1800 Wissenschaftler diskutieren in Karlsruhe neueste Trends der Robotik
Maschinen in den Fertigungshallen der Industrie sind inzwischen ein alter Hut. In welchen neuen Bereichen können Roboter noch sinnvolle Helfer sein? Und wo sind die Grenzen? Die weltgrößte Roboter-Konferenz stellt sich bis Freitag in Karlsruhe der Diskussion solcher Fragen.
Karlsruhe steht derzeit im Focus der Robotik. Noch bis Freitag präsentiert die IEEE International Conference on Robotics and Automation (ICRA) 2013 erstmals in Deutschland neueste Forschungsergebnisse. Die Konferenz im Kongresszentrum Karlsruhe wird veranstaltet von der IEEE Robotics und Automation Society und organisiert vom Institut für Anthropomatik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Die ICRA ist die weltweit größte Fachkonferenz für Robotik und Automation. Sie bringt über 1.800 Teilnehmer zusammen.
Die Veranstalter betonen die Bedeutung von Karlsruhe, der Stadt, in der Heinrich Hertz im Jahre 1888 die elektromagnetischen Wellen entdeckte und in der 1844 Karl Benz, der Erfinder des modernen Automobils, das Licht der Welt erblickte. Und nicht zu vergessen, 1785 war Karlsruhe Geburtsort von Karl von Drais, Forstlehrer und Erfinder des ersten fahrradähnlichen Fortbewegungsmittels, der Draisine, einer Art Laufrad.
Anthropomatik beschreibt die Symbiose zwischen Mensch und Maschine
Das Thema der Konferenz lautet „Anthropomatics – Technologies for Humans“, also „Technologie für Menschen“ und soll die zunehmende Bedeutung von Robotern unterstreichen. „Autonome Luftfahrzeuge unterstützen bei Katastrophenszenarien, Transportroboter revolutionieren die Logistik“, erklärt Professor David Orin, Präsident der IEEE Robotics and Automation Society. „Mobile Manipulatoren und humanoide Roboter verändern die Assistenz in der industriellen Produktion, aber auch im Alltag grundlegend, während Android-Technologien die Kommunikation mit technischen Systemen beeinflussen.“
Die ICRA 2013 beschäftigt sich mit Themen wie „Hand Design“, „Objekt-Erkennung“, „menschliche Roboter“, „Nadel-Manipulation bei medizinischen Robotern“, „Bewegung und Redundanz“, „Lernfähigkeit“ und „Mikro- und Nanoroboter“. Es geht um Robotik im Weltraum und um Robotik im Meer, um von der Biologie inspirierte Roboter, um magnetische Mikroroboter. Es geht um Roboter, die selbstständig unbekanntes Terrain erkunden.
„Die Zahl der eingereichten wissenschaftlichen Beiträge war mit circa 2300 aus mehr als 60 Ländern noch nie so hoch wie in diesem Jahr“, sagt Professor Rüdiger Dillmann vom KIT und General Chair der ICRA 2013. „Knapp 900 davon werden auf der ICRA präsentiert. Auch die über 70 Aussteller aus Industrie und Forschung stellen einen neuen Rekord in der Geschichte der Konferenz dar.“
Am Freitag öffnet die Roboterkonferenz ihre Tore
Die Konferenz ist eine wilde Mischung aus wissenschaftlichem Kongress, technischen Workshops und fachlichen Demonstrationen. Darunter sind so schrille Workshops wie „Art an Robotics – Freud’s Unheimlich and the Uncanny Valley“, der sich als Tagesworkshop mit Freud, der Kunst und der Robotik auseinandersetzt.
Am Freitagvormittag öffnet die weltweit größte Roboterkonferenz ihre Tore mit dem Citizens Forum für die interessierte Öffentlichkeit und insbesondere für Studierende und Schüler. Eine Ausstellung zeigt Roboter der verschiedensten Ausprägungen. Dazu gibt es kurze Vorträge wissenschaftlicher Koryphäen, die ihre Visionen mit den Besuchern diskutieren.
Diese Vision von der Künstlichen Intelligenz ist schon ein alter Hut. Am 13. Juli 1956 begann am Dartmouth College in Großbritannien eine Konferenz, die sich mit dem Thema künstliche Intelligenz beschäftigte. Der im Oktober 2011 verstorbene John McCarthy prägte den Begriff künstliche Intelligenz kurz davor in seinem Förderantrag an die Rockefeller Foundation als Thema dieser Dartmouth Conference, die sich zum ersten Mal dem Thema künstliche Intelligenz widmete.
