Mutprobe für Ingenieure: Gang über die längste Hängeseilbrücke Deutschlands
Sie kennen die Geierlay-Brücke nicht? Was die Glaskuppel des Reichstages für Berlin ist und die Elbphilharmonie für Hamburg, das ist die Geierlay-Brücke für den Hunsrück. Für Ingenieure ist Deutschlands längste und höchste Hängeseilbrücke ein Muss. Und eine echte Mutprobe.
Die Überquerung des Mörsdorfer Bachs am Rande des Hunsrücks, unweit des Weinortes Cochem an der Mosel, ist ein Angriff auf die Sinne: Wer die Geierlay-Brücke betritt, vertraut sein Leben sechs Spiralseilen mit etwa 4 cm Durchmesser an. Diese allein tragen die 62 Tonnen Eigengewicht der Brücke, die sich 360 m lang über das Tal spannt.
Bis zu 600 Menschen können sich gleichzeitig in das Wagnis stürzen, den Bach in 100 m Höhe zu überschreiten. Da wird vielen Menschen schummrig. Das ist auch kein Wunder, denn die Geierlay-Brücke ist die längste Hängeseilbrücke nördlich der Alpen.
„Hängebrücke im tibetanischen Stil“
Die Idee für die Brücke entstand vor acht Jahren. „Damals hat sich das Dorf mit der Frage beschäftigt, wie wir es attraktiver machen könnten“, erzählt Mörsdorfs Bürgermeister Marcus Kirchhoff. „So ist die Idee entstanden, eines der nahe gelegenen Moselseitentäler mit einer Hängebrücke im tibetanischen Stil zu errichten.“
Als Aprilscherz abgetan verschwand die Idee in der Schublade. Doch der Brückennarr Kirchhoff ließ nicht locker und hat es geschafft. Geplant und gebaut wurde die Hängeseilbrücke vom Ingenieur Hans Pfaffen aus Chur in der Schweiz, denn der versteht etwas von solchen windigen Talquerungen. Am 3. Oktober 2015 wurde sie eingeweiht. Und seitdem strömen die mutigsten Brückenfans an die Mosel. Bis Juni waren 200.000 Menschen über die Brücke gegangen.
Verspannungen unterbinden das Schwanken der Brücke
Große Angst braucht jedoch niemand zu haben, der die Brücke überquert. Sie spannt sich so über das Tal, dass selbst bei Wind die Schwankungen nur gering sind. Denn das gesamte Bauwerk ist zusätzlich durch parabolisch abgespannte Windlastseile seitlich gesichert.
Getragen wird die Brücke von sechs Tragseilen. Zwei Dahtseile bilden zugleich den Handlauf, jeweils ein Seilpaar verläuft links und rechts unter dem Boden. Verbunden sind die sechs Tragseile auf jeder Seite mit Pylonen, die die Zugkräfte, aber auch die seitlichen durch Wind auftretenden Kräfte aufnehmen und zu den Fundamenten leiten. Diese reichen 25 m in den Fels.
Auf die Bodenkonstruktion ließen die Konstrukteure Holzbohlen montieren, die den Blick in die Tiefe versprerren. Dadurch können auch etwas Ängstliche mit Höhenangst die Brücke überqueren. Allerdings sollten sie dann nicht zur Seite oder über die Rehling blicken. Denn da geht es bis zu 100 m in die Tiefe.
Und das macht Vielen zu schaffen. Nach den Videobelegen der Webcam an der Südseite der Brücke kehrt jeder Fünfte um und wandert lieber durch den Talgrund. Trotzdem ist die Brücke für die kleine Hunsrück-Gemeinde ein touristischer Treffer. Am 12. Juni 2016 wurde der 200.000. Besucher gezählt.
Brücke kreuzt den Saar-Hunsrück-Steig
1,2 Millionen Euro hat der Bau der Geierlay-Brücke gekostet. Sie kreuzt den Saar-Hunsrück-Steig zwischen Etappe 19 und 20 und ist fester Bestandteil der beiden Geierlay-Rundwege. Der Zugang zur Geierlay ist für deutsche Verhältnisse erstaunlich unbürokratisch. Kein Kassierer versperrt den Weg für den obligatorischen Wegezoll. Man darf einfach drübergehen.
Die längste Hängeseilbrücke der Alpen ist übrigens auch nicht viel größer. Sie spannt sich bei Reutte und ist 406 m lang und 114 m hoch. Wenn Ihnen das auch noch nicht reicht, dann hätten wir noch die höchste Seilbrücke der Welt mit Glasboden. Die allerdings wird noch gebaut – in China.
Ein Beitrag von: