Deutschland liegt vorne bei der Digitalisierung
Eine flexible und kostengünstige Fertigung ist das Ziel der vierten industriellen Revolution. Alle Beteiligten tauschen dabei alle relevanten Daten via Internet untereinander aus. So soll die Produktivität drastisch steigen. Industrie 4.0 ist auch in Hannover ein zentrales Thema.
Das kleine Elektroauto e.Go Life der RWTH Aachen ist möglicherweise das erste Produkt der vierten industriellen Revolution in Deutschland. Industrie 4.0 heißt das Schlagwort für eine völlig neue Art der Datennutzung und -verwertung. Produktion, Planung, Konstruktion, Verwaltung, kurz alles, was mit der Herstellung von Waren zusammenhängt, wächst via Internet zusammen. Auf der Hannover Messe gehört Industrie 4.0 zu den Kernthemen.
Sensationell niedrige Entwicklungskosten
Im Fall des e.Go Life sah das so aus. Der Aachener Produktionsforscher Prof. Günther Schuh scharte eine kleine Gruppe von Entwicklern um sich, die in mehreren Gruppen Teile des Fahrzeugs entwickelten. Damit alles zusammen passte, hatten sie alle Zugriff auf einen Datenpool, in dem alles gesammelt wurde, was für Entwicklung und Konstruktion des Fahrzeugs nötig war.
Während beim herkömmlichen Verfahren alles nacheinander umgesetzt wird, konnten die Teams der RWTH Aachen parallel arbeiten. Das sparte eine Menge Geld und Zeit. Die Entwicklungskosten lagen bei bescheidenen 30 Millionen Euro, die Entwicklung dauerte nur zwei Jahre. Hätte ein gewöhnlicher Autohersteller das Auto entwickelt, schätzt Prof. Schuh die Kosten auf rund 500 Millionen Euro.
Produktivität steigt um 80 Milliarden Euro
Das zeigt schon die Tendenz: Industrie 4.0 wird die Produktionskosten drastisch senken. Bitkom, der Branchenverband der Informations- und Kommunikationstechnik-Industrie, erwartet von der neuen Art zu entwickeln und zu produzieren bis zum Jahr 2025 eine Produktivitätssteigerung in sechs volkswirtschaftlich zentralen Branchen – darunter Maschinen- und Anlagenbau, Autoindustrie, Elektrotechnik und chemische Industrie – in Höhe von fast 80 Milliarden Euro pro Jahr.
Klage über fehlende Standards
Noch gibt es Hindernisse bei der Umsetzung. Viele Anlagen sind noch außerstande miteinander und mit denen etwa von Zulieferern zu kommunizieren, weil einheitliche Standards fehlen. Darüber klagen 63 Prozent der 314 Teilnehmer an der Bitkom-Umfrage. Andererseits habe Deutschland gerade in diesem Einsatzbereich „eine hervorragende Ausgangssituation“, meint Bitkom-Präsidiumsmitglied Michael Kleinemeier.
Hier ist er sich einig mit Forschungsministerin Johanna Wanka. Ihrer Ansicht nach hat Deutschland in diesem Bereich „im Moment zwei Jahre Vorsprung“. Dieser Vorsprung gehe aber schnell verloren, wenn er den Mittelstand nicht erreiche, warnt sie.
Industrie 4.0 kann aber auch zur Gefahr werden, wenn Fremde sich einmischen, etwa um Produktionsprozesse zu sabotieren oder technische Rezepte zu stehlen. IT-Sicherheit muss an vorderster Stelle stehen.
Prototypen werden überflüssig
Flexibilität ist das Wichtigste: So sollen Maschinen der Zukunft dank intelligenter Software unterschiedliche Produkte herstellen, je nach Bedarf. Die Stückzahlen sind beliebig: von eins bis ganz viele. Das macht auch die Herstellung von Prototypen überflüssig. Die Markteinführung wird so erheblich beschleunigt.
Produkte lassen sich individualisieren, also auf den Wunsch jedes einzelnen Kunden zuschneiden, und das nicht durch teure Handarbeit, sondern unter den Bedingungen einer kostengünstigen flexiblen Großproduktion.
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