Wie die alten Römer Aquädukte bauten und was die Armee damit zu tun hatte
Noch heute lassen sich vielerorts Bogenbrücken bewundern, die Teil der Wasserversorgung der alten Römer waren. Das Bauen von Aquädukten war hohe Ingenieurskunst – und zwar von der Quelle über Brücken bis hinein in die einzelnen Häuser der Stadt.
Die Ingenieurskunst der alten Römer ist legendär und zeigt sich in zahlreichen Bauwerken, die Jahrtausenden überdauert haben. Aquädukte brachten zum Beispiel das Wasser von der Quelle in die Städte und waren bis zu 150 Kilometer lang. Sie führten über Täler, Schluchten und Abgründe. Oft verliefen sie am Boden oder unterirdisch, doch mitunter brauchte es imposante Bogenbrücken, um Druckleitungen zu vermeiden. Alles in allem war viel Fachwissen von Ingenieuren, Architekten oder Topographen notwendig, um solche Bauwerke wie ein Aquädukt zu realisieren. Und natürlich entsprechend viele Arbeitskräfte, die sich häufig aus der Armee rekrutierten.
Topographen suchten den richtigen Weg
Auch bei den alten Römern ging es bereits darum, schnell und kostengünstig zu bauen. Bogenbrücken oder Tunnel sollten nur im Notfall errichtet werden müssen. Im besten Fall sollten die Wasserleitungen am Boden verlaufen und dabei überall, wo es möglich war, den Höhenlinien folgen. Aufgabe der Topographen war es, zunächst aussichtsreiche Quellen ausfindig zu machen und anschließend die beste Trasse für das Aquädukt zu ermitteln.
Da das Wasser stetig weiterfließen sollte, wurden die Aquädukte so gebaut, dass sie ein Gefälle von mindestens 0,5 Prozent aufwiesen. Dazu brauchte es bereits viel Fachwissen, damit das vom Quellhaus am Anfang des Aquädukts bis zum Ende es Wasserlaufs, dem sogenannten Wasserschloss (Castellum) funktionierte. Im Gegensatz zu den größeren steinernen Überlandleitungen mit Freispiegelgefälle verwendeten die Römer in der Stadt meist Druckleitungen, um das Wasser in die Häuser zu verteilen. Das gelang mit Hilfe von Wassertürmen.
Damit die Topographen ihre anspruchsvolle Aufgabe bewältigen konnten, standen ihnen zwei unverzichtbare Instrumente zur Verfügung, die Groma und der Chorobat. Bei der Groma handelte es sich um eine Vorläuferin des Doppelpentagonprismas. Sie diente zum Ausfluchten auf eine Gerade und zum Abstecken rechter Winkel. Der Chorobat war eine frühe Form des Nivelliergerätes. Er bestand aus einem 20 Fuß (etwa sechs Meter) langen Holzträger mit senkrechten Stützen an seinen Enden. Er wurde entweder mit Loten horizontiert oder zum Beispiel bei Wind durch Beobachten des Pegels in einer mit Wasser gefüllten Rinne auf dem Träger.
Die Wasserleitungen der Römer bestanden aus Holz, Blei oder Leder, meist jedoch aus Steinkanälen. Die Wasserverteilung in der Stadt erfolgte gewöhnlich mit Bleileitungen, wie Ausgrabungen in Pompeji ergaben. Mitunter hatten die Aquädukte mehrere Stockwerke, wobei in jedem Stockwerk das Wasser aus einer anderen Quelle floss. Am imposantesten waren die Aquädukte in Rom selbst, die Millionenstadt wurde von insgesamt elf Wasserleitungen mit einer Gesamtlänge von mehr als 400 Kilometern versorgt. Insgesamt 64 Kilometer davon waren Bogenaquädukte und 2,5 Kilometer Tunnel.
Echte Knochenarbeit: Bau von Bogenbrücken
Große Ingenieurskunst war der Bau von Bogenbrücken, mit deren Hilfe Täler und Schluchten überwunden werden konnten. Noch heute sind zahlreiche dieser imposanten Bauwerke zu bewundern. So zum Beispiel die Pont du Gard in Südfrankreich oder die Aqua Claudia zur Versorgung der Stadt Rom. Die wasserführenden Brücken stehen häufig sinnbildlich für den Begriff „Aquädukt“, im ursprünglichen Sinne ist damit jedoch der gesamte Wasserlauf von der Quelle bis in die Stadt gemeint.
Schauen wir uns die Pont du Gard einmal genauer an. Die Bogenbrücke besteht aus drei Ebenen, hat eine Gesamtlänge von 275 Metern, ist 49 Meter hoch und sechs Meter breit. Die maximale lichte Weite beträgt 24,40 Meter. Von der Mitte ausgehend wird die Bogenspannweite zum Ufer hin immer kleiner. Es wird davon ausgegangen, dass rund 1.000 Bauarbeiter, darunter viele Sklaven und Kriegsgefangene, drei Jahre an dem Bauwerk arbeiteten. Wahrscheinlich unter der Leitung des Heeres, das zur damaligen Zeit nicht nur für Kriegsaktivitäten, sondern oft auch für den Bau der Infrastruktur in den römischen Provinzen zuständig war.
