Park soll mit Folien überdacht werden und gereinigte Luft zugeführt bekommen
Riesige transparente Blasen sollen in Peking einen botanischen Garten überdachen. Die Luft in diesen Bubbles ist immer wohltemperiert und vor allem ist sie immer sauber und rein. Die Idee für diese Reaktion auf die katastrophale Smogbelastung in der chinesischen Hauptstadt kommt von einem britischen Architekturbüro.
Der britische Science-Fiction-Autor John Brunner nahm die Vision in seinem Öko-Fiktion-Thriller „Schafe blicken auf“ aus dem Jahr 1972 vorweg: Auf den Bürgersteigen der Großstädte stehen Automaten, an denen sich smoggeplagte Einwohner für 20 Cent eine Frischluftportion genehmigen können. Nun muss man sagen, es ist soweit. Das 2006 gegründete britische Architekturbüro Orproject mit Sitz in London und Büros in New Delhi und Peking hat jetzt einen kühnen Plan vorgestellt, nach dem mitten in der smoggeplagten Metropole Peking in China ein von der Außenwelt abgeschnittener Park mit frischer Luft im Innern entstehen soll.
„Fast unbewohnbar für menschliche Wesen“
Klingt zunächst abgedreht, kann aber funktionieren und helfen. In einem Mitte Februar veröffentlichen gemeinsamen Blaubuch der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaftler und des Pekinger Sozialwissenschaftlichen Akademischen Verlags heißt es wörtlich, Peking sei wegen der Luftverschmutzung „fast unbewohnbar für menschliche Wesen“. Der „Report 2014“ über die Entwicklung internationaler Städte sorgte für große Aufregung in Peking.
Der besonders gefährliche Feinstaub mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser, der als besonders lungengängig und besonders gefährlich gilt, überschreitet regelmäßig mit Spitzenwerten von mehr als 500 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Werte von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft um das Zwanzigfache.
ETFE-Folien sind leicht aber sehr robust
Handeln ist daher in Peking das Gebot der Stunde. Der Orpoject-Vorschlag sieht vor, unter transparenten Folienblasen aus Ethylen-Tetrafluorethylen, kurz ETFE, einen riesigen botanischen Garten anzulegen. Diese Folien sind leicht und dennoch ziemlich robust. ETFE kam zum Beispiel beim Eden-Projekt in Cornwall zum Einsatz.
Nach einer Idee des englischen Archäologen und Gartenliebhabers Tim Smit eröffnete in einer stillgelegten Kaolingrube nahe St. Austrell im März 2001 ein Gartenkomplex mit zwei Gewächshäuser aus jeweils vier miteinander verschnittenen geodätischen Kuppeln in der Bauweise von Richard Buckminster Fuller. Diese Gewächshäuser sind derzeit die größten de Welt.
Vogelnest und nationales Schwimmstadion sind auch mit ETFE bedacht
Für die Einwohner Pekings sind Foliendächer aus ETFE-Folien ein alter Hut. Das nationale Schwimmzentrum und das Vogelnest genannte Nationalstadion für die Olympischen Spiele von 2008 bestehen aus diesen Folien. Orproject-Mitbegründer Christoph Klemmt begann mit seinen Überlegungen für einen transparenten überdachten botanischen Garten vor gut einem Jahr. „Unser Blasen-Vorschlag ist keine Alternative dazu, die Umweltverschmutzung einzudämmen, aber er wird eine Hilfe sein für diejenigen, die in der Zwischenzeit damit leben müssen“, sagt Klemmt.
Solarzellen auf der Außenhaut liefern den Strom
Bubbles nennt Christoph Klemmt die Vision einer Frischluftzone mitten in der Stadt. Die Luft im Innern der Blasen passt sich an die jeweilige Aussentemperatur an. Erwärmt oder gekühlt wird sie mit einem Erd-Wärmetauscher-System.
Die Bubbles erzeugen zudem eigenen Strom, den Solarzellen liefern, die auf der Außenhaut der Blasen angebracht sind. Ein Zirkulationssystem reinigt die smogbelastete Pekinger Luft, die erst danach in die Bubbles strömt. Die Luft im Park ist so garantiert immer sauber. Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden das ganze Jahr über kontrolliert.
Etwa 400 Euro pro Quadratmeter
Das Londoner Architekturbüro Orproject sieht seine Idee der Bubbles beileibe nicht nur auf einen botanischen Garten in Peking beschränkt. Das Konzept der Bubbles kann zum Beispiel auch verwendet werden, um Schulhöfe oder Spielplätze wirtschaftlich zu umschließen. Oder ein Bubble überdacht das Atrium eines Einkaufszentrums oder eines Bürogebäudes. Ein Bubble kann genauso gut das Dach über die Gärten eines großen Appartement-Komplexes bilden. Architekt Klemmt schätzt, dass die Kosten für den Aufbau der Bubbles etwa bei 400 Euro pro Quadratmeter liegen werden.
Algorithmus simuliert Venen in Blättern für die Blasengeometrie
„Die Geometrie des Leichbaustruktursystems wurde unter Verwendung eines Algorithmus, der die Entwicklung von Venen in Blättern oder Schmetterlingsflügeln simuliert, erzeugt“, berichtet Klemmt. Er glaubt, dass die Bubbles in Peking eine Riesenattraktion für Touristen werden und eine willkommene Freizeiteirichtung für die Bewohner der Stadt mit Lerneffekt.
Kinder, Jugendliche und Erwachsene können die Natur in frischer Luft erleben und Wissenswertes über die Pflanzen im Park erfahren. Durch die kontrollierte Steuerung der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit ist es möglich, Pflanzen aus allen Klimazonen der Welt in den Bubbles zu etablieren.
Luxusgut Frischluft: Anwohner finanzieren den Park
Klemmt hat auch schon recht konkrete Vorstellungen davon, wie seine Bubble-Vision zu finanzieren ist. Der Architekt plant Wohnungen, Shops, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen in direkter Nähe des botanischen Gartens anzusiedeln. Der Clou: Diese Gebäude werden einfach an das Frischluft-System der Bubbles angeschlossen. „In unserem Vorschlag kann die Entwicklung der umliegenden Gebäude den Bau des botanischen Gartens, der dann von allen Bürgern genutzt werden kann, finanziert werden“, sagt Christoph Klemmt. Klasse Idee: Reiche Chinesen als Eigentümer der Wohnungen und Shops bezahlen so entsprechend für das Luxusgut Frischluft für Alle.
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