Zwei Industrie-Architekten, die Weltkulturerbe erschaffen haben
Fritz Schupp und Martin Kremmer gehören zu den bedeutendsten deutschen Industriearchitekten des 20. Jahrhundert. Die 1922 gegründete Bürogemeinschaft hat den Industriebau maßgeblich beeinflusst und war im Ruhrgebiet bei nahezu jeder größeren Werksanlage an Planung und Ausführung beteiligt. Gleich zwei ihrer ausgeführten Entwürfe, die Zeche Zollverein in Essen und das Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar, gehören heute zum Unesco-Weltkulturerbe. Nun wurde ihr Nachlass erforscht.
„Mehr als 40 Bergwerke umfasst ihr Œuvre, dazu Kokereien, Raffinerien, Stahl-, Kraft- und Fahrzeugwerke, Chemie-, Kali- und Zementfabriken, Schalt- und Stranggussanlagen“, zählt Andreas Rossmann, Kulturkorrespondent der FAZ, auf. In ganz Deutschland sind ihre Spuren zu finden von Hückelhoven im Aachener Steinkohlenrevier über Wolfsburg, wo sie am Bau des Volkswagenwerks beteiligt waren, und Goslar, wo sie für den Rammelsberg neue Tagesanlagen errichteten, bis Gleiwitz in Oberschlesien.
Fabrikgebäude zu einem großen Ganzen arrangieren
Die Architekten gehörten zu den wenigen, die Industriearchitektur als eigenständiges Aufgabengebiet über Jahrzehnte bearbeiteten. Klassische Ordnungsprinzipien wie Symmetrie, Axialität, Staffelung und Subordination wandten sie in modernem Zusammenhang an. Im Jahre 1929 formulierten sie es so: „Ordnend fasst der Architekt eine Vielzahl von Fabrikgebäuden zu großen Einheiten zusammen, wo es ihm geboten scheint und wo der Produktionsgang es nahelegt. Es ist hier seine Kunst, die Verhältnisse so abzuwägen, dass es ein geschlossenes Ganzes entsteht.“
Als Symbol des Ruhrgebiets gilt heute das von ihnen entworfene Doppelbockfördergerüst der Schachtanlage Zollverein XII in Essen. Dass Industriebauten Schönheit annehmen, ist selbst heute noch keine Selbstverständlichkeit und erscheint im Bergbau, der mit Kohle und Schmutz einhergeht, geradezu abwegig. Doch wird diese Harmonie selten so augenfällig wie im Ensemble dieser „schönsten Zeche der Welt“. Schupp ging es darum, „dass im Rhythmus der Baukörper und Baumassen der Rhythmus der Funktion zum Ausdruck kommt, die sich in ihnen vollzieht.“
Die Reduzierung des Gesamtwerks der Architekten auf diese Gestaltungshaltung hat zu einem „Mythos Schupp/Kremmer“ geführt, wie Kristina Pegels-Hellwig in ihrer Dissertation über den zeichnerischen Nachlass der beiden feststellt. Doch in krassem Gegensatz zu dem Bild der klaren, kubisch-funktionalen Industriearchitektur, mit der das Büro noch heute assoziiert wird, steht der hohe Anteil an konservativen Entwürfen im Nachlass.
Bei den Architekturzeichnungen fällt die für eine traditionelle, handwerkliche Ausführung bestimmte Gestaltung auf. Pegels-Hellwig: „Sie trifft insbesondere auf Gebäude zu, die für Menschen und nicht für technische Anlagen konzipiert waren, beispielsweise Verwaltungsgebäude und Sozialbauten.“
Der zeichnerische Nachlass von Fritz Schupp und Martin Kremmer ist mit seinem Umfang von 17 570 Plänen in das Bergbau-Archiv beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum übernommen worden. Dies bildete die Grundlage für ein von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gefördertes Erschließungs- und Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse nun in drei Bänden vorliegen und das Wirken der Architektengemeinschaft in neuem Licht erscheinen lassen.
Wilhelm Busch, Michael Farrenkopf und Rainer Slotta (Hrsg.): Das architektonische Werk der Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer, zu beziehen zum Preis (zzgl. Versandkosten) von Bd. 1:19,90 €, Bd. 2:24,50 €, Bd. 3:24,50 € beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum
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