Das Haus, das bei Erdbeben nur hin und her rutscht
Wenn die Erde bebt, stürzt dieses Haus nicht ein, sondern rutscht nur hin und her. Möglich machen das seismische Isolatoren und eine Bauweise aus der Autoindustrie. Die US-amerikanischen Ingenieure testeten ihr Werk auf einer Schüttelplatte mit einem simulierten Mega-Erdbeben – mit Erfolg.
Wenn die Erde bebt, bietet oft selbst das eigene Zuhause keinen Schutz mehr – ganz im Gegenteil: Wenn Wände bersten und Dächer einstürzen, werden Gebäude schnell zur tödlichen Falle. Ingenieure der amerikanischen Standford University und der California State University haben jetzt ein erdbebensicheres, aber trotzdem erschwingliches Haus gebaut und es auch gleich auf Herz und Nieren getestet.
Unibody-System und seismische Isolatoren
Um das Haus sicher zu machen, setzte die Gruppe um Gregory Deierlein und Eduardo Miranda aus Stanford sowie Benjamin Fell von der California State University in Sacramento auf zwei Verfahren, die bereits getrennt voneinander die Sicherheit erhöhen. Zum einen verwendeten sie für das etwa zwölf Mal acht Meter große zweistöckige Testhaus das sogenannte Unibody-System, ein Verfahren, das normalerweise in der Autoindustrie angewendet wird. Dabei ist die Karosserie – oder hier das gesamte Haus – nicht zusammengesetzt, sondern besteht aus einem Stück. Dadurch ist es stabiler: Wo keine Fugen sind, können sie auch nicht aufbrechen.
Zum anderen setzten die Ingenieure das komplette Haus auf sogenannte seismische Isolatoren – das sind Gleiter aus Stahl und Kunststoff, die jeweils rund elf Zentimeter im Durchmesser haben und in flachen Mulden aus galvanisiertem Stahl ruhen. Damit wird das Haus von den Schwingungen der Erde entkoppelt: Das Haus ist nicht mehr fest mit dem Erdboden verbunden, sondern gleitet bei einem Erdbeben hin und her. Da die Wände sich im Ganzen bewegen und nicht an einem Ende festbetoniert sind, während das andere Ende extremen Kräften ausgesetzt ist, bersten sie auch nicht: Das Haus hält stand.
Auch für private Bauherren finanzierbar
Dabei müssen Hausbesitzer nicht fürchten, ihr Haus in der nächsten Senke wiederzufinden oder ein paar Grundstücke die Straße hinunter: Die Isolatoren rutschen immer wieder in Position. Durch ihre Muldenform werden sie zwar etwas teurer, als wenn sie komplett flach wären, es zahlt sich aber aus, weil das Haus da bleibt, wo es hingehört.
Ganz neu ist die Idee der seismischen Isolatoren nicht: Sie werden bereits in vielen öffentlichen Gebäuden genutzt. Der Flughafen von San Francisco ist solch ein Beispiel. Mit ihrer Neuentwicklung wollen die Entwickler die Technologie aber auch für Eigenheimbesitzer erschwinglich machen. Sie haben berechnet, dass es zwischen 7800 und 11.800 Euro kosten und etwa vier Tage Arbeitsaufwand bedeuten würde, die Isolatoren in einen Neubau zu integrieren – Kosten, die durch einen geringeren oder sogar wegfallenden Beitrag zu einer Erdbebenversicherung sehr schnell wieder eingespielt seien. Die Isolatoren lassen sich unter Umständen auch nachträglich einbauen, das sei jedoch aufwendiger und teurer.
Haus wurde im Test ordentlich durchgeschüttelt
Erreicht haben die Ingenieure den verglichen mit der bisher gebräuchlichen Technologie niedrigen Preis durch kostengünstige Materialien und reduzierte Isolatoren. Das darf sich natürlich nicht auf die Sicherheit auswirken: Um zu testen, ob beide Systeme – die Unibody-Bauweise und die Verwendung der günstigeren Isolatoren – die Ansprüche erfüllen und das Haus schadenfrei halten, imitierten die Entwickler ein Erdbeben.
Dafür nutzten sie eine spezielle Schüttelplatte, die extra für diesen Zweck gedacht ist. Die größte Platte dieser Art der USA steht in San Diego und gehört der University of California, und genau da fuhr das komplette Team hin. Rund sieben Wochen dauerte es, bis sie ihr erdbebensicheres Haus auf der Platte aufgebaut hatten.
Dann wurde es ernst: Mit Hilfe computergesteuerter hydraulischer Hubkolben simulierten die Forscher ein Erdbeben wie das Loma-Prieta-Erdbeben, das vor 25 Jahren mit einer Stärke von 6,9 auf der Richter-Skala in der Bucht von San Francisco wütete – mit dem Unterschied, dass sie es dreimal so stark beben ließen. Und das Haus? Das rutschte zwar hin und her, wies anschließend aber keine nennenswerten Schäden auf.
Ergebnisse machen Mut für Weiterentwicklung
Auch die Unibody-Bauweise zahlte sich aus: Das testeten die Ingenieure, indem sie die Isolatoren deaktivierten und das Haus wiederum in Schwingungen versetzten. Bei dem künstlichen Beben, vergleichbar mit dem von 1989, trug das Haus nur leichte Schäden davon, darunter ein paar Risse im Putz und eine zerschlagenen Lampe. Erst als die Gruppe, ermutigt von den bisherigen Ergebnissen, die Platte in maximale Schwingungen versetzte, brachen Türen und Fenster heraus.
Die Ingenieure sind fürs Erste zufrieden mit den Ergebnissen. Zwar hüten sie sich, das Wort erdbebensicher zu benutzen, doch die Widerstandskraft der Gebäude werde besser und besser, erklärte Deierlein. Allerdings gebe es noch einiges zu tun: Sie wollen genau wissen, wie viel ein Unibody-Haus aushält, bevor es zusammenbricht.
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