Das Haus, das sich selbst aufbaut
Wenn dieses Haus angeliefert wird, möchte man vermutlich keine Sekunde der Aufbauarbeiten verpassen. Die per Lkw abgesetzte kompakte Kiste entfaltet sich in rund zehn Minuten ohne äußere Hilfe zu einer fertigen Wohnung. Genauso schnell kann sie wieder verpackt werden. Die britische Firma Ten Fold will mit ihrer cleveren Klapp- und Falttechnik mehr Mobilität im Immobilienmarkt ermöglichen.
Den größten Teil seines Berufslebens hat David Martyn Luxuswohnungen gebaut. Als Architekt interessierten ihn aber auch immer grundsätzliche Fragen zu den Themen Raum und Wohnen. Vor sieben Jahren gründete der heute 58-Jährige das Unternehmen Ten Fold in Südostengland und aus dem klassischen Architekten wurde eine Art Falt-Techniker. Zusammen mit einem Team von vier Ingenieuren wollte er eine Unterkunft entwickeln, deren Wände, Böden und Decken extrem platzsparend verstaut sind und sich leicht entfalten. Nach sechs Prototypen soll es nun, bis Ende September 2017, ein voll funktionstüchtiges Vorführmodell geben.
System aus Winden, Hebeln und Gegengewichten
Interessanterweise ist die Behausung, die sich innerhalb von zehn Minuten selbst auseinander klappt, kein Hightech- sondern ein Lowtech-Produkt. „Denken Sie an viktorianische Ingenieurtechnik“, sagte Martyn in einem früheren Interview mit dem Magazin Forbes. „Die Strukturen von Ten Fold nutzen keine Computer oder Netzwerke sondern einfach Physik. Tatsache ist, dass dieses Haus automatischer geworden ist, indem weniger automatisiert wurde.“
Martyn spielt damit auf ein ausgetüfteltes System aus Winden, Hebeln und Gegengewichten an, die die Bauelemente mit Hilfe der Schwerkraft in die richtige Position bringen. Wird die Arretierung per Knopfdruck gelöst, entfalten sich zunächst Decke und Boden und schieben dabei Hebelmechanismen an die Außenseite der Konstruktion. Die Hebel setzen auch die Ausleger in Gang, die der Behausung Stabilität am Boden verleihen. Ein Fundament im herkömmlichen Sinne brauchen die Ten-Fold-Behausungen nicht, aber einen ebenen und festen Untergrund.
Aus 9 m langer Kiste werden 64 m2 Wohnfläche
Das Basismodell TF-64 ist in zusammengefaltetem Zustand als kompakte Kiste 9 Meter lang, 2,44 Meter breit und 2,98 Meter hoch. Nachdem es aufgeklappt wurde, hat es eine Fläche von 8 Meter x 8 Meter, also 64 Quadratmeter Wohnfläche. Darin ist auch ein Stauraum, in dem die beweglichen Einrichtungsgegenstände während des Transportes lagern. Im Prinzip könne das TF-64 auch mit 12 Meter Seitenlänge oder sogar noch größer gebaut werden, sagen die Hersteller. Für die Innenaufteilung bietet Ten Fold verschiedene Designs an, die bis auf einige feststehende Wände eine flexible Gestaltung erlauben.
So kann die Position der Fenster und Türen verändert werden und der Besitzer hat die Auswahl aus verschiedenen Materialien und Farben für Wände, Böden und Dach. Man könne sogar einen Aufzug oder eine Rampe für behindertengerechten Zugang einbauen, heißt es von Herstellerseite. Anschlüsse für Strom, Wasser und Abwasser sind vorgesehen, aber wer das autarke Leben vorzieht, kann Solarpaneele, Wassertanks und eine Kompost-Toilette anbringen.
Basis-Modell soll um 112.000 Euro kosten
Die gesamte Konstruktion ist, auch der Standfestigkeit wegen, kein Leichtgewicht. Der Rahmen besteht aus Stahl und wiegt zusammen mit den Wänden mehr als 20 Tonnen. Zusätzliches Gewicht bringt die Inneneinrichtung. Die Gefahr, dass man mitsamt dem Haus wegfliege, bestehe sicher nicht, betonen die Hersteller. Die einzelnen Module können gestapelt und miteinander zu einem mehrstöckigen Gebäude verbunden werden. Preislich liegt das Basismodell bei umgerechnet rund 112.000 Euro.
Die Nutzung des Ten Fold-Systems als möblierte Wohnung ist aus Sicht der Konstrukteure nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten. Die Entwickler können sich die Behausung überall dort vorstellen, wo temporäre Unterkünfte gebraucht werden, zum Beispiel an touristischen Zielen oder bei Festivals. Auch im Katastrophenfall könnte ein Falthaus sehr schnell als Krankenhaus, Erste-Hilfe-Station oder Notunterkunft aufgeklappt werden.
Vier Tage brauchen vier Männer, um ein Haus mit einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern aufzubauen. Als einziges Werkzeug benutzen sie einen Akkuschrauber. Zusätzlich ist nur noch Muskelkraft nötig. Das jedenfalls verspricht das Marseiller Architekturbüro Multipod Studio via Video. Das Haus soll Passivhaus-Eigenschaften haben und bei einem Jobwechsel nimmt man es einfach mit.Weitere Details finden Sie hier.
Und dann wäre da noch Duffy Shelter: Es besteht aus Decke, Boden, zwei Wänden mit Türen und Lüftungsklappen aus Holz und Blech. In nur einer Stunde lässt sich der Bausatz zu einem 1,85 Meter langen und 1,42 Meter breiten Mini-Haus zusammensetzen. Das versprechen die kreativen Köpfe hinter dem Konzept: die Designer des Büros Duffy London.
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