Vom Spottobjekt zum Wahrzeichen 10.01.2022, 15:43 Uhr

5 Jahre Elbphilharmonie: Wie BER – nur in cool

Am 11. Januar feiert die Elbphilharmonie in Hamburg ihren 5. Geburtstag. Als Wahrzeichen ist sie heute aus der Hansestadt nicht mehr wegzudenken. Dabei war der Bau der Elbphilharmonie alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

Jetzt ist die Elbphilharmonie als architektonisches und akustisches Highlight ein Wahrzeichen von Hamburg - vor ein paar Jahren noch kaum vorstellbar. Foto: Thies Rätzke/Elbphilharmonie

Jetzt ist die Elbphilharmonie als architektonisches und akustisches Highlight ein Wahrzeichen von Hamburg - vor ein paar Jahren noch kaum vorstellbar.

Foto: Thies Rätzke/Elbphilharmonie

Es ist das Los vieler Wahrzeichen dieser Welt, erst einmal Hass und Häme auf sich zu ziehen. Den Eiffelturm etwa wollte zuerst auch keiner haben. „Ekelerregend“ nannte etwa Schriftsteller Alexandre Dumas die Stahlkonstruktion seinerzeit, das Gros der Pariser Hautevolee wollte das Ding so schnell wie möglich wieder weg haben. Turmvater Gustave Eiffel konterte: „Glaubt man, weil wir Ingenieure sind, würde uns die Schönheit in unseren Konstruktionen nicht kümmern, und dass wir uns nicht anstrengen, etwas Elegantes zu schaffen, weil wir zugleich etwas Solides und Dauerhaftes bauen?“ Und tatsächlich ist der Turm von Dauer. Heute lieben ihn die Menschen, Paris ohne Eiffelturm: absolut undenkbar. 

Mit der Elbphilharmonie in Hamburg verhält es sich womöglich ähnlich. Schon jetzt ist der Opernbau neues Wahrzeichen der Stadt und scheint so untrennbar mit der Elbmetropole verknüpft wie Fischmarkt, Michel und Reeperbahn. Doch bis dahin war es ein weiter weg. Fast wäre die Elbphilharmonie ein zweiter BER geworden. Jetzt ist sie ein BER in cool

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Von BER bis Elbphilharmonie: Die größten Baustellen-Flops

Elbphilharmonie: Millionengrab und Publikumsliebling

Tatsächlich war der Opernbau während seiner Bauzeit ein skandalträchtiges Projekt, das regelmäßig für Spott und Ärger sorgte. Ursprünglich sollte die Bauzeit drei Jahre dauern. Am Ende wurden es zehn Jahre, weil ständig etwas schief lief. Und statt der geplanten 77 Millionen Euro kostete das Bauwerk unfassbare 789 Millionen Euro. 

Die Pläne erschienen von Anfang an kühn. Das neue Bauwerk sollte auf dem Sockel des historischen Kaispeichers A am Hamburger Hafen erbaut werden. Anders als zunächst angedacht, blieb nur die denkmalgeschützte Fassade des Speichers erhalten. Der Große Konzertsaal hat ein Gewicht von 12.500 Tonnen und ist als eigenständiger Baukörper schalltechnisch vom Gesamtgebäude entkoppelt. Mehr als 1.000 einzelnen Glaselementen zieren die Außenfassade, alle mit integrierten Licht- und Wärmeschutz durch gerasterte Folien.

Gebogene Glaselemente sind Einzelstücke

Eine chrombasierte Mehrfachbeschichtung des deutschen Unternehmens AGC Interpane sorgt dafür, dass die Fassade je nach Sonneneinstrahlung unterschiedlich schimmert. Für die prägnante Form, die an Wellen oder Segel erinnern sollen, sind 595 Glaselemente individuell gekrümmt worden. Ein extrem aufwändiges Verfahren, für das nur eine Handvoll Unternehmen weltweit das nötige Know-How haben. 

Die Elbphilharmonie steht auf einem historischen Speicher mitten im Hamburger Hafen.

Foto: Thies Raetzke/Elbphilharmonie

Foto: Thies Raetzke/Elbphilharmonie

Spiegelung Hamburgs in der speziellen Glasfassade der neuen Elbphilharmonie.

Foto: Maxim Schulz/Elbphilharmonie

Foto: Maxim Schulz/Elbphilharmonie

Das Dach der Elbphilharmonie.

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Die Glaselemente der Fassade sind mit grafischen Elementen bedruckt.

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Geschwungene Glaselemente am Eingang.

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foyer und Treppen der Elbphilharmonie.

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Rolltreppe in der Elbphilharmonie.

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Die Oberfläche des großen Konzertsaales ist mit individuell berechneten Gipselementen bedeckt. Der Schall soll so optimal verteilt werden. Zudem sitzt in der Mitte über dem Orchester ein geschlossener Trichter, der den Schall im Saal verteilt.

Foto: Michael Zapf/Elbphilharmonie

Foto: Michael Zapf/Elbphilharmonie

2100 Menschen haben Platz im großen Musiksaal der Elbphilharmonie. Niemand sitzt durch die ungewöhnliche Raumgestaltung mehr als 30 m vom Dirigenten entfernt. Michael Zapf/Elbphilharmonie

Foto: Michael Zapf/Elbphilharmonie

Nach dem Vorbild eines Weinberges sind die Zuschauer in steilen Terrassen platziert. Links im Bild ist sind Teile der Klais-Orgel aus Bonn zu sehen. Es gibt Pfeifen, die Töne erzeugen, die man nicht hören, sondern nur spüren können soll. Iwan Baan/Elbphilharmonie

Foto: Iwan Baan/Elbphilharmonie

Mit ihrer ungewöhnlichen Dachkonstruktion ist die Elbphilharmonie ein neues Wahrzeichen für Hamburg - trotz aller Querelen in der Bauphase und obwohl das Bauwerk zehn mal so viel gekostet hat, wie geplant.

Foto: Sophie Wolter/Elbphilharmonie

Foto: Sophie Wolter/Elbphilharmonie

So saht der Kaispeicher im Jahr 1976 aus. Jetzt sind Fundamentteile und die Außenfassade in den Bau der Elbphilharmonie intergriert.

Foto: Zoch/Elbphilharmonie

Foto: Zoch/Elbphilharmonie

Spezialisten der italienischen Firma Sunglass Srl bogen die fertig bedruckten Glaselemente in einem Spezialofen bei Temperaturen von 550 Grad Celsius nach exakten Vorgaben zurecht. Jede Scheibe ist damit ein Einzelstück. Die Architekten hatten im Vorfeld die genaue Dicke jedes Elementes berechnet, um den Raum optimal nutzen zu können. Eine Schwierigkeit beim Biegeprozess bestand darin, die Beschichtung auf dem Glas bei den hohen Temperaturen nicht zu verbrennen. 

Aufwendige Elbphilharmonie-Akustik dank spezieller Geometrie

Aufwendiger dürfte weltweit kaum an der Akustik eines Konzertsaales gefeilt worden sein. die Konzerthalle weist eine besondere Geometrie auf, denn die Zuschauerränge sind nach dem Vorbild eines Weinberges mit vielen Terrassen rund um das Orchester gebaut. Die Oberflächenstruktur, auch „Weiße Haut“ genannt, ist ebenfalls einzigartig. Die rund 6.000 m2 große Wand- und Deckenverkleidung besteht aus etwa 10.000 Gipsfaserplatten mit einem Gesamtgewicht von 226 Tonnen. Ingenieure und Ingenieurinnen haben daran gearbeitet, dass die Akustik der Elbphilharmonie nicht nur eine der besten der Welt ist, sondern auch an jedem Platz ein einzigartiges Hörerlebnis entsteht. 

Elbphilharmonie: Sehr teuer, aber sehr schön

Für Kent Nagano, Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters, ist die Elbphilharmonie „eine absolute Erfolgsgeschichte“. „Ein Konzerthaus muss natürlich gut klingen, aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Genauso wichtig ist, dass ein Konzerthaus ein Treffpunkt für die Gesellschaft ist. Und das hat die Elbphilharmonie erreicht. Sie hat Hamburg zu einer neuen kulturellen Identität verholfen. Auch international. Auch meine Mutter in Kalifornien sagt: Ich liebe die Elbphilharmonie“, so Nagano in einem Interview.  Der 5. Geburtstag soll mit einem neuntägigen Festival und einem neuen Licht-Kunstwerk im April gefeiert werden. 

