„Bus:Stop“: So spannend können Bushaltestellen sein
Im österreichischen Dörfchen Krumbach wird derzeit ein außergewöhnliches Architekturprojekt umgesetzt: Architekten aus sieben Ländern haben je ein Wartehäuschen für eine Bushaltestelle geplant. Die „Wartehüsle“ zeigen: Haltestellen können so schön sein, dass man am liebsten den Bus verpassen möchte.
Es ist ein Architekturprojekt, das weder durch Großkotz, Fehlplanungen oder horrende Baukosten den Weg in die Schlagzeilen gefunden hat. Die österreichische Gemeinde Krumbach mit rund 1000 Einwohnern, idyllisch gelegen im Bregenzerwald, macht vielmehr durch eine mutige Initiative auf sich aufmerksam. „Bus:Stop“ heißt das Projekt des Vereins „kultur krumbach“, das der profanen Bauaufgabe einer Bushaltestelle die übliche Langeweile und Tristesse nehmen soll.
Voraussetzungen: Bezug zur Region, widerstandsfähig und funktional
Die Idee, diesen meist vernachlässigten Nutzbauten im öffentlichen Raum neue Beachtung zu geben, entstand Anfang 2013. „In einem kleinen Dorf wie Krumbach ist es wichtig, manchmal mehr zu tun als nötig – nur so bleibt es spannend“, sagt Gabriel Steurer vom Kulturverein. Die Wartehäuschen für die Landbusse, die die Dörfer untereinander und mit der Stadt Bregenz verbinden, sollten als Beitrag zur Vorarlberger Baukultur von Architekten gestaltet werden und so über die üblichen viereckigen Kisten architektonisch herausragen.
Die nötigen Kontakte zu den Baukünstlern vermittelte Dietmar Steiner, der Leiter des Architekturzentrums Wien. Er sprach sieben internationale Büros an. Keine sogenannten Stararchitekten, aber alle mit gutem Ruf in der Fachwelt:
- Smiljan Radic aus Chile;
- dvvt – Architecten aus Belgien;
- Rintala Eggertsson Architects aus Norwegen;
- Alexander Brodsky aus Russland;
- Amateur Architecture Studio mit Wang Shu und Lu Wenyu aus China;
- Ensamble Studio aus Spanien;
- Sou Fujimoto aus Japan.
Den Architekten, die alle die spannende Aufgabe annahmen, wurden lokale Handwerker und regionale Architekten als Partner zur Seite gestellt. Die Finanzierung war durch Material- und Sachspenden gesichert. Statt eines Honorars erhalten die eingeladenen Baukünstler eine Woche Urlaub im Bregenzerwald. Im Frühjahr reisten sie zur Besichtigung ihrer eineinhalb bis zweieinhalb Quadratmeter großen Bauplätze an und versuchten nebenbei, sich mit der Vorarlberger Baukultur vertraut zu machen. Größtmögliche Gestaltungsfreiheit war zugesichert, zur Bedingung machten die Kuratoren des Projektes lediglich den Bezug zur Region, widerstandsfähiges Material sowie Funktionalität.
Als im Sommer die ersten Entwürfe eintrafen, zeigte sich, dass die traditionelle Bauweise der Region, bei der Holz eine wichtige Rolle spielt, von etlichen Architekten aufgegriffen worden war. Die Entwürfe waren als Modelle im Bregenzer Kunsthaus zu sehen, nun sollen sie bis zum Frühjahr 2014 umgesetzt werden.
Nicht immer bietet das Wartehäuschen auch einen Wetterschutz
Das „Wartehüsle“ des Chilenen Smiljan Radic ist das erste, das fertig geworden ist. Innerhalb seiner Stahl-Glaskonstruktion hat Radic die typisch niedrige Raumhöhe der Bregenzerwälder Stube aufgegriffen und deren Holzkassettendecke in eine dunkle Betondecke transferiert. Drinnen sitzen die Wartenden auf Eichenstühlen, während draußen ein großes Vogelhaus auf neue Bewohner wartet.
Der Russe Alexander Brodsky bezieht sich mit seinem einfachen Turmbau direkt auf ein Einfamilienhaus, das gegenüber „seiner“ Haltestelle steht. An drei Seiten sind die Öffnungen im unteren Teil des Turmes verglast und mit Tisch und Bank möbliert.
Die spanischen Architekten zitieren in ihrem Wartehäuschen, das sowohl einen geschützten als auch einen offenen Raum bietet, die Holzstapel in den Trockenlagern der Holzbauer.
Der Chinese Wang Shu, der im vergangenen Jahr mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, hat einen Raum gebaut, der schmal zuläuft und einerseits den Blick auf die Landschaft betont, während die Wartenden stets auch die Straße im Auge behalten können.
Am wenigsten Ähnlichkeit mit einem Wartehäuschen – und in seiner Funktionalität nicht ganz den Anforderungen entsprechend – hat der Entwurf des Japaners Sou Fujimoto. In einem Gewirr aus meterhohen dünnen Stahl- und Holzstangen windet sich eine Wendeltreppe mit kleinen Aussichtsplattformen in die Höhe. Zwar gibt es eine Sitzbank, aber einen Wetterschutz bietet der nach oben offene Entwurf nicht. Dafür aber „eine neue Dimension der Wahrnehmung von Ort, Raum und Natur“, so Kurator Dietmar Steiner.
Eines gemein haben aber alle Entwürfe: Sie sind verblüffend und sollten anderen Städten Beispiel sein, dass auch Stadtmöblierung eine Stadt spannender und interessanter statt hässlicher machen kann.
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