Grünes Ökosystem auf 92 Meter Hauswand
Im kolumbianischen Medellin ist eine 92 Meter hohe „lebende Wand“ an einem Wohnhaus fertig gestellt worden. Der vertikale Garten gehört zu den höchsten seiner Art und beeindruckt nicht nur durch sein Design. Die Grünpflanzen an der Hauswand isolieren, filtern die Luft und dämmen den Schall.
Grüne Dächer und Wände, innen wie außen, erobern langsam aber sicher die Städte überall auf der Welt. Sie sehen schick und kunstvoll aus, verbreiten den Eindruck von ökologischem Bewusstsein im urbanen Umfeld und haben darüber hinaus auch tatsächlich einen praktischen Nutzen. Als Erfinder der vegetativen Mauern gilt der Franzose Patrick Blanc, der vor rund 20 Jahren damit begann in Paris die ersten Wände zu bepflanzen. Inzwischen hat der Botaniker und Pionier des vertikalen Gartens über 50 Projekte in vielen Städten der Welt fertiggestellt. Aber der einzige ist er längst nicht mehr. Das Unternehmen „Paisajismo Urbano“, zu Deutsch „urbaner Landschaftsbau“, aus dem spanischen Alicante ist fast ebenso lange dabei. Gemeinsam mit dem kolumbianischen Unternehmen „Groncol“ haben sie nun einer der höchsten vertikalen Gärten der Welt errichtet.
Kenntnisse in Botanik, Ingenieurwesen und Design sind nötig
Die grüne Wand steht in Medellin, Kolumbien und führt 92 Meter hoch an der Seite eines Mehrfamilienhauses in der Nachbarschaft „El Poblado“. Von ihren Balkonen sehen die Hausbewohner seitlich auf den Grünstreifen, der bis zur Spitze des Gebäudes führt. Hunderte von speziell ausgesuchten einheimischen und anpassungsfähigen Pflanzen trotzen nun dem Wetter und vor allem dem Wind in größerer Höhe. Für eine grüne Wand müssen Kenntnisse in Botanik, Ingenieurwesen und Design zusammenkommen. Während Groncol sich um das Design und die Konstruktion der Wand kümmerte, war das Team von Paisajismo Urbano für die Hydrokultur zuständig.
Die für normale Gärten unerlässliche Erde spielt beim vertikalen Garten keine Rolle. Stattdessen werden Pflanzen ausgewählt, die nicht tief im Grund wurzeln müssen. Dazu gehören etwa Moose, Orchideen und Farne sowie sogenannte Aufsitzerpflanzen wie Bromeliagewächse, die auf anderen Pflanzen wachsen. Gemeinsam und in mehreren Lagen übereinander stützen sie sich gegenseitig und können an verschiedene klimatische Gegebenheiten angepasst werden. Das gesamte System ruht auf einem metallischen Untergrund, über dem eine Lage PVC und ein spezielles Vlies für den Halt der Pflanzen kommen. Rund 30 Pflanzen können auf diese Weise pro Quadratmeter gesetzt werden, was einem Gewicht von etwa 30 Kilogramm entspricht. Das automatische Bewässerungssystem versorgt die Pflanzen mit allem, was sie brauchen.
Ein Quadratmeter produziert jährlichen Sauerstoffbedarf eines Menschen
Ihr vertikaler Garten könne die Temperatur im Inneren des Gebäudes um bis zu acht Grad Celsius reduzieren, behaupten die urbanen Landschaftsgärtner aus Spanien. Das würde zum Beispiel helfen, Kosten für die Klimatisierung der Gebäude zu sparen. Auch der städtische Geräuschpegel könne durch die Pflanzen gesenkt werden, und zwar um bis zu zehn Dezibel. Das Team von Paisajismo Urbano will berechnet haben, dass ein Quadratmeter vertikaler Garten den Sauerstoff produziert, den ein Mensch für ein ganzes Jahr benötigt.
Auch in Deutschland gibt es mittlerweile vertikale Gärten, zum Beispiel die grüne Fassade von Patrick Blanc an der Berliner Kaufhausgalerie „La Fayette“. Bekanntestes Beispiel ist derzeit die Begrünung der Lärmschutzwand des Frankfurter Palmengartens. Noch ist das Projekt in einer Machbarkeitsstudie, die vor rund einem Jahr begonnen hat. Vier jeweils 15 Quadratmeter große Versuchsflächen für vier verschiedene wandgebundene Fassadenbegrünungssysteme werden ausprobiert. Nach dem Abschlussbericht im Juni 2014 soll feststehen, ob und welches System funktioniert und ob die komplette, 500 Meter lange und drei Meter hohe Lärmschutzwand des Palmengartens vertikal bepflanzt werden kann. Das wäre dann nicht die höchste, aber die längste Fassadenbegrünung der Welt.
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