Nachhaltiger Stadtbau mit simplen Materialien 25.09.2020, 10:29 Uhr

Wood City in Helsinki: Das sollte sich jede Smart City von den Finnen abgucken

Eine Stadt aus Holz: In Helsinki entsteht solch ein nachhaltiges Design- und Wohnviertel. Die Smart City-Entwicklung greift dabei auf alte Traditionen zurück. Helsinki hat anderen Metropolen einiges voraus.

Luftbild Helsinki

Helsinki gilt als die Smart City schlechthin.

Foto: panthermedia.net/scanrail

Helsiniki, die finnische Hauptstadt im Süden Finnlands, gilt als Paradebeispiel einer Smart City. Bei ihren nachhaltigen Baukonzepten setzt die Stadt aber nicht auf neue Materialien, sondern besinnt sich auf alte Traditionen. Warum nicht mit Holz bauen und auf nachwachsende Rohstoffe setzen – das ist die Idee hinter der sogenannten „Wood City„.

Helsinki: Neues nachhaltiges Stadtviertel besteht aus Holz

Moderne und Tradition verbinden: Helsinki lernt aus seiner Vergangenheit und integriert in den neuen Stadtteil „Wood City“ in Jätkäsaari Wohngebäude, Bürokomplexe, ein Hotel sowie ein Parkhaus – errichtet wird das alles mit Holz. Der städtische Bauträger ATT wurde mit dem Konzept beauftragt. Das urbane Viertel stellt zudem eine Kooperation zwischen SRV, ein Marktführer auf dem Gebiet von innovativen Projekten, und Stora Enso, die zahlreiche andere Konstruktionen aus Holz bauen, dar. Entworfen wird der naturbelassene Stadtteil von dem Architekten Anttinen Oiva.

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Stora Enso verwendet für die mehrstöckigen Holzgebäude der Wood City eine Technologie, die auf LVL-Platten (abgeleitet von englisch Laminated Veneer Lumber) basiert. Massives Holz setzt einen starken Kontrast zu Beton- und Stahlbauten.

„Es ist wichtig zu beachten, dass der Umgang mit Feuchtigkeit für Materialien sorgfältig für den Installationsprozess ausgelegt ist. Alle erforderlichen Maßnahmen sind im Voraus detailliert geplant, einschließlich des von der Helsinki City Building Control genehmigten Feuchtigkeitsbehandlungsplans. Darüber hinaus sind im Gebäude automatische Sensoren installiert, um die Feuchtigkeit während des gesamten Bauprozesses zu messen“, sagt Petri Perttula , Leiter Building Solutions bei Stora Enso.

Was den Baustoff Holz ausmacht

Holz ist so tragfähig wie Stahl und fast so druckfest wie Beton. Das natürliche Material ist ein wiederverwendbarer, erneuerbarer, nachhaltiger und kostengünstiger Baustoff. Es weist wissenschaftlich nachgewiesene gesundheitliche Vorteile auf. Holz hat zudem die niedrigsten Kohlenstoffemissionen (CO2) unter den Baumaterialien und schafft eine langfristige Kohlenstoffspeicherung.

„Die industrialisierten Prozesse und innovativen Konzepte des Holzbaus machen Holzgebäude zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Alternative. Wir möchten das Bewusstsein dafür schärfen, dass die Verwendung von Holz als Baumaterial eine klimafreundliche Wahl und eine Lösung ist, um den Bedürfnissen des Bevölkerungswachstums und der Urbanisierung gerecht zu werden. Da Holz der einzige vollständig nachwachsende Baustoff ist, ist es auch aus ökologischer Sicht unschlagbar „, berichtet Jari Suominen, Leiter Holzprodukte bei Stora Enso.

Was die Wood City anders macht

Die jüngsten Vorschriften sehen mehrstöckige Holzkonstruktionen mit bis zu acht Stockwerken vor. Das macht den Unterschied. In das Bürogebäude wird beispielsweise die finnische Spielefirma Supercell ziehen. Außerdem sorgen die Bauherren vor: Feuer kann der schlimmste Feind des Holzes sein und ganze Städte zur bloßen Asche machen. In ganz Wood City wurde daher eine feuerhemmende Behandlung angewendet. Laminiertes Furnierholz (LVL) bietet aufgrund der Materialstruktur eine höhere Feuerbeständigkeit als herkömmliche Träger.  LVL ist weniger porös als andere Holzarten, da das Furnier in mehreren Schichten angeordnet ist.

Helsinki lernt somit aus der Geschichte, denn einst brannte die Stadt Turku völlig aus. Bekannt ist dieses Ereignis als „das große Feuer von Turku“. Im September 1827 wurden die über 200 Jahre alten Holzhäuser vollständig zerstört. Diese große nationale Katastrophe ist bis heute der größte Stadtbrand in der Geschichte Finnlands sowie der nordischen Länder. Das Feuer begann in einem Bürgerhaus und sprang schnell auf benachbarte Gebäude über. Das Feuer fegte durch das nördliche Viertel, breitete sich auf das südliche Viertel aus und sprang sogar über den Fluss Aura, wodurch das Kathedralenviertel in Brand gesteckt wurde.

