Detroit-Projekt in Bochum 06.12.2014, 08:33 Uhr

Schachtbauteile werden zu Sauna mit Himmelblick

Die One-Man-Sauna auf einer Industriebrache in Bochum war Teil des Kunstfestivals Detroit-Projekt, das sich mit der postindustriellen Zeit nach der Schließung der Opel-Werke auseinandergesetzt hat. Schwitzen trotz Nichtstun als Denkansatz: Es gilt selbst die Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. 

Die One Man Sauna auf einer Fabrikbrache in Bochum: Ein 7,5 Meter hoher Turm aus aufeinander gestapelten Betonfertigteilen, die eigentlich für den Bau von Schachtanlagen verwendet werden, beherbergt eine Sauna für eine Person. Unten gibt es ein Tauchbecken, in der Mitte die Sauna, ganz oben einen Ruheraum mit Himmelblick. 

Die One Man Sauna auf einer Fabrikbrache in Bochum: Ein 7,5 Meter hoher Turm aus aufeinander gestapelten Betonfertigteilen, die eigentlich für den Bau von Schachtanlagen verwendet werden, beherbergt eine Sauna für eine Person. Unten gibt es ein Tauchbecken, in der Mitte die Sauna, ganz oben einen Ruheraum mit Himmelblick. 

Foto: Roman Mensing/modulorbeat

Man kennt das ja: Hängen im Schacht. Das ist der prägende Begriff für das Nichtstun. Genau dieses Gefühl sinnlich erlebbar zu machen, war das künstlerische Anliegen des Münsteraner Architekturbüros modulorbeat. Deshalb haben sie im Sommer 2014 auf einer aufgelassenen Industriebrache in Bochum aus Betonfertigteilen für Schachtanlagen eine Sauna der etwas anderen Art aufgebaut. Schwitzen, Abkühlen, Nichtstun – Hängen im Schacht eben.

Aufgebaut besteht der Saunaturm aus übereinander gestapelten Betonfertigteilen mit rechteckigem Querschnitt, die früher üblicherweise für den Bau von Schachtanlagen verwendet wurden. Diese sind jeweils 45 Zentimeter hoch, haben eine Wanddicke von 15 Zentimetern und umschließen eine Grundfläche von rund 2,30 Mal 2,80 Meter. Die Fertigteile haben die kreativen Architekten aus Münster derart verdreht gegeneinander angeordnet, dass sie den Saunaturm in seiner Vertikalen in drei unterschiedliche Nutzungsschichten gliedern konnten.

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Steigleitern erschließen drei Ebenen

Ganz unten liegt das als Topfschacht ausgebildete Tauchbecken auf einer Ausgleichsplatte aus Ortbeton. In der Mitte der geometrisch aufgebrochenen Anordnung liegt die eigentliche Saunazelle. Ganz oben ist der Ruheraum mit freiem Blick in den Himmel. Zusammen bilden diese drei unterschiedlichen Nutzungsschichten einen zusammenhängend erlebbaren Saunaschacht aus Schachtbauteilen einer vergangenen Industriearchitektur.

Eine Leiter führt in die erste Etage des Saunaturms. Dort befindet sich die Saunazelle. Die One-Man-Sauna konnte im Sommer 2014 auf dem ehemaligen Gelände von Krupp kostenlos für jeweils eine Stunde genutzt werden. 

Eine Leiter führt in die erste Etage des Saunaturms. Dort befindet sich die Saunazelle. Die One-Man-Sauna konnte im Sommer 2014 auf dem ehemaligen Gelände von Krupp kostenlos für jeweils eine Stunde genutzt werden.

Quelle: Roman Mensing/modulorbeat

Wer diese ganz besondere Sauna benutzen will, muss sie sich über Steigleitern erarbeiten.

Bochums Zukunft nach Opel im künstlerischen Fokus

Ein ganzes Jahr lang hat sich die einstige Opel-Stadt Bochum im Rahmen des Detroit-Projektes mit ihrer eigenen Zukunft nach Abwicklung der Automobilproduktion auseinandergesetzt. Das Detroit-Projekt ist ein internationales Stadtprojekt und Kunstfestival in Bochum, entwickelt und realisiert vom Schauspielhaus Bochum und der Kulturinstitution Urbane Künste Ruhr. Gleich vier europäische Städte sind daran beteiligt. Neben Bochum im Ruhrgebiet ist das Zaragoza in Spanien, Ellesmore Port/Liverpool in Großbritannien und Gliwice in Polen. Alle diese vier Städte suchen ihren eigenen Weg ins 21. Jahrhundert – nach Opel.

Ganz unten im Saunaturm gibt es ein Tauchbecken zum Abkühlen. 

Ganz unten im Saunaturm gibt es ein Tauchbecken zum Abkühlen.

Quelle: Roman Mensing/modulorbeat

Opel war einmal das Herz Bochums. Opel war Stolz und Identität der ganzen Stadt, als das Werk 22.000 Menschen Arbeit bot. Nun steht das Ende einer Ära bevor und es gilt, sich dem zu stellen. Wird Bochum zu einem zweiten Detroit, eine verarmte Stadt ohne Perspektive oder doch eine Stadt, die selbstbewusst die Zukunft entwirft und mutig neue Wege geht?

„Wie sieht die Zukunft einer Stadt ohne Industrie aus?“

Modulorbeat bricht mit seiner senkrechten Sauna ironisch den Verlust von vielen Arbeitsplätzen in der Arbeiterstadt Bochum durch zuerst Schachtschließungen und dann Opelschließung auf das Wesentliche herunter: Auf das Nichtstun. „Wir wollen zeigen: Wie sieht die Zukunft einer Stadt ohne Industrie aus. Deshalb ja auch die recht ruppige Ästhetik“, sagt Jan Kampshoff, einer der kreativen Köpfe von modulorbeat. „Die One-Man-Sauna ist kein zynischer Kommentar, in die Richtung, jetzt gehen alle arbeitslosen Menschen andauernd in die Sauna“, sagt er. „Sondern sie ist eine Aufforderung zur Selbstreflexion.“

Die One-Man-Sauna konnte bis zum 5. Juli 2014 auf dem ehemaligen Gelände von Krupp kostenlos für jeweils eine Stunde genutzt werden. Kampshoff sagt, dass sie gut angenommen wurde. „Der Standort war optimal.“ Die Brache liegt nicht weit weg vom Zentrum der Stadt Bochum und war zu Fuß gut zu erreichen.

Ganz oben im Saunaturm befindet sich ein Ruheraum. Hier konnten Gäste eine Liege mit Himmelblick genießen. Im Moment befindet sich die Skulptur auseinandergenommen in einem Lager. 

Ganz oben im Saunaturm befindet sich ein Ruheraum. Hier konnten Gäste eine Liege mit Himmelblick genießen. Im Moment befindet sich die Skulptur auseinandergenommen in einem Lager.

Quelle: Roman Mensing/modulorbeat

Derzeit steht die Skulptur auseinandergenommen im Lager. Jan Kampfhoff hat das Ziel, dass der Saunaturm wieder aufgebaut wird. „Schön wäre ein Ort mit öffentlichem Zugang und einem guten Nutzungskonzept“, sagt er. Eine rein private Nutzung in irgendeinem großen Garten eines reichen Exzentrikers schließt er aus. Definitiv braucht die One-Man-Sauna ein standsicheres und festes Fundament. „Für den Aufbau wird auf jeden Fall ein Kran benötigt“, verdeutlicht Kampshoff den Aufwand. Er schätzt, dass dafür etwa 10.000 Euro nötig sind.

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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