Ludwig im Mai 1868 an den von ihm sehr verehrten Richard Wagner.
In den Grundstein kamen Bauplan, Portrait und Geldmünzen
Die Grundsteinlegung zur „Neuen Burg“ war dann am 5. September 1869. In den Grundstein wurden in der Tradition Ludwigs I. der Bauplan, ein Portrait des Bauherrn und Geldmünzen aus seiner Regierungszeit eingelegt. Bis zu 8 Meter anstehendes Gestein musste abgetragen werden, um Platz für die Fundamente zu schaffen. Beim Bau bediente man sich der modernsten Mittel, bei der Technik ebenso wie bei den Materialien. Die Fundamente wurden zementiert, das Mauerwerk besteht aus Ziegeln und wurde mit hellem Kalkstein nur verkleidet.
Als Erstes wurde 1873 der Torbau fertiggestellt, in dem der König jahrelang wohnte. Der nachträglich von Ludwig II. gewünschte große Thronsaal erforderte aus Gründen der Statik moderne Technik und wurde als ummantelte Eisenkonstruktion ausgeführt. Am 29. Januar 1880 war dann endlich Richtfest für den Palas, der 1884 bezogen werden konnte. Beim Bau dieses Schlosses bediente man sich modernster technischer Mittel. So wurden die Lastkräne mit Dampfmaschinen betrieben. Die technische und künstlerische Ausstattung war erst Mitte 1884 bis auf Einzelheiten abgeschlossen.
Hinter der altertümlichen Fassade verbarg sich modernste Technik
Das Mittelalter war in Schloss Neuschwanstein nur eine Illusion: Hinter dem altertümlichen Aussehen verbirgt sich modernste Technik der damaligen Zeit und höchster Komfort. So wurden die Räume des Palas – des königlichen Wohnbaus – über eine Heißluft-Zentralheizung erwärmt. Alle Stockwerke verfügten schon vor 130 Jahren über fließendes Wasser, in der Küche stand sogar fließend kaltes und wahlweise heißes Wasser zur Verfügung. Die Toiletten besaßen automatische Spülungen.
Neuschwanstein war sogar schon damals elektrifiziert: Der König rief seine Diener und Adjutanten über eine elektrische Rufanlage zu sich. Im dritten und im vierten Obergeschoss gab es sogar schon Telefonanschlüsse. Und damit sich niemand den Rücken verhob, stand für die Speisen ein Aufzug bereit.
Das raue, alpine Klima hat allerdings mit seinen starken Temperaturschwankungen über Jahrzehnte die Substanz des Schlosses angegriffen. Schäden an den Mörtelverfugungen gefährdeten die Statik der Kalksteinfassaden. So konnte in den sich zersetzenden Mörtel der Fugen zwischen den Kalksteinquadern Wasser eindringen. Frostschäden drohten die Festigkeit der Fassade zu beeinträchtigen.
Aber auch die Besuchermassen sorgen für Schäden am Schloss. Zur Sommerzeit drängeln sich im Durchschnitt mehr als 6000 Besucher am Tag durch die königlichen Gemäuer, das sind 1,4 Millionen Menschen im Jahr. Und diese hohen Besucherzahlen führen zu einer permanenten Belastung für die wertvollen Möbel und Textilien.
13 Jahre Sanierung in fünf Phasen
Im Jahrtausendwechseljahr war Startschuss für ein Sanierungsprojekt, das an alle Beteiligten große Anforderungen stellte. Es galt, in fünf Bauabschnitten die Fassaden zu erneuern. Der erste Sanierungsabschnitt waren die Innenhof-Fassaden, der zweite Abschnitt des Mammutprojektes waren die Außenfassaden von Viereckturm und Ritterbau.
2008 folgten dann die Sanierungsarbeiten an den Südfassaden von Palasbau und Kemenante, sowie die daran anschließende Sanierung von West- und Nordfassade. Die Einrüstungen der Fassaden erfolgte phasenweise, damit jeweils immer eine Hauptansicht für die Besucher des Schlosses freiblieb. Teilweise sah Ludwigs Märchenschloss allerdings aus, als wäre der Verpackungskünstler Christo zu Besuch gewesen.
Das thüringische Unternehmen Bau- und Spezialgerüstbau (BSB) war für die Aufstellung der spektakulären Gerüstkonstruktionen an der Nord- und Westfassade zuständig. Beauftragt vom Staatlichen Bauamt Kempten löste das versierte Unternehmen mit inzwischen 70 Mitarbeitern die Herausforderung, auf einem Hügel mit steil abfallenden Hängen, ein Gerüst sicher zu fundamentieren.
Aufstandsfläche mit Gründungen aus Beton und Spezialankern
Die Lösung von BSB kann als gerüstbautechnische Pioniertat verstanden werden. Sie schafften am steilen Hügel eine Aufstandsfläche aus Gerüstmaterialien und speziellen Gründungen aus Beton und Spezialankern. Und dann musste eine ziemliche Menge an Gerüstmaterialien rangeschafft werden. Denn durch die exponierte Lage des Schlosses mussten teilweise doppelte oder gar dreifache Gerüstscheiben aufgestellt werden. Insgesamt betrug die von BSB einzurüstende Fassadenfläche rund 4400 Quadratmeter. Dafür waren rund 7000 Quadratmeter Gerüs notwendig.
Insgesamt wurden gut 14.000 Quadratmeter – in fünf Phasen – eingerüstet. Und das waren oft keine kleinen Gerüste, wie man sie so von der Hausrenovierung gewöhnt ist. Zum Teil ragten die Stahlgerüste bis zu 75 Meter hoch in diesem schwierigen Gelände.
Schmaler Weg von knapp zwei Meter
Und diese Massen an Gerüstmaterialien mussten erst einmal unfallfrei zur Baustelle transportiert werden. Ein nicht unerhebliches Problem dabei war die Beschaffenheit des einzigen Zugangs: Ein weniger als zwei Meter „breiter“ Weg, der nur einer Belastung von wenigen Tonnen standhält. Bis knapp 800 Meter unterhalb des Schlosses konnte das Gerüstmaterial auf konventionellen Weg angeliefert werden. Dann galt es umzuladen: Die Gerüstmaterialien wurden auf Kleintransporter und Flurförderzeugen geladen und zur Baustelle gebracht.
Nach 13 eingerüsteten Jahren erstrahlt das Schloss Neuschwanstein wieder im alten Glanz. „Schloss Neuschwanstein ist Fingerabdruck bayerischer Geschichte und millionenfach fotografierter Besuchermagnet, den es zu erhalten gilt. Nun erscheint Bayerns Wahrzeichen im neuen Gewand“, sagte Finanzstaatssekretär Franz Pschierer zum Abschluss der Sanierung. Allein in die Instandsetzung der Fassaden hat Bayern mehr als fünf Millionen Euro investiert.
Dafür sind jetzt alle Kalkstein-Fassaden saniert. Bis auf den Torbau, in dem der irre Märchenkönig jahrelang residierte, denn der ist nicht aus Kalkstein. Der irre König, der sein fertiges Märchenschloss nicht mehr sehen konnte, hatte doch im Mai 1868 eine klare Vision seiner Burg: „In jeder Beziehung schöner und wohnlicher wird diese Burg werden als das untere Hohenschwangau, das jährlich durch die Prosa meiner Mutter entweiht wird; sie werden sich rächen, die entweihten Götter, und oben weilen bei Uns auf steiler Höh, umweht von Himmelsluft.“
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