Errichtet wurde die Pont du Gard in der römischen Quaderbauweise (opus quadratum). Die dafür verwendeten Kalksteine wurden in naheliegenden Steinbrüchen gewonnen und zur Baustelle transportiert. Wobei einzelne Steine einige Tonnen auf die Waage brachten. Die Arkaden auf der unteren und mittleren Ebene der Brücke bestehen zum Beispiel aus Keilsteinen, die bis zu sechs Tonnen schwer sind. Übrigens wurde für den Bau kein Mörtel benutzt, da die Steine gegeneinander allein durch den vorhandenen Druck zusammengehalten werden.
Verschiedene Bauphasen beim Bau einer Bogenbrücke
Es ist davon auszugehen, dass der Bau einer Bogenbrücke in verschiedenen Bauphasen erfolgte. Genaueres lässt sich nach gut 2.000 Jahren nicht mehr sagen, doch lassen sich anhand baulicher Details die logischen Bauabschnitte in der Regel gut rekonstruieren. Die beiden Autoren Gérard Coulon und Jean-Claude Golvin haben das in ihrem Buch „Die Architekten des Imperiums“ versucht, und war am Beispiel des Aquädukts in Saldae (heutiges Béjaïa). Das Brückenbauwerk steht in Algerien und hat, anders als die Pont du Gard, lediglich zwei Ebenen:
- Phase #1: Pfeilerfundamente errichten
- Phase #2: Einrüsten von mindestens drei aufeinander folgenden Pfeilern
- Phase #3: Erste Pfeileretage errichten
- Phase #4: Lehrgerüste für die unteren Bögen anbringen
- Phase #5: Zweite Pfeileretage errichten
- Phase #6: Keilsteine der unteren Bögen einbauen
- Phase #7: Lehrgerüste für die oberen Bögen anbringen
- Phase #8: Obere Bögen einbauen
- Phase #9: Zwickel zwischen den oberen Bögen aufbauen
- Phase #10: Gefälle justieren und Kanalrinne bauen
- Phase #11: Erstes Gerüst abbauen
Als Werkzeuge und Hilfsmittel für den Brückenbau standen den alten Römern zum Beispiel Meißel, Schlägel, Winkel, Wasserwaage, Schaufel sowie Baukräne mit Flaschenzügen zur Verfügung. Waren die Baustellen für schweres Gerät wie einen Baukran nur schwer zu erreichen, behalfen sich die Baumeister der Antike mit Gerüsten und einfachen Flaschenzügen. Die einzelnen Quader durften dann allerdings nicht zu schwer sein. Für den Bau des Aquädukts von Saldae kamen zum Beispiel nur Steinblöcke zum Einsatz, die maximal 700 Kilogramm schwer waren.
Um die Bögen errichten zu können, sind zunächst drei benachbarte Pfeiler zu errichten. Dafür braucht es immer drei Gerüste nebeneinander. Es ist davon auszugehen, dass die Rundung jedes Bogens zunächst auf dem Erdboden vorgezeichnet wurde. Nun wurden die Keilsteine behauen und zunächst am Boden probeweise zusammengefügt. Erst dann hievten sie die Bauarbeiter mit Hilfe eines Krans oder Flaschenzugs an ihre endgültige Position. Wie bereits geschrieben, brauchte es dafür keinen Mörtel (den die Römer jedoch durchaus kannten), die Keilsteine halten allein durch Druckkräfte.
Am Pont du Gard ragen überall am Mauerwerk noch unregelmäßige Steine hervor, an denen während des Baus die Gerüste verankert waren. Nun hätte man nach Abschluss des Brückenbaus die Steine entfernen können, das wurde jedoch nicht gemacht. Vermutlich, um sie bei eventuellen Reparaturarbeiten wieder nutzen zu können. Vielleicht blieben sie aber auch nur aus Geldmangel stehen. Wie auch immer – nach Ende der Bauarbeiten flossen jeden Tag etwa 20.000 Kubikmeter Wasser über die Brücke in die Stadt Nemausus, die damals etwa 20.000 Einwohner hatte. Jede Einwohner standen demnach theoretisch täglich 1.000 Liter Wasser zur Verfügung.
Sogar an Erdbebenschutz wurde gedacht
Beim Aquädukt von Saldae, das in dem wirklich interessanten Buch über die Architekten des Imperiums ausführlich behandelt wird, wurde sogar an den Erdbebenschutz gedacht. Der Architekt Alain Billard konnte anhand seiner Forschungsergebnisse belegen, wie klug diese Bauwerke bezüglich Hauptgefahrenquellen wie Erdbeben geplant wurden.
Bei massiven Erdstößen sollte die Bogenbrücke an beiden Enden nachgeben. In Saldae und anderorts sah man an diesen Stellen kleinere Bögen vor, durch die das übrige Bauwerk Schwingungen ausgleichen konnte, ohne dass es zu größeren Schäden im Mittelteil kommt. Die beim Beben zerstörten kleinen Bögen konnten schnell wieder repariert werden.
Doch nicht nur Brücken bedeuteten einen hohen technischen Aufwand beim Bau eines Aquädukts, mitunter mussten auch Berge mithilfe eines Tunnels durchquert werden. Insbesondere die Ausrichtung eines solchen Tunnels erfordert großes Wissen. Und nicht immer funktionierte es, wie gewünscht. Beim Aquädukt von Saldae musste zum Beispiel bei El Habel ein 560 Meter langer Tunnel gegraben werden, der nicht wirklich geradlinig verläuft. Es werden Fehler bei der anfänglichen Kalkulation vermutet. Theoretisch könnte es aber auch an unterschiedlichen Gesteinskonsistenzen gelegen haben, dass Umwege in Kauf genommen wurden.
Ein Beitrag von: