Berlin feiert Richtfest für das Humboldt-Forum
Heute ist Richtfest für das Humboldt-Forum: In Berlins Mitte entsteht im restaurierten Berliner Stadtschloss ein Kunst- und Kulturzentrum, welches seinesgleichen sucht. Es hat den Anspruch, die ganze Geschichte der Menschheit zu erforschen und zu erzählen.
Am Anfang der Prachtstraße Unter den Linden – zwischen Alexanderplatz, Dom, Museumsinsel und Staatsoper – entsteht derzeit die Rekonstruktion des barocken Berliner Stadtschlosses. Diese Rekonstruktion ist ein kompletter Neubau, allerdings mit einer historischen Fassade. Drei Seiten des Berliner Stadtschlosses werden originalgetreu nachgebildet, eine Seite wird modern gestaltet. Das gleiche gilt für den Schlüterhof im Innern, benannt nach dem ursprünglichen Schlossarchitekten Andreas Schlüter.
Dabei gilt eine besondere Regel, um diese aufwändig rekonstruierten historischen Fassaden öffentlich zu rechtfertigen. Alle barocken Elemente werden durch Spenden finanziert. Dabei handelt es sich um ein Fünftel der kalkulierten Bausumme. Alles andere finanzieren die Steuerzahler. Insgesamt wird das Humboldt-Forum nach heutigen Schätzungen knapp 600 Millionen Euro verschlingen.
Erfreut stellt die Bundesbauministerin Barbara Hendricks fest: „Mit dem fertig gestellten Rohbau ist eine der wichtigsten Etappen zum Bau des Humboldt-Forums in der Kubatur des ehemaligen Berliner Schlosses erreicht. Die schiere Dimension dieses Baukörpers verändert schon jetzt unsere Sehgewohnheiten von der Mitte Berlins und bringt die städtebauliche Situation wieder ins Gleichgewicht. Was mich besonders freut: der Bau liegt im Kosten- und Terminplan.“
Größtes Barockbauwerk nördlich der Alpen
Damit war nicht unbedingt zu rechnen, denn die Geschichte des Humboldt-Forums ist auch eine wechselvolle Geschichte um einen Streit darüber, wie die Hauptstadt mit diesem zentralen Ort in der Mitte Berlins umgehen soll. Der Grundstein für das Berliner Stadtschloss wurde bereits 1443 gelegt, seine endgültige, jetzt rekonstruierte Gestalt erhielt die Residenz ab 1701. Der Baumeister Andreas Schlüter gestaltete die üppigen Schlossfassaden nach italienischem Vorbild. So galt das Berliner Stadtschloss als das größte Barockbauwerk nördlich der Alpen. Es hatte 1210 Räume.
Im Zweiten Weltkrieg brannte das Schloss bei einem schweren Luftangriff aus, nahezu alle Prunkräume im Nord- und Südflügel fielen den Flammen zum Opfer. Der erhaltene Rest gammelte nach dem Krieg vor sich hin, bis der neue Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Walter Ulbricht, 1950 das barocke Schloss kurzerhand sprengen ließ.
Auf dem freien Areal ließ sein Nachfolger Erich Honecker in den 1970er-Jahren den Palast der Republik errichten, der wegen seiner imposanten Ansammlung von Beleuchtungskörpern im Foyer im Volksmund nur mit Erichs Lampenladen verspottet wurde. 1990 wurde Erichs Lampenladen wegen Asbestbelastung geschlossen und es entstand eine ziemlich große Debatte um die Neugestaltung der historischen Mitte Berlins.
Emsige Befürworter des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschloss wussten 1993 mit einer geschickten PR-Aktion die Diskussion in ihrem Sinne zu beeinflussen. Vor dem geschlossenen Palast der Republik hängten sie für 100 Tage eine Schlossattrappe auf, um den Berlinern die beispiellose Wirkung und Ästhetik der barocken Fassade aufzuzeigen. Sie setzten sich damit durch: 2002 votierte der Deutsche Bundestag für einen Neubau des Schlosses. In einem Internationalen Realisierungswettbewerb im Jahr 2007 ging der italienische Architekt Franco Stella als Sieger hervor.
