Klaus Bechers Haus-im-Haus-Idee
Als Maschinenbauingenieur Klaus Becher sich Mitte der 90er-Jahre zur Ruhe setzte, fing damit ein weiteres erfolgreiches Kapitel seiner beruflichen Laufbahn an. Becher vertiefte sich in die Bauphysik und entwarf das Haus-im-Haus-Prinzip, das ihm bei zahlreichen Bio-Haus-Wettbewerben Preise bescherte.
Klaus Becher lehnt sich entspannt zurück und genießt vom Sonnenpark den Ausblick auf seine Heimat, das Nordpfälzer Bergland. Von hier aus, vom kleinen beschaulichen 310-Seelen-Dorf Sankt Alban, gehen die Gedanken des 78-Jährigen zurück in die Großstadt. In Brüssel damals, 2008, das sei der schönste Preis gewesen, den das Bio-Solar-Haus bekommen hätte. Beim „Energy Globe“ der EU landete das Unternehmen auf Rang drei. Da war die Nosbusch da und der Gorbatschow, und „allermöchliche anere Leut“, wie Klaus Becher auf Pfälzisch sagt. Das sei „großes Tamtam“ gewesen.
Kaum vorstellbar, dass sich ein erdverbundener Mensch wie Klaus Becher unter vielen „Promis“ auf Dauer wohlfühlen könnte. Nur gut, dass die anderen Preisverleihungen mit weniger „Tamtam“ verbunden waren, seien es der „Ökologia-Preis“ der Stiftung für Ökologie und Demokratie, der „Mutmacher der Nation“, die Urkunde für „Innovative Energietechnologie“ oder der „Oskar für den Mittelstand“.
Im Haus produzierter Wasserdampf muss entweichen können
Die Absicht, möglichst viele Preise einzuheimsen, war für den gelernten Maschinenschlosser und Maschinenbauingenieur aber nicht die Triebfeder, ein Haus zu bauen, das den Energieaufwand eines Passivhauses noch unterbieten könnte. Nach seiner Pensionierung bewegte den einstigen technischen Leiter der Gedanke, sich selbst einen Ruhesitz zu bauen, „aber einen, der funktioniert“.
Klaus Becher erinnert sich: „Ich habe mich gefragt: Warum funktioniert ein altes Haus und warum nicht ein neues? Wo liegt der Haken an einem Passivhaus? Nachdem ich mich intensiv mit Bauphysik beschäftigt hatte, kam ich zu dem Schluss, dass es am Wasserdampf liegt, den wir im Haus produzieren. Bei alten Häusern ging der Wasserdampf durch durchlässige Wände, bei Energiesparhäusern wird er durch das Wärmedämmmaterial aufgehalten, sodass Schimmel entsteht.“
Haus-im-Haus-Prinzip: ein Holzgebäude mit einer Art Gewächshaus aus Acrylglas
Bei klassischen Passivhäusern mit ihrer Gasdichte sei weiterhin ein relativ hoher technischer Aufwand mit Wärmetauschern und Ventilatoren für die Lüftung nötig. Entscheidend sei, dass Wasserdampf keine Luft zur Bewegung braucht. Wenn die Wände durchlässig sind, wird eine Lüftung überflüssig. So entstand das Haus-im-Haus-Prinzip: ein Holzgebäude mit einer Art Gewächshaus aus Acrylglas. „Dazwischen entsteht ein Luftpolster, das durch die Sonne erwärmt wird, isoliert und die Feuchtigkeit abführt“, erklärt Klaus Becher. „Zusätzliche Energie liefern eine Solarthermieanlage und ein Holzofen. Mehr Öko geht nicht.“ Insgesamt fallen laut Becher jährlich nicht mehr als rund 600 € Betriebskosten an, bei einem Passivhaus seien es rund 2000 €.
Schon während seiner Zeit als technischer Leiter in einer großen Reifenfabrik und später bei einem Hersteller von Kunststoffanlagen ritt der Absolvent der TU München nicht auf jeder Welle mit. „Ich hatte damals in einer Führungsposition den Überblick über das große Ganze und wusste, was machbar war und was nicht. Abgesehen davon, dass alle Maschinen teuer sind und Energie verbrauchen, sind sie immer auch Störquellen. Ich habe zudem die Entwicklung zu immer mehr Technik nicht mitgemacht und die Frage gestellt: Brauchen wir das überhaupt?“
An Naturgesetze halten
In dem Moment, in dem man sich an Naturgesetze halte, tendiere die Fehlerwahrscheinlichkeit gen Null. „Wenn man aber mit größerem technischen Aufwand optimieren will, fängt der Schlamassel an. Die erste Technik hat einen Fehler, die mit der zweiten Technik beseitigt werden soll. So potenziert sich das. Zum Schluss geht nichts mehr, kostet Geld und bringt nur Ärger.“
Nicht ganz sicher, ob die Haus-im-Haus-Idee tatsächlich zu realisieren sei, wandte sich Klaus Becher an die Wissenschaft. Mit dem frustrierenden Befund, dass ein solches Vorhaben zum Scheitern verurteilt sei, schickten ihnen die Gelehrten nach Hause. Bis auf Gunter Schaumann. „Sie sind doch Praktiker, dann bauen Sie eben so ein Haus. Dann werden wir weitersehen“, machte der Professor für Physik, Energietechnik und regenerative Energien an der FH Bingen Klaus Becher Mut.
Da Becher 1993 noch im Berufsleben steckte, machte sich Neffe Hubert gemeinsam mit seinem Vater, einem Landwirt aus Sankt Alban, an den Bau. Das eigentümlich ausschauende und in Halbkugelform gebaute Haus zog viele Neugierige an, die sich informierten und auch solch ein Eigenheim haben wollten. „Dann haben wir zwei weitere Häuser gebaut und ausprobiert, was zu optimieren war“, erzählt Hubert Becher die Erfolgsgeschichte weiter.
Klassischer Fertighauskunde am Biohaus eher nicht interessiert
Inzwischen reicht die Kundschaft über Frankreich und die Schweiz bis nach Norwegen und die Shetland Inseln. Hubert Becher, heute Geschäftsführer von Bio-Solar-Haus: „Zu uns kommen Leute, die sich mit dem Thema beschäftigen, die intensiv recherchieren. Der klassische Fertighauskunde gehört in der Regel nicht dazu.“
Wem die Theorie nicht reicht, kann im Sonnenpark oberhalb Sankt Albans probewohnen. „Wer die Praxis sieht, begreift auch das System“, meint Klaus Becher. „Ich habe als technischer Leiter auch keine Maschine gekauft, ohne sie im Betrieb gesehen zu haben.“
Während sein Neffe sich gemeinsam mit den 16 Mitarbeitern um das operative Geschäft kümmert, hat sich sein Onkel aus dem Trubel zurückgezogen – weitestgehend, denn Klaus Becher spricht immer noch in der „Wir-Form“: „Wir werden nicht die Lust verlieren, noch mehr gesunde Häuser zu bauen.“ Und freut sich bei der herrlichen Aussicht über das Nordpfälzer Bergland über seine Idee und dass er es besser wusste als die Gelehrten.
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