Ohne Fenster bauen 28.08.2017, 13:00 Uhr

Lichtdurchlässige und multifunktionale Fassade aus dem 3D-Drucker

Glasfassade war gestern und heute, Fluid Morphology könnte die Gebäudehülle von morgen sein. Und die hat eine gewellte Oberfläche, ist multifunktional, verzichtet auf Fenster und stammt aus dem 3D-Drucker. Ein Hingucker ist sie allemal.

Illustration einer fertigen Gebäudefassade: So könnte eine Gebäude aussehen, bei dem Fluid Morphology eingesetzt wird. Die von TUM-Architekten entwickelte  Gebäudehülle hat eine gewellte Oberfläche, ist multifunktional, verzichtet auf Fenster und stammt aus dem 3D-Drucker. 

Foto: Professur für Entwerfen und Gebäudehülle/TUM

Fluid Morpholoy. 

Foto: Andreas Heddergott /TUM

Moritz Mungenast am 3D-Drucker.

Foto: Andreas Heddergott/TUM

Moritz Mungenast ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Entwerfen und Gebäudehülle der TU München.

Foto: Andreas Heddergott /TUM

Die Elemente sollen auf der Solarstation auf dem Dach des TUM-Hauptgebäudes getestet werden. 

Foto: Professur für Entwerfen und Gebäudehülle/TUM

Fluid Morpholoy.

Foto: Andreas Heddergott/TUM

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Wie Wasserwellen, die entstehen, wenn mehrere Steine in einen stillen See geworfen werden, überlagern sich die Strukturen der neuen Fassade. So hat sie große Ausbuchtungen, tritt an einigen Stellen vor, an anderen zurück und ist zudem unterschiedlich dick.

Bislang gibt es ein 60 cm breites und 1 m hohes schneeweißes Musterbauteil aus Kunststoff, entwickelt und hergestellt von Architekten der Technischen Universität München (TUM). In Anlehnung an die gewellte Oberfläche trägt die neue Fassade den Namen Fluid Morphology.

„Nie dagewesene Gestaltungsmöglichkeiten“

„Das Fassadenelement ist nicht nur sehr stabil, sondern auch lichtdurchlässig und multifunktional“, betont Projektleiter Moritz Mungenast, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Entwerfen und Gebäudehülle der TUM. „Der 3D-Druck gibt uns nie dagewesene Gestaltungsmöglichkeiten. Wir können diese Freiheit nutzen, um Funktionen wie Lüftung, Verschattung und Klimatisierung zu integrieren. Das macht teure Sensoren, Steuerungsprogramme und Motoren, die man bisher benötigt, überflüssig“, erklärt der Architekt.

Dabei hängen Design und Funktion laut Mungenast eng zusammen: „Wir können beispielsweise die Wellen so anordnen, dass sie die Fassade im Sommer vor Hitze schützten und im Winter möglichst viel Licht durchlassen.“ Wölbungen des Materials spenden Schatten. Für Belüftung sorgen eingelagerte, dünne Röhren. Sie lassen die Luft von einer Seite zur anderen zirkulieren. Und eine mikrostrukturierte Oberfläche sorgt für optimale Akustik. Diese Funktionen lassen sich ohne extra Kosten individuell an verschiedene Anforderungen anpassen.

Futuristische Designstudie

Futuristisch wirkt die Designstudie, die das Team um Mungenast entwickelt hat. Kunststoff umhüllt das Bauwerk wie ein luftiges, weiches Tuch mit gewellter Oberfläche. Ein bisschen erinnert der Entwurf an Fußballstadien wie die Allianz-Arena des FC Bayern in München oder das Nationalstadion in Brasilia. Letzteres hat eine ähnliche Hülle aus Makrolon, einem von Bayer entwickelten, lichtdurchlässigen Material.

Wie gut die neuen gedruckten Fassadenelemente UV-Strahlung aushalten und Wind, Regen und Schnee trotzen, wollen die Architekten jetzt in einem Langzeittest unter realen Bedingungen untersuchen. Er soll auch Aufschluss darüber geben, wie lichtdurchlässig die neue Fassade ist und wie effizient die Dämmung.

Dafür wird ein komplettes Fassadenelement von 1,6 x 2,8 Meter Größe auf der Solarstation installiert, einem Versuchsstand auf dem Hauptgebäude der TU München. Ein Jahr lang werden Sensoren Daten sammeln, mit deren Hilfe die Architekten dann ihr Design noch verbessern wollen, bevor sie einen weiteren Prototypen aus Polycarbonat, einem zugelassenen Fassadenmaterial, fertigen.

Sonderbauten wie Museen und Bibliotheken im Visier

Zukünftige Einsatzmöglichkeiten sieht Mungenast zunächst bei Sonderbauten wie Museen, Bibliotheken, Einkaufzentren oder Versammlungsräumen. „Spezielle Lösungen sind hier besonders gefragt, und es spielt keine Rolle, dass die Kunststofffassaden aus dem 3D-Drucker nicht gänzlich transparent sind wie Glasscheiben, sondern transluzent“, so der Forscher. „Das durchscheinende Licht erzeugt eine ganz eigene, durchaus reizvolle Atmosphäre.“ Unterstützt werden die Forscher vom Research Lab der Fakultät für Architektur der TUM sowie den 3D-Druckerherstellern Delta Tower sowie Picco’s 3D World.

3D-Druck in der Bauindustrie auf dem Vormarsch

Dass der 3D-Druck Einzug in die Architektur hält, ist so neu nicht: So hat das auf 3D-Printer für die Bauindustrie spezialisierte Unternehmen Apis Cor mit Sitz in Moskau, San Francisco und Irkutsk bereits gezeigt, dass man damit auch für kleines Geld ein Haus bauen kann. Nach Firmenangaben hat der Bau eines Hauses aus Beton inklusive Isolierung, Fenster, Türen, Boden und Außenanstrich 10.134 US-Dollar gekostet. Dabei stand der von einem 3D-Printer in einem Stück gefertigte Rohbau nach nur 24 Stunden. Mehr dazu lesen Sie hier.

In China wurden schon 2014 gleich zehn Häuser innerhalb eines Tages montiert – alle Wände waren von einem 3D-Printer hergestellt worden. Und in Dubai wurde 2016 das erste große Bürogebäude aufgebaut, dessen Einzelteile ausgedruckt wurden.

Ein Beitrag von:

  • Martina Kefer

    Diplom-Medienpädagogin und Ausbildung zur Journalistin beim Bonner General-Anzeiger

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