Heute vor genau zwei Jahren legte Bundespräsident Joachim Gauck den Grundstein für den Neubau. Auf diesem Grundstein sind die beiden Zahlen 1443 und 2013 eingraviert. Sie markieren das Datum für die Grundsteinlegung des einstigen historische Schlosses und das Datum des Wiederaufbaus.
Nun ist also das Richtfest. „Betagt und modern in seiner Form steht es nun da das Humboldt-Forum. Ein Zeugnis kühner Konstruktionen, der Baukunst unserer Generationen. Ich leer das Glas drauf bis zum Grunde, geweiht sei dieser Bau zur Stunde! Nun soll das Glas am Grund zerspringen und diesem Schloss den Segen bringen“, sagte Harald Eberhard von der Hochtief Building am 12. Juni 2015 beim Richtfest in der Mitte Berlins.
Eröffnung ist für 2019 geplant
Im Jahr 2018 soll das imposante Gebäude fertiggestellt sein, eröffnen soll es 2019. Dann wird auch das internationale Kunst- und Kulturzentrum seine Pforten öffnen. Hierzu werden die Sammlungen der außereuropäischen Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus dem Museumszentrum Dahlem in das Schloss verlegt. In der Kombination mit den beträchtlichen Beständen an europäischer Kunst auf der in Wurfweite liegenden Museumsinsel soll das Humboldt-Forum ein barockes Haus der Weltkultur werden.
„In der Mitte unserer Stadt schließt sich mit dem Humboldt-Forum eine Lücke“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. „Die Museumsinsel erhält wieder ein Gegenüber. Im Herzen der deutschen Hauptstadt entsteht dabei etwas völlig Neues. Ein Ort, der die Kulturen der Welt zu Begegnung und Dialog einlädt.“
Einen ersten Geschmack der neuen Begegnungskultur dürfen die Besucher heute Abend im Rohbau erleben. Inmitten der staubigen Riesenbaustelle gibt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin als ältester Rundfunk-Klangkörper Deutschlands mit seinen 103 Mitgliedern unter der Leitung von Marek Janowski eine Ahnung seiner Klasse. Das ausverkaufte Konzert beginnt um 19.30 Uhr und wird live auf Deutschlandradio Kultur übertragen.
Neil MacGregor ist Gründungsintendant des Humboldt-Forums
Kulturstaatssekretärin Monika Grütters gelang im April 2015 der Coup, mit Neil MacGregor, dem Direktor des British Museum in London, einen der weltweit renommiertesten Museumsleute ans Humboldt-Forum zu holen: „Für dieses Jahrhundertprojekt konnten wir Neil MacGregor – einen Weltstar der Museumsszene gewinnen – der sein universales Wissen zur Verfügung stellt, um unser ambitioniertestes Kulturvorhaben Gestalt werden zu lassen. Im engen Austausch mit allen Akteuren im Humboldt-Forum sollen damit die Ausrichtung und das Zusammenspiel der Sammlungen und Ideen gebündelt und im Sinne der Humboldt-Idee vorangebracht werden.“
Ende 2015 wird MacGregor seinen Stuhl am British Museum räumen und als Gründungsintendant des Humboldt-Forums in Berlin antreten. „Es gibt ja in der ganzen Welt vielleicht nur fünf Sammlungen, wo man die ganze Geschichte der Menschheit erforschen und erzählen kann: Petersburg, New York, Paris, London und Berlin“, sagt Neil MacGregor, der die kuratorische Gesamtverantwortung für das Humboldt-Forum von Monika Grütters übertragen bekommen hat. „Aber: Nur in Berlin, und nur im Schloss, im Humboldt-Forum gibt es jetzt die Gelegenheit, diese Geschichte neu zu erzählen. Und neu zu erforschen. Hier sollen die Objekte, die aus aller Welt kommen, einer Besuchergruppe, die aus aller Welt stammt, ausgestellt werden.“
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