Nachts wird grauer Beton auf Wunsch bunt
Eine hochtechnisierte Betonaußenwand, die im Dienste architektonischer Wirkung nachts von innen farbig angestrahlt aufleuchtet, war Blickfang auf der kürzlich in München veranstalteten Messe Bau. Besonderheit der Neuentwicklung: Die mediale Lichtbetonfassade kommt ohne sichtbare Beleuchtungselemente aus.
Glaspaläste, wohin das Auge blickt. Heutige Architektur in Stadtzentren signalisiert vor allem eines: Transparenz. Neben derlei Gebäuden kann ein Betonbau schnell wie ein Bunker aussehen. Auf der nach sechstägiger Dauer am 19. Januar in München zu Ende gegangenen Bau 2013 wusste ein Aussteller zu dem Siegeszug der Glasarchitektur aber eine Antwort: die Lichtbetonfassade. Ein Prototyp steht bereits auf dem Campus der RWTH Aachen.
Bei Nacht sind alle Katzen grau. Ein grauer Betonbau hingegen kann nachts in transparenter Anmutung zum farbig schillernden Blickfang werden. Mit der Präsentation der innovativen Gestaltung einer hinterlüfteten Vorhangfassade bewies auf der Bau 2013 das in Stollberg beheimatete Unternehmen Lucem, dass ein Massivbau mit lichtleitenden Fasern im Beton und bestückt mit LED-Technik zum durchscheinenden Gebilde mutieren kann.
Eine authentische, nicht technisch anmutende Fassadenfläche präsentiere sich nachts als eine medial bespielbare Gebäudehülle, und zwar durch rückseitige Hinterleuchtung, so der Aussteller. „Blickdichte Massivität und nicht materielles Licht vereinen sich zu einem transluzenten Ganzen.“ Zwar räumt Lucem ein, dass Lichtbeton seit über 80 Jahren bekannt ist, doch erst jetzt sei die Idee in der Praxis angekommen.
Institut für Textiltechnik in Aachen mit Lichtbeton gebaut
Als erster Versuch, die Lichtbetonfassade des Anbieters in den Dienst der Architektur zu stellen, gilt der Neubau des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen. Dieser erhielt gegen Ende des alten Jahres eine 120 m2 große Fassadenfläche aus 136 Lichtbetonplatten, die über einen etwa 3 %igen Anteil lichtleitender Fasern verfügen und mit rückseitigen LED-Paneelen ausgestattet sind. Diese seien – so Lucem – unter Nutzung einer Farbwechseltechnik unabhängig steuerbar.
Realisiert hat den Institutsneubau auf dem Campus der RWTH Aachen das Architekturbüro Carpus & Partner zusammen mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) Aachen, wobei es sich um den dritten Bauabschnitt für das Institut für Textiltechnik (ITA) handelt.
Den transluzenten Fassadenteil planten die Architekten unter Anleitung des Stolberger Herstellers, der – so Lucem – den Werkstoff „nach jahrelanger Entwicklung jetzt in Serienfertigung und in großen Mengen“ herstellen könne. Überdies sei man in der Lage, alles aus einer Hand zu liefern, von der Planung über die Statik bis zur Montage.
„Mit dem Lichtbeton haben wir einen Werkstoff gefunden, der Innovation und Funktionalität bei gleichzeitiger architektonischer Klarheit vereint“, so Robert Schwalm, Architekt von Carpus & Partner. Im Rahmen dieses Projekts habe man weltweit erstmalig eine interaktive Media-Fassade aus Lichtbeton realisiert, die im Vergleich zu herkömmlichen Media-Fassaden ohne sichtbare Beleuchtungselemente auskomme.
Jede Betonplatte ist mit eigener Lichttechnik ausgestattet
„Anders als bei üblichen Media-Fassaden – wie Projektions-, Rückprojektions-, Display- oder Leuchtmittelfassaden – haben wir jetzt auf dem Campus der RWTH Beleuchtungselemente als Einheit in die dauerhafte Betonwerksteinfassade integriert“, betont Lucem. Jede der 136 Betonplatten sei mit einer eigenen Lichttechnik auf LED-Basis versehen und könne unabhängig von allen anderen Lichtbetonplatten in über 16 Mio. Farben von hinten beleuchtet werden.
Tagsüber präsentiert sich die Lichtbetonfassade des Institutsneubaus wie eine Betonsteinaußenwand. Bereits aber in der Dämmerung zeigt die Fassade, was sie kann. Beleuchtet wird sie zu einem interaktiven, medialen Lichtkörper. Es scheint, als strahle die massive Außenwand von „innen heraus“.
Die LED-Paneele werden über eine internetbasierte Steuerung programmiert. Damit ließen sich über eine Software online kontrolliert unterschiedliche Lichtszenarien gestalten, erläutert Lucem. Von statischen Farben über bewegte Farbspiele bis hin zu interaktiven Darstellungen, wie das „Pingpong“-Spiel mit zwei Balken und einem Ball. Auch Schriftzüge oder Logos ließen sich erstellen.
Das Spektrum der Präsentationsmöglichkeiten reicht vom Einspielen von Videos bis hin zur Auswahl vorinstallierter Programme, so Lucem auf der Bau 2013 in München. Die Lichtbetonfassaden könnten als komplette Media-Außenwände fungieren, aber auch lediglich dezente architektonische Lichtkonzepte umsetzen – wie etwa sanftes Blinken einzelner Platten.
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