Fassaden: dreidimensional geformt und aus nachwachsenden Rohstoffen
Fassaden aus Naturfasern, Bioharz und Wellpappe für Industriebauten – geht das? Ja, das geht. Forscher der Technischen Universität Chemnitz entwickelten Elemente, die zu 35 % aus diesen Fasern bestehen. Und der Anteil sei durchaus noch steigerungsfähig, berichten sie.
Eine Fassade muss auf der einen Seite Wind und Wetter trotzen. Das heißt, sie sollte möglichst robust sein und über mehrere Jahrzehnte halten. Auf der anderen Seite stehen noch weitere Anforderungen, die hinzukommen. Dazu zählen unter anderem Leichtbauweise und niedrige Kosten bei der Produktion. Inzwischen stellen Architekten und Bauherren noch ganz andere Ansprüche an Elemente zur Fassadenverkleidung: Sie sollen nachhaltig produziert und umweltfreundlich sein. Der Trend in der Branche geht in Richtung nachwachsender Rohstoffe und Materialien, die problemlos recycelbar sind. Forscher der Technischen Universität Chemnitz haben nun Fassadenelemente entwickelt, die zu 35 % aus Naturfasern bestehen.
Modern, nachhaltig und baulichen Ansprüchen genügend
Bislang ließen sich organisch gestaltete und frei geformte Fassaden hauptsächlich mit dem Werkstoff Holz umsetzen. Der Aufwand dabei war vergleichsweise groß. Der Vorteil von Fassadenverkleidungen aus Naturfasern liegt auf der Hand: Es sind Produkte mit großen Ausmaßen und großem Volumen sowie einer Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Dementsprechend groß ist auch ihr CO2-Speichereffekt. Die Forscher der TU Chemnitz setzten bei ihrem Projekt aber nicht nur auf Biofasern, sondern bezogen in ihrem Projekt auch die Form ein. So entstanden dreidimensionale Elemente, die zum Teil lichtdurchlässig sind. Dadurch besteht die Möglichkeit, LEDs dahinter zu installieren. Die Fassade wird auf diese Art und Weise zugleich eine Animationsfläche, auf der Texte, Bilder und Videos gezeigt werden können.
Die dreidimensionalen Elemente wiegen aufgrund ihrer Lichtdurchlässigkeit deutlich weniger. Das erleichtert natürlich auch die Montage. Elemente, die an Produktionsgebäuden verbaut werden, müssen hohe bautechnische Anforderungen erfüllen. Dazu gehören Brand- und Schallschutz, Tragfähigkeit sowie Wärmedämmung. Die Bio-Fassade der TU Chemnitz wurde auch daraufhin untersucht und erfüllte alle notwendigen Anforderungen. 3D ist in der Architektur und Baubranche sehr gefragt. Gerade mit dem 3D-Druck erhoffen sich Forscher und Experten einen Quantensprung. Man verspricht sich von der Technik nicht nur eine freiere Formgebung, sondern auch mehr Vielfalt. Denn damit lässt sich jedes einzelne Bauteil ganz individuell gestalten, ohne dass dabei zusätzliche Kosten entstehen.
Ungewöhnliches Design – ungewöhnliche Materialien
Interessant ist das Design, das die Forscher gewählt haben: Unter doppelgekrümmten, teilweise lichtdurchlässigen Deckschichten brachten sie LEDs in den einzelnen Wellpappengefachen an. Sie lassen sich mithilfe einer Softwaresteuerung animieren. Gefache aus Wellpappe kennt man eigentlich aus der Verpackung, aber sie haben auch in der Architektur ihre Bedeutung erlangt. Die gängigste Form sind Stegeinsätze, mit denen sich beispielsweise mehrere Flaschen problemlos miteinander in einem Karton verstauen lassen. Zugleich sind sie auf diese Art und Weise beim Transport besser geschützt.
Für die Deckschichten verwendeten die Forscher Flachs- und Glasfasern. Diese betteten sie in ein anteilig biobasiertes Epoxidharz ein. Der Kern besteht aus Wellpappengefache, die mit Steinwolle gedämmt sind. Zusätzlich setzten die Forscher eine Beschichtung mit Natriumwasserglas ein. Sie schützt die Naturmaterialien vor Feuchtigkeit und Feuer. Diese Kombination ist im Baubereich bisher neu. Das scheint ungewöhnlich, da Wellpappe als Recyclingmaterial auf biologischer Basis einerseits nach der Verwendung erneut recyclingfähig und andererseits ökologisch und wirtschaftlich von Interesse ist.
Prototyp der Bio-Fassade in Chemnitz montiert
Die Forscher der TU Chemnitz haben mit ihrem Projekt gezeigt, welche Möglichkeiten es heute schon mit nachwachsenden Baustoffen gibt. Sie lassen sich im Industriebau ohne Probleme oder Nachteile einsetzen. Das beweist der Prototyp ihrer Bio-Fassade: Auf 48 Quadratmetern einer Produktionshalle montierten sie diese – gemeinsam mit einer Fassade aus Aluminium und Kunststoffschaum. Die Produktionshalle gehört dem Projektpartner der TU Chemnitz, der Firma „richter & heß“. Die Bio-Fassade erhielt im Rahmen des Sächsischen Staatspreises für Baukultur 2019 eine Auszeichnung.
Die Forscher sind sich sicher, dass sich der Anteil biogener Elemente im Fassadenbau noch deutlich steigern lässt. Dafür müssten erheblich mehr nachwachsende Dämmstoffe zum Einsatz kommen, für deren Sicherheit beim Brandschutz weitere Entwicklungen notwendig sind.
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