Idee aus Berlin 11.10.2016, 13:13 Uhr

Diese Minihäuser sollen einfach auf Flachdächern abgesetzt werden

Ein Berliner Architekten-Duo hat ein nachhaltiges Minimalhaus entwickelt, das die Wohnungsnot in Großstädten lindern könnte. Platz gibt es auch in den überfülltesten Metropolen genug: oben auf den Dächern. Aber darf dort überhaupt gebaut werden?

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Hauptsache Dach über dem Kopf: das Cabin Spacey bei Nacht. Die Wohnfläche beträgt rund 20 m2. Genug Platz jedenfalls für zwei Personen, finden die Architekten des Mini-Hauses.

Foto: Cabin Spacey

Die Dächer von Berlin üben eine ganz eigene Faszination aus – vor allem im Sommer sind sie beliebter Aufenthaltsort, um gemeinsam mit Freunden und dem einen oder anderen Getränk die Sonne zu genießen, in den Sternenhimmel zu blicken oder einfach für kurze Zeit dem Getümmel der Metropole zu entfliehen. Jetzt kann man genau da sogar wohnen; jedenfalls, wenn es nach Andreas Rauch und Simon Becker geht. Die Berliner Architekten im besten Dachchill-Alter von 33 und 29 Jahren haben „Cabin Spacey“ entwickelt – eine Holzschachtel mit einer großen Fensterfront und bis zu 25 m2 Wohnfläche, die in ihrem Innern alles bietet, was der moderne Stadtmensch so braucht. Bevorzugter Bauplatz für die Wohnkabinen: oben auf dem Dach, da wo in den überfüllten Großstädten noch Platz ist.

Funktionale und nachhaltige Konstruktion

Das Konzept ist einleuchtend, wenn man erst einmal darauf gekommen ist. Die kleinen Behausungen sind aus nachhaltigen Materialien – vor allem Holz und Glas – gefertigt und haben in der kleinsten Version eine Grundfläche von etwa 8 x 3,2 m. Die Höhe beträgt 4 m: jede Menge Platz für ein Hochbett, von dem aus der Bewohner durch ein großes Dachfenster direkt in den Himmel blicken kann. Daneben sorgt eine Photovoltaik-Anlage mit einem leistungsfähigen Speicher im Sandwich-Boden für Strom. Damit es im Winter nicht zu kalt und im Sommer nicht zu warm wird, gibt es eine Luft-Wärme-Pumpe.

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So stellt sich Cabin Spacey die Inneneinrichtung des Mini-Hauses vor.

So stellt sich Cabin Spacey die Inneneinrichtung des Mini-Hauses vor.

Quelle: Cabin Spacey

In den zwei Zimmern im „Erdgeschoss“ finden sich ein kleines Bad, Tisch, Stühle, ein Sofa und ähnliches – soweit wie möglich klappbar, damit nicht Benötigtes einfach verstaut werden kann. Apropos Staufläche: Die gibt es natürlich auch, wenngleich nicht gerade viel, und die Kochzeile erfüllt ebenfalls eher Alibi-Zwecke.

Zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Zielgruppe

Damit trifft das Architektenduo die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe, die sie als „digitale Nomaden“ bezeichnen. Single oder maximal zu zweit, ohne großen Hausstand, gegessen wird oft auswärts. So richtig lange bleiben diese Nomaden – daher der Name – auch nicht an einem Ort: Oft ziehen sie nach wenigen Monaten weiter, immer dahin, wohin der Job sie ruft.

Die Architekten Andreas Rauch (li.) und Simon Becker haben das Start-up

Die Architekten Andreas Rauch (li.) und Simon Becker haben das Start-up „Cabin Spacey“ gegründet.

Quelle: Cabin Spacey

Wenn Rauch und Becker mit ihrem Modell Erfolg haben, wartet am Zielort schon das nächste Cabin Spacey auf sie, einfach gemietet per App und so genutzt wie Autos bei Carsharing. Natürlich kann man so ein Häuschen auch kaufen und bei Bedarf mitnehmen: Ab rund 50.000 Euro ist man dabei. Der Transport per Tieflader und der Anschluss am neuen Standort seien einfach, versprechen die Erfinder.

Vorschriften behindern den Höhenflug

So richtig neu ist der Gedanke, winzige Behausungen mit effektiv genutztem Platz anzubieten, übrigens nicht. „Tiny House Movement“ heißt die aus den USA herübergeschwappte Bewegung, die bisher freie Nischen mit minimalistischen Wohnkonzepten nutzen will oder gleich in die Natur ausweicht. Innovativ ist allerdings die Idee, das Wohnen im großen Stil aufs Dach zu verlegen – das gibt es bisher noch nicht.

Platz für die Mini-Häuser ist auf den Dächern der Großstädte vorhanden. 

Platz für die Mini-Häuser ist auf den Dächern der Großstädte vorhanden. 

Quelle: Cabin Spacey

Das hat auch einen Grund: Theoretisch ist es eine super Idee, freie Flächen auf Dächern zu nutzen, um die Wohnungsnot in Großstädten zu lindern. Praktisch stehen der Verwirklichung jede Menge Sicherheits- und andere Vorschriften im Weg. So muss ein bewohntes Dach ein Geländer und einen zusätzlichen Fluchtweg haben, die Statik muss die zusätzlichen Wohneinheit aushalten können und die Besitzer des Hauses darunter müssen einverstanden sein – vor allem bei Eigentümergemeinschaften dürfte das spannend werden. Auch ein Blitzschutz wäre sinnvoll. Und nicht zuletzt müssen die Wasserver- und -entsorgung sowie die Abfallbeseitigung geklärt werden. Die Installation eines ebenfalls notwendigen Briefkastens klingt dagegen vergleichsweise simpel.

Es gibt bereits Interessenten

Genau wegen solcher Fragen konnten Andreas Rauch und Simon Becker ihr Cabin Spacey Modell Null – auch Prototyp genannt – bisher noch nicht bauen, obwohl das Kapital zumindest für die Außenhülle per Crowdfunding inzwischen zusammengekommen ist. Mit im Boot sind Firmen, die einzelne Bauteile spenden, und sogar eine, die das Häuschen zusammenbauen würde.

Die Jungunternehmer sind dennoch zuversichtlich – bis Ende des Jahres soll das erste Haus stehen. Vielleicht auf dem obersten Deck des Parkhauses in Kreuzberg, dessen Betreiber Interesse angemeldet hat. Die ersten Übernachtungen sind bereits vergeben: an Crowdfunder, die auf der Plattform Indiegogo in das Projekt investiert haben. 

Auf dem abgerundeten Dach des Ecocapsule befinden sich Sonnenkollektoren mit einer Fläche von 2,6 Quadratmeter, die 600 Watt an Stromertrag liefern. Das reicht aus, um über den einsamen Eremiten-Tag zu kommen.

Auf dem abgerundeten Dach des Ecocapsule befinden sich Sonnenkollektoren mit einer Fläche von 2,6 Quadratmeter, die 600 Watt an Stromertrag liefern. Das reicht aus, um über den einsamen Eremiten-Tag zu kommen.

Quelle: Nice Architects

Architekten aus der Slowakei haben eine andere platzsparende Wohnlösung gefunden, die aussieht wie ein Überraschungsei, sich Ecocapsule nennt und als autarkes mobiles Mini-Haus der Zukunft hier näher vorgestellt wird. 

Ein Beitrag von:

  • Judith Bexten

    Judith Bexten ist freie Journalistin. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Technik, Logistik und Diversity.

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