Interview: Prof. Bernhard Weller 05.11.2010, 19:50 Uhr

„Mit Glas bauen heißt intelligent bauen“

Große Glasbauten sind spektakulär, eindrucksvoll, ästhetisch. Vor allem: „Glasfassaden machen jede Art von Energieeffizienz und Klimaanpassung möglich“, sagt Prof. Bernhard Weller den VDI nachrichten. Der Bauingenieur ist Direktor des Instituts für Baukonstruktion an der TU Dresden und weiß, warum Politik und Wirtschaft sich gern ganz in Glas präsentieren.

VDI nachrichten/INGENIEUR.de: Herr Weller, was fasziniert Sie am Baustoff Glas?

Prof. Weller: Glas bringt Weite und Offenheit. Glas verschafft ein ganz anderes Raumgefühl. Vor allem aber bedeutet Glas in erster Linie Transparenz. Deshalb werden im öffentlichen Raum viele Gebäude aus Glas gebaut. Denken Sie an das Stadttor in Düsseldorf oder den Landtag in Dresden.

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Damit signalisiert die Politik Transparenz?

Prof. Weller: Ja. Durch Glas gibt es keine sichtbare Trennung zwischen innen und außen. Die Politik symbolisiert damit die Offenheit gegenüber dem Bürger, umgekehrt können die Bürger beobachten, wie Politik funktioniert.

Der Laie denkt bei Glas zunächst mal an Scherben.

Glas ist ein Hightechwerkstoff, der durch Vorbehandlung und Veredelung bruchsicher, biegsam oder besonders hart gemacht wird, ganz, wie der Kunde es wünscht und braucht. Der Maschinen- und Anlagenbau hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Die Industrie kann heute 15 m lange Glaspaneele für Fassaden an einem Stück herstellen. Man fertigt große Treppen und Fußböden aus Glas, alles kein Problem mehr.

Die Anfang Oktober zu Ende gegangene Messe Glasstec in Düsseldorf war wieder ausgebucht und so international wie nie.

Ich kenne keine andere Messe in dem Bereich, die Industrie, Forschung und Planung so konzentriert zusammenführt. Die Internationalität ist dabei von zentraler Bedeutung, denn moderne Glasbauten werden heute meist in internationalen Ingenieurteams geplant und errichtet.

Wo stehen im internationalen Kontext die Deutschen mit ihrem Know-how im Glas-Engineering?

Prof. Weller: Weit oben. Deutsches Engineering ist weltweit sehr gefragt. Selbst in den USA nutzen die Architekten und Ingenieure oft Lehrbücher, die aus dem Deutschen übersetzt wurden. Und deutsches Glas ist in der Qualität unübertroffen. Der Glass Cube von Apple in New York, der Skywalk über dem Grand Canyon oder der Pavillon des Kunstmuseums von Toledo in Ohio – drei spektakuläre und weltweit bekannte Bauten – sind alle aus deutschem Glas gebaut.

Von Glas ist oft dann die Rede, wenn es um energieeffizientes Bauen geht.

Aus zwei Gründen. Große Glasflächen können ein Maximum an Sonnenenergie einfangen. Passivhäuser zum Beispiel, die keine Heizung mehr brauchen, bauen im Wesentlichen auf dieses Prinzip. Der zweite Grund ist, dass man Glas ganz hervorragend mit Photovoltaik und auch mit Solarthermie koppeln kann. Es gibt heute hochintegrierte Fassadenmodule, die in einem System Strom erzeugen, warmes Wasser liefern und optimalen Sonnenschutz bieten. Wer energieeffizient und klimaangepasst bauen will, kommt um Glas nicht herum.

Welche neuen Trends gibt es für Glas am Bau?

Prof. Weller: Viel bewegt hat sich bei der Building Integrated Photovoltaic. Bisher konnten sich Architekten mit Photovoltaik nicht so richtig anfreunden, weil die Standardsolarzellen in Form und Abmessung standardisiert waren. Mittlerweile haben die Unternehmen aber mit Dünnschichtzellen flexible Systeme entwickelt, mit denen sich individuelle und ästhetische Fassaden bauen lassen. Eine andere zentrale Frage im Glasbau ist die Frage der Verbindungstechnik und Befestigung. Wir forschen an der TU Dresden an neuen Klebetechniken. Geklebte Bauteile bedürfen keiner Bohrung mehr. Jede Bohrung schafft im Glas Schwachpunkte. Geklebte Scheiben können auch dünner sein, weil man ohne Bohrung eine gleichmäßigere Lastverteilung erreicht.

Integrierte Systeme erfordern die Expertise ganz unterschiedlicher Disziplinen. Klappt die Zusammenarbeit?

Prof. Weller: Moderne, energieeffiziente Glaskonstruktionen brauchen Architekten, Tragwerksplaner, Bauphysiker, Verfahrensingenieure und Elektrotechniker gleichermaßen. Die Energieeinsparverordnung setzt voraus, dass Gebäude heute ein Gesamtenergiekonzept haben. Das kann nicht einer allein machen. Da müssen Architekten, Bauingenieure und Gebäudetechniker eng kooperieren, um die Gesamtenergiebilanz zu optimieren.

Mit Glas bauen ist nicht billig.

Die relativ hohen Kosten sind durchaus ein Problem, beispielsweise für den privaten Bauherrn, der beim Hausbau genau auf seinen Etat achten muss. Leider kann nicht jeder so viel Geld für spektakuläre Glasbauten ausgeben wie Steve Jobs von Apple. Aber bei guter Planung ergeben sich vertretbare Kosten. Und die Kosten werden mit der Zeit sinken, zum Beispiel durch preiswertere Verbindungstechniken.

Wo liegt die Herausforderung für Ingenieure?

Prof. Weller: Mit Glas bauen heißt intelligent bauen. Mit Glas können wir Gebäude errichten, die ohne Heizung auskommen und die dem Klimawandel trotzen, die beispielsweise gezielt für große Windlasten oder hohe Niederschlagsmengen ausgelegt sind. Das wissen aber nur wenige Menschen. Wir Ingenieure sollten viel stärker nach draußen kommunizieren, zu welchen Höchstleistungen wir im Bau beitragen.

Ein Beitrag von:

  • Christa Friedl

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachgebiet: Umweltpolitik, Umwelttechnologien.

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