Den Turing-Test hat noch keine Maschine bestanden
Schon davor suchte der Informatiker Alan Turing nach einem Weg, Maschinenintelligenz von Menschenintelligenz unterscheidbar zu machen. Turing gilt heute als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung. Er war bei seinen Forschungen während des zweiten Weltkriegs maßgeblich an der Entzifferung der mit der Enigma verschlüsselten deutschen Funksprüche beteiligt. Und er ist der Erfinder des Turing-Tests.
Um ein Maß zu haben, wann eine Maschine eine dem Menschen gleichwertige Intelligenz simuliert, wurde von Alan Turin der nach ihm benannte Turing-Test vorgeschlagen. Dabei stellt ein Mensch per Terminal beliebige Fragen an einen anderen Menschen bzw. eine Maschine mit künstlicher Intelligenz, ohne dabei zu wissen, wer jeweils antwortet. Der Fragesteller muss danach entscheiden, ob es sich beim Interviewpartner um eine Maschine oder einen Menschen handelte. Ist die Maschine nicht von dem Menschen zu unterscheiden, so ist laut Turing die Maschine intelligent. Bisher hat keine Maschine diesen Turing-Test je bestanden.
Roboter in der Altenpflege sind ein Problem
Und genauso ist es auch in Karlsruhe anno 2013. Die Robotik macht Fortschritte, große Fortschritte, aber bleibt letztlich auch in den Kinderschuhen stecken. Es geht um die komplizierte Steuerung der Roboter, um die Interpretation von Kamerabildern und Sprachverständnis. Kurz, es geht um all das, was wir im Alltag erleben. Ein Wirrwarr, der um uns herum schwirrt mit Texten, mit Tönen und mit Bildern. Und es fällt uns Menschen im Alltag schon schwer, diesen Wirrwarr zu sortieren. Roboter sind bisher mit dieser komplexen Aufgabe hoffnungslos überfordert. Und das gilt auch 57 Jahre nach der Findung des Begriffes der künstlichen Intelligenz.
Es gibt zwar Ansätze, beispielsweise künstliche Kuschelrobben in Altenheimen einzusetzen, um den Menschen zu helfen, die Einsamkeit zu ertragen. Allerdings warnt Rüdiger Dillmann vom KIT davor, ältere und bedürftige Menschen mit einer Maschine abzuspeisen. „Roboter müssen zurzeit noch mit einfachsten Befehlen angesprochen werden und reagieren entsprechend. Wenn das künftig die Ansprache ist, die alte Menschen erfahren, halte ich das für sehr problematisch.“
Für den Robotik-Professor am KIT ist der wirklich hilfreiche Pflegeroboter derzeit noch absolute Zukunftsmusik. „Im Moment muss sich der Mensch noch dem Roboter anpassen – und nicht umgekehrt“, erläutert Dillmann. Die Maschine brauche präzise Anweisungen. Mit eher allgemeinen Äußerungen wie „Sei vorsichtig mit meiner Brille“, könne ein Roboter nichts anfangen. „Die menschliche Sprache ist viel zu komplex.“ Ein sinnvolles Gespräch mit Robotern sei noch in weiter Ferne. „Wir wären schon froh, wenn sie formulieren könnten, was sie nicht verstehen.“
Wirklich zuverlässig arbeiten Roboter in der Industrie
In den Fertigungsstraßen der Industrie sind Roboter dagegen Alltag. Dort sind sie wichtige Helfer und funktionieren gut. Allerdings beschränkt sich ihre Aufgabe dort immer nur auf ein kleines Gebiet: Objekt packen und auf ein anderes Förderband setzten zum Beispiel. Wenn sie mehr leisten sollen, wird es eng.
Dillmann sieht das Potential der Blechkollegen daher auch sehr begrenzt. Sinnvoll sei der Einsatz von Robotern als Assistenten. „An dieser Schwelle bewegt sich die Forschung im Moment.“ So könnten Maschinen etwa Zimmer aufräumen. „In ihren eng begrenzten Aufgabenbereichen sind sie meist präziser als Menschen.“ Inzwischen gebe es auch große Fortschritte bei Methoden, wie sich Maschinen selbst verbessern und weiterentwickeln könnten. „Letztendlich bleiben sie aber ein Haufen Silizium und ein Berg Blech.“
Bis uns ein C3PO als goldener Protokolldroide in zig intergalaktischen Sprachen vertreten kann und sein knuffiger Kumpel R2D2 uns mal wieder raushaut, wenn es eng wird im Sternenkrieg, da werden wohl noch viele Konferenzen in Karlsruhe oder anderswo notwendig sein.
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