Noch heute kämpfen Kathedralen gegen verheerende Brände. Brandschutz ist unerlässlich, um Kulturgüter zu erhalten. Wir berichten hier darüber.

Wie kann Holz resistent gegen Flammen werden?

Brennbares Holz in ein flammhemmendes Material umwandeln: Bei dieser Technologie werden hauptsächlich chemische Substanzen zum Holz dazugegeben. Das Material wird mit einem chemischen Hochdruckverfahren behandelt. Unbehandeltes Holz stellt man unter hohem Druck in ein chemisches Bad. Dadurch können die Chemikalien tief in das Holz eindringen. Die Chemikalien reagieren mit der hohen Temperatur und setzen nicht brennbares Gas und Wasserdampf frei, anstatt Flammen zu fangen.

Podcast-Tipp: Smart Buildung

Nicht nur Städte können nachhaltig und smart werden, sondern auch einzelne Gebäude. Wie das gelingt, berichtet Jan Wokittel bei „Technik aufs Ohr“. Jan Wokittel vernetzt als Digital Innovation Manager in Basel bei seinem Arbeitgeber Roche das Gebäude. Reinhören und mehr erfahren:

16 x mehr Wald: Finnland ist Europas waldreichstes Land

97 % der finnischen Bäume in Wäldern sind entweder Kiefern, Fichten oder Birken. In den nordischen Wäldern wachsen insgesamt etwa 30 verschiedene Baumarten. Somit ist Finnland Europas waldreichstes Land. Wälder bedecken 23 Millionen Hektar beziehungsweise 74,2 % der Landfläche. Finnland weist im Durchschnitt sechzehnmal mehr Wald pro Kopf auf als jedes andere europäische Land. Die meisten finnischen Wälder sind Mischwälder.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Finnland vom 16. bis zum letzten Jahrhundert hauptsächlich mit Holz gebaut wurde. Vor allem auf dem Land können Besucher heute noch malerische Holzstädte sehen, die seit Jahrzehnten oder sogar seit einem Jahrhundert intakt sind. Viele dieser Städte sind historische Städte.

Oodi: Finnlands Bibliothek steht für nachhaltiges Bauen

Die Zentralbibliothek Oodi in Helsinki (in englischer Sprache Ode) ist ebenfalls ein modernes Gebäude aus Holz, Stahl und Glas und steh als Beispiel für schönes skandinavisches Design sowie nachhaltiges Bauen. Die 2018 fertiggestellte Oodi-Bibliothek war ein Geschenk der Stadt Helsinki und der finnischen Regierung an alle Bürger, um 2017 das 100-jährige Bestehen der finnischen Unabhängigkeit zu feiern. In der Oodi-Bibliothek gibt es neun lebende Bäume, in denen sich auch zwei Cafés und eine Sauna befinden.

Oodi Bibliothek innen mit Stühlen
So sieht die Oodi-Bibliothen von Innen aus.

Foto: panthermedia.net/tataks

Treppen aus Holz mit Besuchern Oodi
Auch Innen gestaltet sich alles aus Holz.

Foto: panthermedia.net/lara-sh

Sitzflächen und Raum der Oodi Bibliothek
Gemütliche Atmosphäre in der Oodi-Bibliothek.

Foto: panthermedia.net/tataks

Finnische Architekten genießen Freiräume

Architekten und Bauherren haben in Helsinki große Spielräume. „Helsinki ist offen für neue Ideen“, sagt Stadtplanerin Elina Eskäla. „Wenn jemand mit einem tollen Vorschlag zum Bauen oder für ein Finanzierungsmodell kommt – und es kommen jede Woche Vorschläge – dann versuchen wir sie umzusetzen, verhandeln mit den Behörden und versuchen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen.“

Welche Nachteile hat eine smarte Stadt?

Smart Cities stehen unter anderem vor wirtschaftlichen Herausforderungen, denn eine smarte Stadt benötigt eine sehr gut entwickelte technische Infrastruktur. Diese werden in der Regel aus der Privatwirtschaft aufgebaut und unterhalten. Das ist zum einen kostspielig, zum anderen wird den Unternehmen auch eine unverhältnismäßig starke Rolle im Städtebau zugesprochen. Datenmengen über die gesamte Verwaltung und Struktur der Stadt werden auf Servern dieser Unternehmen zwischengespeichert und so einem potenziellen Angriff ausgesetzt. In Sachen Datenschutz steht die Smart City auch noch vor Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Eine Kontrolle von privatwirtschaftlichen Unternehmen ist also notwendig.

Smart City: Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus?

In den Niederlanden gibt es ebenfalls innovative Bauprojekte: Weil es an Flächen zum Wohnungsbau mangelt, sind die Niederländer auf eine besondere Idee gekommen: Sie bauen schwimmende Häuser – und das mitten in Amsterdam. Mit dem „Schoonschip“ ist ein schwimmender Stadtteil entstanden. Bezahlbares Wohnen wird mit Nachhaltigkeit verbunden. Der Städtebauer Sascha Glasl, ein Architekt aus Deutschland. sagt über das Projekt.

„Wir müssen mit und auf dem Wasser bauen, nicht dagegen.“

30 schwimmende Häuser, die mit Holzstegen verbunden sind, liegen an einem breiten Kanal in Amsterdam.

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Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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