Expertin Schock-Werner über Feuer in Kathedrale 21.07.2020, 11:52 Uhr

Ex-Dombaumeisterin über Brand in Nantes: „Prüfingenieure schütteln Brandschutz nicht aus dem Ärmel“

Notre Dame, Nantes, Duisburg: Was diese drei Städte Trauriges gemeinsam haben. Ex-Dombaumeisterin Schock-Werner spricht über ein wichtiges Thema in der Denkmalpflege.

Architektonisches Detail der Kathedrale Saint Pierre in Nantes Frankreich

Die Kathedrale von Nantes vor dem Feuer.

Foto: panthermedia.net/ Pierre-Olivier

Der Brand in der Kathedrale von Nantes ist zwar nicht mit dem von Notre Dame vergleichbar, dennoch stehen dem Gebäude in Frankreich jahrelange Arbeiten bevor, so die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Brandschutz in Kirchengebäuden ist ein komplexes Thema. Warum auch Prüfingenieure das Wissen nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln und warum die Orgel in Nantes unwiederbringlich verloren ist, haben wir mit der früheren Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner besprochen.

INGENIEUR.de: In der Kathedrale von Nantes ist am 18. Juli ein Feuer ausgebrochen. Dabei ist die große Orgel zerstört worden. Stichwort Notre Dame: Wurde der Brandschutz in Saint-Pierre-et-Saint-Paul aufgerüstet?

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Schock-Werner: Also bis ein Brandschutz installiert wird dauert es. Außerdem ist das vor allem in Kirchengebäuden schwierig, weil die konventionellen Brandmelder bei jedem Gottesdienst mit Weihrauch losgehen würden. Ein Problem ist sicher, dass die meisten Kirchen in Deutschland und auch in Frankreich andere Überwachungsanlagen noch nicht haben. Ich fordere schon seit einiger Zeit das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz auf, einen Kongress zu veranstalten, auf dem moderne Brandschutzsysteme präsentiert werden. Diese Erfahrungen können dann an die Verantwortlichen für Kultbauten weitergegeben werden. Damit meine ich nicht nur Kirchen, sondern auch Theater. Das ist eine Extrawissenschaft für sich – auch, wenn ich mich zum Beispiel sehr gut mit Dombauten auskenne. Der Brandschutz in solch komplexen Bauten ist da nochmal ein ganz anderes Thema. Die normale Feuerwehr ist hier auch nicht so vertraut. Wissen und Technik in diesem Bereich sollte in Zukunft besser weitergegeben werden.

Haben Sie hier noch ein anderes Beispiel, außerhalb der Dombauten?

Ja, durch einen Kurzschluss im System ist in der Duisburger Oper die Berieselungsanlage losgegangen und 80.000 Liter Wasser im Gebäude haben einen Riesenschaden hervorgerufen. Das sind alles Dinge, die nicht passieren dürfen.

Absolut. Glauben Sie denn, das liegt auch daran, dass die Notwendigkeit einer Aufrüstung von Brandschutz bei den Entscheidern nicht gesehen wird, obwohl es schon einige tragische Fälle gab?

Nicht unbedingt, zum einen dauert es einfach, bis solche modernen Systeme installiert sind und zum anderen kostet das auch was. Eine moderne Brandschutzanlage ist einfach teuer. Die Verantwortlichen für Kultur- und Kirchenbauten müssten auch die Geldgeber dazu bewegen, das Geld sinnvoll zu investieren. Wenn man sich jetzt mal Notre Dame oder auch Nantes ansieht, sind bessere Brandschutzanlagen aber sicher auf lange Sicht günstiger als die Schäden zu beheben.

Prüfingenieure kommen in Nantes zum Einsatz und begannen nach dem Brand von Notre Dame auch ihre Arbeit. Was muss ein Prüfingenieur in solchen Fällen beachten?

Das ist eine komplizierte Mischung, vor allem, wenn man Kirchenbauten betrachtet. Kerzen, offenes Licht im Inneren, Weihrauch und so weiter treffen auf große Räume. Das erfordert einfach Spezialwissen. Auch ein Prüfingenieur schüttelt das nicht einfach so aus dem Ärmel.

Die große Orgel wurde durch das Feuer in der Kathedrale von Nantes zerstört. Gibt es hier überhaupt noch einen Ansatz zu restaurieren? 

So wie die Bilder aus Nantes sind, kann an dieser Orgel nichts mehr restauriert werden. Sie müsste neu gebaut werden. Obwohl die Orgel in Notre Dame sehr viel besser weg gekommen ist, weist sie ein enormes Bleistaubproblem auf. Diese kann aber restauriert werden, auch wenn es sehr aufwändig ist. Ich war ja nicht vor Ort in Nantes, aber wenn man die Bilder vom Innenraum sieht, dann kann leider nichts von der Orgel gerettet werden.

Und wie lange dauert das jetzt, eine Orgel originaltreu nachzubauen?

Orgelbau ist kompliziert. Es handelt sich ja um mehrere Tausend Pfeifen, in der Regel sehen Betrachter nur die ganz Großen, aber es gibt auch ganz kleine Pfeifen an einer Kirchenorgel. Also der Neubau dauert sicher mindestens drei Jahre. Von der Planung bis zur Einweihung dauert es und es muss ja auch erstmal jemand gefunden werden, der hier das richtige Konzept zum Orgelbau hat. Der Klang müsste neu festgelegt werden, aber natürlich kann an dieser Stelle eine neue Orgel entstehen.

Ein lokaler Bezug zu Köln: Wie gut ist denn der Brandschutz im Kölner Dom?

Also wir haben auch keine Brandmelder im Innenraum, aber es bestehen welche in der Turmbesteigung, sozusagen dort, wo auch die Besucherfrequenz sehr hoch ist. Aber das ganze Gebäude ist mit kleinen Handfeuerlöschern und großen fahrbaren Feuerlöschern ausgestattet. Noch in meiner Amtszeit hat einmal ein gestörter Mann aus Irland mit einem selbstgebauten Molotowcocktail die Kommunionsbank anzünden wollen. Da kam aber sofort jemand mit einem fahrbaren Feuerlöscher und hat es wieder gelöscht. Außerdem ist das ganze Gebäude mit Leerrohren versorgt, sodass die Feuerwehr überall Schläuche zur Wasserversorgung anschließen kann. Das war zum Beispiel bei Notre Dame nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die Kölner Feuerwehr regelmäßige Übungen abhält. So ein Dom ist ja wie ein dreidimensionaler Irrgarten und die Vorstellung, dass ein Feuerwehrmann beim Löschen plötzlich nicht mehr weiß, wo genau er sich im Dom befindet, ist sehr gefährlich. Daher übt die Feuerwehr das. Sowohl an Leitern von Außen, als auch von Innen in den Gängen. Das ist sehr wichtig, dass sich die örtliche Feuerwehr sehr gut mit dem Bau auskennt und nicht im Falle eines Feuers zum ersten Mal den Dom betritt.

In Notre Dame gab es ja auch einen Löschroboter…

Genau, in Notre Dame gab es einen Löschroboter, der in den Innenraum gefahren ist. Also als die Gewölbe schon eingestürzt waren und niemand mehr rein konnte. Ich gehe davon aus, dass die Kölner Feuerwehr auch über so etwas verfügt.

Apropos Notre Dame: Sie koordinieren die deutsche Hilfe für den Wiederaufbau Notre Dame. 

So ist es, ich koordiniere die Angebote der deutschen Hilfe und gehöre der Wiederherstellung von Notre Dame somit an.

Was kommen denn da so für Angebote rein? Durch Corona hakte der Wiederaufbau ja auch.

Die Baustelle war für etliche Wochen stillgelegt. Das Problem ist weiterhin das Gerüst, welches vor der Restaurierung angebracht wurde. An dieser Stelle ist der Brand ja auch ausgebrochen. Das ist in sich völlig verschweißt und verbogen. Daher muss es immer noch sehr sorgfältig abgebaut werden. Es liegt auf dem Gewölbejochen und  Paris möchte verhindern, dass dieser Bereich auch noch einstürzt. Weiterhin ist der Bleistaub ein Problem, denn die Arbeiter dürfen nur in Schutzkleidung rein. Durch den Brand ist der Bleistaub frei geworden. Die eigentliche Restaurierung hat in Notre Dame immer noch nicht begonnen. Wir haben angeboten, dass das aus Deutschland stammende Geld für die Restaurierung der Obergarten Fenster verwendet wird. Diese sind alle aus statischen Gründen ausgebaut. Es handelt sich um 48 große dreiteilige Fenster. Einen Großteil der Summe können wir übernehmen. Das kam auch in Frankreich gut an. Ich werde ab Ende August mal nach Frankreich fahren und dann können wir den nächsten Schritt machen.

Danke für das Interview!

Porträt Barbara Schock-Werner

Porträt Barbara Schock-Werner.

Foto: privat

Barbara Schock-Werner ist die frühere Dombaumeisterin von Köln und koordiniert die deutsche Hilfe für Notre-Dame. Die Architektin und Kunsthistorikerin war die erste Frau, die die Dombauhütte Köln von 1999 bis 2012 leitete. Sie verantwortete den Etat sowie die künstlerische und bauliche Gestaltung des Domes. Erreichen kann man die ehemalige Dombaumeisterin hier.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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