Österreichs größtes Bauprojekt ist fast fertig und kaum teurer als geplant
Österreichs Stuttgart 21, der Neubau des Wiener Hauptbahnhofes, steht kurz vor der Vollendung. Mitte Dezember startet in dem beeindruckenden Bauwerk der Fernverkehr. Die größten Unterschiede zu Stuttgart 21: Der Wiener Hauptbahnhof bleibt oberirdisch und die Kosten liegen auch nur maßvoll über Plan.
Auf dem Gelände des neuen Wiener Hauptbahnhofs herrscht derzeit pure Aufbruchsstimmung, es geht wuselig zu wie in einem Ameisenhaufen. Denn schon in einem Monat, am 10. Oktober 2014, wird in dem neuen Bahnhofsgebäude ein Shoppingcenter auf 20.000 Quadratmeter mit rund 90 Geschäften, Gastronomie- und Dienstleistungsangeboten eröffnen.
Mitte Oktober rollen dann auch die Fernzüge in diesem riesigen Bauwerk, das nicht nur den Fernverkehr Österreichs beschleunigt, sondern ein ganzes Stadtareal zu neuem Leben erweckt.
Am 14. Dezember eröffnet der Bahnhof für die Fernzüge
Dieser wirklich völlig neue Wiener Hauptbahnhof ersetzt die beiden Sackbahnhöfe Süd- und Ostbahnhof. Das war ein europaweit ziemlich einzigartiges Gebilde aus zwei über Eck angeordneten Kopfbahnhöfen, von denen der eine den Süden und der andere den Osten des Landes an die Hauptstadt anband.
Der jetzt entstandene Hauptbahnhof ist als moderner Durchgangsbahnhof konzipiert und soll mehr Züge pro Tag auf deutlich weniger Fläche bedienen können. Das ist sichtbar: Statt der ehemaligen 18 Gleise des Südbahnhofs hat der futuristisch wirkende Neubau nur zehn Gleise, zu denen sich zwei Durchgangsgleise für den Güterverkehr gesellen.
Unterhalb dieser Gleisebene befindet sich das Laden- und Dienstleistungszentrums des Entwicklers ECE. Darunter ist eine Tiefgarage für 600 Autos entstanden. Es gibt drei Fahrradgaragen mit rund 1.100 Stellplätzen. Der Österreichischen Bundesbahn ÖBB ist auch in Salzburg das Kunststück gelungen, einen historischen Kopfbahnhof in einen modernen Durchgangsbahnhof zu verwandeln, ohne dass die historische filigrane Stahlkonstruktion auf der Strecke bleibt.
Gesamter Bahnhof ist durchgängig ohne Stufen zu benutzen
Der Wiener Bahnhofskomplex setzt Maßstäbe für die moderne Mobilität und auch für die Barrierefreiheit: 14 Lifte und 29 Rolltreppen überbrücken die zweifelsohne vorhandenen Niveauunterschiede. Für Eltern mit Kinderwagen, für Reisende mit schwerem Gepäck, für ältere, gebrechliche Menschen und für Personen im Rollstuhl ist dieses moderne Mobilitätskonzept ein Segen: Der gesamte Bahnhof ist durchgängig ohne Stufen benutzbar.
Um diesen neuen Hauptbahnhof herum geht es buchstäblich rund: Unter dem Motto „Aus zwei mach eins“ wird das innerstädtische Areal auf etwa 59 Hektar völlig neu gestaltet. Nördlich des Hauptbahnhofes auf der Innenstadtseite, dort, wo einst die beiden Kopfbahnhöfe standen, wächst derzeit der neue Hauptsitz der Erste Group Bank AG in den Wiener Himmel.
Die mäandrierenden, mit einer gläsernen Doppelfassade versehenen Baukörper sollen auf fast 120.000 Quadratmetern rund 4.000 Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bieten. Auf einer Brache etwas weiter südlich davon, noch näher am neuen Bahnhof, sind weitere Büro- und Wohngebäude geplant.
Im Süden entsteht gerade das Sonnenwendviertel
Das ist noch längst nicht alles: Im Süden des Bahnhofsareals entsteht das sogenannte Sonnenwendviertel. Das ist ein völlig neues innerstädtisches Wohnquartier mit 5000 Wohnungen für geschätzt 13.000 Menschen. Rund ein Drittel davon – 1140 geförderte und 530 frei finanzierte Wohnungen – sind bereits so gut wie fertiggestellt, die restlichen zwei Drittel sollen bis 2019 folgen. Ein acht Hektar großer Park wird dort eine Stadt in der Stadt mit sehr hoher Aufenthaltsqualität schaffen.
Grund- und Mittelschule sowie ein Kindergarten ergänzen das neue Angebot. Der Kindergarten ist bereits am 1. September 2014 eingeweiht worden. Das neue Zentrum füllt sich nun sukzessive mit Leben. Die Kosten für die Ertüchtigung des Bahnhofes mitsamt Umfeld sind im geplanten Rahmen geblieben. Von im Jahre 2006 geschätzten Kosten von 850 Millionen Euro ist man jetzt bei einer Milliarde Euro angekommen.
Davon kann die Deutsche Bahn in Stuttgart nur träumen. Der dortige Provinzbahnhof, der unter die Erde geschickt wird, sollte ursprünglich 2,5 Milliarden Euro kosten. Das glaubte man 1995. Bei Baubeginn lagen die Baukosten schon bei 4,8 Milliarden Euro. Inzwischen – der Bau ist längst in vollem Gange – bewahrheitet sich die Prognose der Kritiker, dass der Bahnhof noch teurer wird. Derzeit rechnet die Bahn mit Baukosten von 6,8 Milliarden Euro.
Höchster Holzturm Europas bietet Aussicht für Genießer
Aber zurück nach Wien, die dank der oberirdischen Bauweise keine großen Risiken eingegangen sind. Für Genießer ist das 45 Meter hohe Aussichtsdeck des Bahnoramas zu empfehlen: Dieser mit Stahlteilen verstärkte Holzturm steht westlich des neuen Bahnhofsgebäude und bietet einen einzigartigen Blick über diese wuselige Baustelle. Nach Angaben der Planer ist der Bahnorama der höchste begehbare Holzturm in Europa – von der Basis bis zu Spitze ist der Turm 66 Meter hoch. 150 Tonnen Fichtenholz wurden dafür verbaut.
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