Verhaken statt Schichten: Bauen mit Stäbchen wie beim Mikado
Ein bisschen erinnert diese Technik an Mikado: Kurze Stäbe haben sich verhakt, und dank Dornen wirkt das Ganze auch noch ganz stabil. Es sind Säulen, die Architekten der Uni Stuttgart mit einem neuen Baumaterial gebaut haben. Und wie baut ein Roboter diese Säulen?
Die fertigen und etwas bizarr aussehenden Türme könnten auch als Kunstwerke durchgehen. Dornenförmige Bauteile aus Kunststoff haben sich fest miteinander verhakt und bilden die stacheligen Bauwerke, die trotz ihrer Luftigkeit erstaunlich stabil sind. Ein Roboter hat die Bauwerke ohne jegliche Bindemittel innerhalb weniger Stunden errichtet und kann sie auch rückstandslos wieder abtragen. Die Idee für den ICD Aggregate Pavilion kommt vom Institut für Computerbasiertes Design der Universität Stuttgart.
Bauteile haben vier oder sechs Dornen
Laut der beiden Erfinder der Konstruktion, die beiden Architekten Prof. Achim Menges und Karola Dierichs, handelt es sich hier um die erste architektonische Struktur mit einem Granulat-System. Die einzelnen Granulate sind im Spritzgussverfahren aus recyceltem Kunststoff entstanden und sehen aus wie Dornen. Es gibt drei verschiedene Granulat-Typen, die entweder vier oder sechs Stacheln haben und unterschiedlich groß sein können.
Sie sind das Ergebnis aufwendiger Forschungsreihen, mit denen die Computerdesigner die Sternform immer wieder variierten, bis die Ergebnisse sowohl mit der Computersimulation, als auch mit den physischen Tests mit Maßstabsmodellen übereinstimmten. Aber nicht nur die Bauteile selbst, die bei der Demonstration 7 x 7 m groß war, auch die Art der Montage ist ungewöhnlich.
Roboter verbaut 30.000 Einzelteile in wenigen Stunden
Die Türme werden zwar von unten nach oben aufgebaut, aber nicht von Menschenhand, sondern von einem Roboter, der speziell für diesen Einsatz gebaut wurde. Er schwebt über der Baustelle, ist mit Seilen an vier Bäumen befestigt und fährt hin und her, um die einzelnen Bauteile mit seinem Greifarm auf den runden Betonfundamenten zu platzieren.
Das Ganze passiert nach einem programmierten Bewegungsmuster, um die Granulate präzise in die beste Position zu bringen. Diese verhaken sich miteinander und bilden eine stabile Einheit. Insgesamt verbaute der Roboter innerhalb weniger Stunden 30.000 Einzelteile, die nicht nur schnell aufgebaut, sondern auch wieder abgetragen werden können.
Weil es keinerlei Verbindungsmittel im Bauwerk gibt, fallen beim Abbau auch keine Rückstände an und die dornenförmigen Bauteile können wieder neu konfiguriert werden.
Neben der vertikalen Bauweise, wie sie von den Designern im ICD Aggregate Pavilion vorgeführt wurde, sind auch andere architektonische Konstruktionen mit dem neuen Material möglich. Im Labor haben Dierichs und Menges statisch anspruchsvolle Bögen und Kuppeln errichtet, ebenfalls ohne Gerüst und Verbindungsmittel und jederzeit demontierbar. Das dornenförmige Baumaterial wartet nun auf seine erste Anwendung in der Praxis.
Die Stäbchen sind nicht das erst ungewöhnliche Baumaterial des ICD. Im vergangenen Jahr haben sich die Architekten den Seeigel als Vorbild genommen, um ein Pavillon zu bauen. Wie das funktioniert hat, lesen Sie hier.
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