Elbphilharmonie steckt voller technischer Innovationen

„Elphi“, wie die Philharmonie auch liebevoll genannt wird, steht auf dem ehemaligen Kaispeicher A – einem früheren Lagerhaus im Hamburger Hafen auf dem Großen Grasbrook (heute Hafen City). Zu Beginn der Bauphase musste dieser zunächst entkernt werden. Für den gesamten Bau wurden 63.000 Kubikmeter Beton benötigt. Die beteiligten Firmen lieferten 30 verschiedene Beton-Sorten, die sich in Bezug auf Konsistenz, Erstarrungsverhalten, Farbgebung, Oberflächentextur und Dauerhaftigkeit unterschieden.

Das Projekt setzte zudem auf Digitalisierung am Bau. Was heute immer noch um die Bezeichnung Standard kämpft, wurde beim Bau der Elbphilharmonie früh angewendet: der Einsatz von Building Information Modeling (BIM). Dabei handelt es sich um digitale Planungs- und Produktionsprozesse. 3D-Modelle bilden die Basis. Bei der Technischen Gebäudeausrüstung erfolgte die Kollisionsprüfung anhand eines 3D-Modells des Gebäudes. Alle Gewerke wurden in diesem Modell zusammengeführt. Konflikte wurden so schneller gefunden und gelöst  –  darunter Rohre, die nicht zusammenpassten.

Das sind die schnellsten Aufzüge der Welt

16.000 Fassadenelemente, gekrümmte Spezialgläser und ein 700 Tonnen schweres Dach mit 1.100 Stahlträgern zeichnen die Ingenieurkunst weiterhin aus. Das Dach wirkt wie ein im Wind flatterndes Tuch, dessen Spitzen gegen den Himmel zeigen. Die Glasfassade besteht aus Scheiben, die mit grafischen Elementen bedruckt sind. So wölben sie sich nach außen und geben Blicke am Boden, zum Hafen und in den Himmel frei.

Die technische Schaltzentrale befindet sich im 19. Stock. Hier sind meterhohe Ventilatoren angebracht, die 130.000 Kubikmeter Luft pro Stunde austauschen. Um die 1.000 Terminals sichern Zutritte und Fluchtwege. Das Kontrollsystem ist hochmodern und ermöglicht es dem Sicherheitspersonal, den Zugang zu allen Bereichen lückenlos zu kontrollieren.

Die Orgel – ein Klang- und Bauwunder

Zu den weiteren technischen Highlights zählt dieOrgel der Elbphilharmonie. Sie besteht aus über 4.760 Orgelpfeifen und wiegt 25 Tonnen. Fast alle Pfeifen sind aus Zinn – manche aus Holz. Manche der Orgelpfeifen weisen eine Länge von zehn Metern auf; andere passen gerade so auf einen Finger. Die Orgel ragt 14 Meter in vier in den Zuschauerraum integrierte Ebenen in die Höhe. Erschaffen hat das Kunstwerk die Bonner Orgelmanufaktur Klais.

Besonders: Einige der Orgelpfeifen erzeugen Töne, die man nicht hören, sondern nur spüren kann.

Die Elbphilharmonie ist mehr als ein Konzerthaus

Was lange währt: Am 11. Januar 2017 feierte die Elbphilharmonie mit einem Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters Eröffnung. Eine Lichtshow begleitete die Premiere, die ursprünglich schon 2010 stattfinden sollte. Bis März 2020 – also bis zum Corona-Stillstand – besuchten circa 2,7 Millionen Menschen die beiden Säle. 2.500 Konzerte wurden bis zu diesem Zeitraum gespielt.

Die Aussichtsplattform Plaza ist 37 Meter hoch und wartet aktuell auf den 15. Millionsten Besucher. Der gläserne Neubau umfasst zwei Konzertsäle, ein Hotel und Eigentumswohnungen. Erreichen können Besucher die Plaza über eine 82 Meter lange Rolltreppe – alternativ stehen Aufzüge bereit. An der höchste Stelle misst der wellenförmige Glasbau 110 Meter.

Das sind die höchsten Gebäude der Welt

2.100 Plätze bietet der große Konzertsaal. Aus Schallschutzgründen liegt er auf 362 Federpaketen. Die Innenverkleidung des Saals besteht aus 10.000 Gipsfaserplatten, die den Schall im Raum ideal verteilen soll. An der Decke wurde ein riesiger Reflektor angebracht, der den aufsteigenden Klang verteilt. Ein architektonisches und klangvolles Highlight.

Wer hätte es gedacht, dass die Elbphilharmonie am Ende mal so etwas wie der Eiffelturm des Nordens sein würde.  (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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